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Hat Metin Tolans Präsidentschaft noch eine Chance?

An der Universität Göttingen treffen sich Senat und Stiftungsrat am Mittwoch zum vorgeschriebenen Einigungsversuch. Von seinem Ergebnis hängt ab, wie es weitergeht.

IM ABWAHLVERFAHREN gegen den Präsidenten der Universität Göttingen folgt an diesem Mittwoch der nächste Akt. Auf das Anfang Oktober mit großer Mehrheit beschlossene Votum des Senats für die Abwahl Metin Tolans reagierte der Stiftungsausschuss knapp drei Wochen später mit einem ebenso eindeutigen Veto.

 

Über die Hintergründe des aktuellen Personalstreits und vergangene Führungskrisen an der ehemaligen Exzellenzuniversität hatte ich hier im Blog über die Jahre und zuletzt wieder häufiger berichtet.

 

Jetzt kommt der laut niedersächsischem Hochschulgesetz vorgeschriebene Einigungsversuch zwischen beiden Gremien, die sich zuletzt frontal gegenüberstanden. Scheitert der Versuch, kann der Senat erneut über die Abwahl abstimmen. Und dann gilt: Kommt eine Mehrheit zustande, ist Tolan raus. Angesichts des Ergebnisses vom letzten Mal (11 von 13 Senatorenstimmen für das vorzeitige Ende der Präsidentschaft) gilt das als wahrscheinliches Szenario. Da keinerlei Frist vorgesehen ist zwischen Einigungsversuch und Senatsvotum, könnte die Abwahl tatsächlich "sehr kurzfristig" erfolgen, wie es uniintern heißt.

 

Und dann? Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) könnte einen Staatskommissar einsetzen, wofür allerdings laut Hochschulgesetz "die Handlungsunfähigkeit eines Hochschulorgans" gegeben sein müsste. Was zumindest der Senat sicherlich heftig bestreiten würde. Aber noch ist es nicht soweit. Noch ist Tolan im Amt und die Stimmung in Göttingen gespannt.

 

 

Nachtrag am 20. November, 16.30 Uhr
Tolan ist abgewählt

Am späten Nachmittag teilt die Universität auf ihrer Website mit, es habe zwischen Senat und Stiftungssauschuss keine Einigung erzielt werden können. Daraufhin habe der Senat in einer unmittelbar folgenden Sondersitzung seine Abwahlentscheidung bestätigt. Tolan bleibe noch bis zum Erhalt der Entlassungsurkunde im Amt.

 

Eine Stellungnahme des Senats fehlte zunächst auf der Website. Der Vorsitzende des Stiftungsausschusses, Peter Strohschneider, nannte die Abwahl den "vorerst letzte Schritt in einem seit über zwei Jahren andauernden Konflikt". Warum nur vorerst, ließ Strohschneider offen.

 

Die zuvor abgehaltene gemeinsame Sitzung von Senat und Stiftungsausschuss Universität, fuhr der Ex-DFG-Präsident fort, habe deutlich gemacht, dass dieser Schritt durch Sachgründe nicht hinreichend gerechtfertigt ist. "Ich halte ihn daher für unverantwortbar. Er fügt der Universität Göttingen im Innern wie in der Außenwahrnehmung erheblichen und unnötigen Schaden zu und lenkt von der dringend anstehenden Bearbeitung wichtiger Fragen der strukturellen Weiterentwicklung der Universität ab. Er ist im Übrigen mit Formen der persönlichen Herabwürdigung von Metin Tolan auch in der Öffentlichkeit verbunden, die nicht akzeptabel sind."

 

Tolan selbst warf den Senatoren vor, sie hätten "ohne konkrete Sachgründe nur basierend auf Gerüchten und falschen Fakten" eine so weitreichende Entscheidung getroffen." Interessant ist, dass der abgewählte Präsident zugleich dem Senat vorwarf, dieser habe seine Funktion missverstanden. "Der Senat ist weder das Aufsichtsgremium der Universität noch das Aufsichtsgremium des Präsidiums, sondern er verabschiedet Ordnungen und hat eine beratende Funktion, in der er Stellungnahmen zu Entwicklungen innerhalb der Universität abgibt."

 

Eine nur skurril zu nennende Aussage angesichts der im Niedersächsischen Hochschulgesetz festgehaltenen Kompetenzzuschreibung für den Senat, die dieser wahrgenommen hat.

 

Zugleich gab Tolan dem Senat, der demnächst selbst neu gewählt wird, zum Abschied einen wenig schmeichelhaften Wunsch mit auf den Weg. "Ich wünsche der Universität, dass bei der anstehenden Neuwahl für den Senat wissenschaftlich ausgewiesene Personen gewählt werden, die im Interesse der Georgia Augusta ihre Aufgabe in diesem Gremium verantwortungsvoller wahrnehmen, als es die Mehrzahl der jetzigen Senatoren getan hat."

 

 

16.50 Uhr
Senat und Minister melden sich zu Wort

 

Bei der Abwahl-Meldung auf der Uni-Website hatte die Stellungnahme des Senats gefehlt, nun meldet sich die "Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder des Senats" in einer eigenen Pressemitteilung zu Wort. Darin wird das Stimmenverhältnis bei der Abwahl mit elf Ja-Stimmen, einer Enthaltung und einer Nein-Stimme angegeben.

 

Im Gegensatz zu den zornig klingenden Statements von Strohschneider und Tolan schlägt der Senat einen auffällig sachlichen Ton an. Man bedaure, dass bei dem Einigungsversuch jenseits der Abwahl des Präsidenten keine Lösung habe gefunden werden können. "Die Diskussion mit den Mitgliedern des Stiftungsausschusses mit seinem Vorsitzenden Prof. Strohschneider, den Vizepräsident*innen, den Dekan*innen, den stimmberechtigten Senator*innen, der Personalvertretung und der Promovierendenvertretung war trotz der schwierigen Situation durch gegenseitigen Respekt gekennzeichnet, was von allen Anwesenden anerkennend festgestellt wurde."

 

Sogar eine Anerkennung für Tolan fehlt nicht: Der Senat wolle sich bei ihm "für seine unermüdliche Arbeit und sein Engagement für unsere Universität ausdrücklich bedanken". Die Gestaltungsmöglichkeiten seien während seiner Amtszeit durch Sparzwänge deutlich erschwert gewesen. Viele Universitätsangehörige hätten Tolans klares Bekenntnis zu exzellenter Wissenschaft und der forschungsbasierten Lehre geschätzt.

 

Und weiter: Der Senat habe die Absicht, eine*n Beaufragte*n als Interimspräsidentin oder Interimspräsidenten in enger Abstmmung mit den Vizepräsident*innen und Dekan*innen sowie dem Stiftungsausschuss und dem Wissenschaftsministerium "zeitnah" vorzuschlagen.

 

Die Frage ist: Wie wird der Stiftungsausschuss hier mitspielen? Strohschneiders Äußerung klang, Stichwort "vorerst", eher konfrontativ.

 

Wissenschaftsminister Falko Mohrs reagierte ebenfalls unmittelbar auf die Abwahl-Nachricht. "Die Situation an der Universität Göttingen stellt sich als sehr schwierig dar", sagte der SPD-Politiker. Auf die Risiken habe er mehrfach hingewiesen. "Es ist nun die gemeinsame Pflicht und Verantwortung, einen Weg nach vorne zu finden. Dabei kann es nicht ein Weg von Einzelnen oder bestimmten Gruppen oder Gremien geben. Persönliche Befindlichkeiten, Egoismen oder sonstige Ideen müssen hintenan gestellt werden."

 

Immerhin: Die Senatoren haben den Vizepräsidenten ihr Vertrauen ausgesprochen. Man hoffe, heißt es in der Erklärung der stimmberechtigten Senatsmehrheit, dass diese im Interesse der Universität im Amt verbleiben würden. Kurzfristig wolle man einen Prozess anstoßen, um die Zusammenarbeit zwischen Senatoren, Dekanen und Präsidium zu verbessern. "Nur durch ein gemeinschaftliches Agieren mit einer Wiederbelebung und Weiterentwicklung des Göttingen Spirits können die notwendigen Strukturreformen vorbereitet und die wichtigen Problemfelder angegangen werden."

 

Zugleich gelte es, die Geschehnisse in den vergangenen Monaten und Jahren an der Universität sorgfältig aufzuarbeiten. "Damit werde die Grundlage für die Einsetzung einer Findungskommission für die Wahl einer neuen Führung geschaffen. "Dies sollte eines der ersten Aufgaben des neugewählten Senats im kommenden Jahr sein, so dass dann in einem ergebnisoffenen und transparenten Auswahlprozess eine neue Präsidentin oder ein neuer Präsident für die Georg-August-Universität Göttingen gefunden wird."

 

Dieser Artikel erschien heute zuerst in meinem kostenfreien Newsletter und wurde nach Bekanntwerden der Abwahl ergänzt.



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Kommentare: 3
  • #1

    UniGöProf (Mittwoch, 20 November 2024 16:38)

    Diese Äußerung des Stiftungsratsvorsitzenden ist einfach nur skandalös. Er hätte sich nach der Entscheidung konstruktiv und zum Wohle der Universität positionieren oder, wenn er dazu nicht in der Lage ist, zurücktreten müssen. Dass die Pressemitteilung die Position des Senats nicht berücksichtigt sondern einseitig darüber urteilt, lässt jeglichen Respekt vor der Universität und ihren Gremien vermissen. Offenbar halten die beiden Herren sich selbst für wichtiger als ihre Ämter. Ich bin den elf Senator*innen für ihre mutige Entscheidung dankbar und wünsche der Universität einen Neuanfang aus eigener Kraft.

    https://www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=7624

  • #2

    Adieu (Mittwoch, 20 November 2024 17:55)

    Ich kann mich # 1 nur anschließen.
    Die Stellungnahmen von Strohschneider und Tolan lassen sehr tief blicken. Da tun sich zum Teil Trump'sche Züge auf.
    Letztlich hat Tolan mit seinem Statement in der Pressemitteilung auf der Homepage der Uni Göttingen einen weiteren Grund geliefert, warum seine Abwahl offenbar der einzig gangbare Weg war.
    Möge der Uni nun eine Leitungspersönlichkeit mit deutlich mehr Takt, Empathie und weniger kindischem Trotzverhalten vergönnt sein. In zur Erreichung dieses Ziele die aktuelle Leitung des Stiftungsausschusses hilfreich ist, muss schwer bezweifelt werden.

  • #3

    R. Mautz (Mittwoch, 20 November 2024 18:54)

    #1,#2: Bei allen Problemen mit dem abgewählten Präsidenten: Ihre Argumente sind m.E. nicht hilfreich und treffen nicht den Kern der Angelegenheit.