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Selbstverabreichte Vorschusslorbeeren

Nach der ersten Sitzung ihrer "Wissenschafts-MK" erreichte die Begeisterung der Wissenschaftsminister über ihre Gründungstat bemerkenswerte Höhen. Aber werden sie ihr Aufbruchversprechen auch einlösen?

DIE WISSENSCHAFTSMINISTER hatten gerade die erste Sitzung ihrer neuen Wissenschaftministerkonferenz beendet, und die Stimmung war bestens bei der anschließenden Pressekonferenz im Seminargebäude der Universität zu Köln. Jakob von Weizsäcker (SPD) aus dem Saarland schwärmte vom "Zauber des Anfangs", Falko Mohrs (SPD) aus Niedersachsen etwas nüchterner von einer "extrem guten Atmosphäre", und der ohnehin für den Gebrauch von Superlativen bekannte Markus Blume (CSU) setzte noch mehrere Zacken drauf und rief eine "neue Ära des Forschungsföderalimus" aus, es handle sich gar um einen "historischen Schritt für den Wissenschaftsstandort Deutschland". 

 

Der kollektive Grad der Begeisterung mit der eigenen Gründungsleistung und der Selbstverabreichung von Vorschusslorbeeren hatte innerhalb des kurzen Zusammenseins offenbar erstaunliche Höhen erreicht.

 

Über all dem schwebte ein Begriff, der gleich mehrfach in den Mund genommen wurde und auch seinen Weg in die zeitgleich veröffentlichte Gründungserklärung der "Wissenschafts-MK" gefunden hatte: Agilität. 

 

"Mit der Gründung der eigenständigen Wissenschaftsministerkonferenz schaffen wir bessere Rahmenbedingungen für unsere Zusammenarbeit in der länderübergreifenden Wissenschaftspolitik. Diese größere Agilität und Effektivität kommt der Wissenschaftslandschaft in Deutschland zugute", sagte von Weizsäcker, Finanz- und Wissenschaftsminister im Saarland und bis Jahresende Gründungsvorsitzender der Ministerkonferenz. 

 

Die Gründung beantworte die oft gestellte Frage, ob die Kultusministerkonferenz wirklich reformfähig sei, sagte Blume, der die CDU-/CSU-Wissenschaftsminister koordiniert. Und zwar mit einem "Versprechen": "deutlich weniger Bürokratie, mehr Agilität und mehr Qualität".

 

Ein kollektives Befreiungsgefühl

 

Womöglich schlägt bei solchen Schlagworten auch die seit nunmehr fast zwei Jahren andauernde Begleitung des KMK-Reformprozesses durch eine Unternehmensberatung durch, deren Powerpoint-Slides quer durch die Landesministerien gestreut wurden. Aber was genau soll das eigentlich heißen, "Agilität", außer dass es irgendwie gut klingt und mehr Tempo verspricht?

 

Da blieben die Aussagen in der Pressekonferenz etwas neblig, was nicht verwundert, da die Wissenschafts-MK als Teil der KMK zum Beispiel weiter an die Einstimmigkeit bei wichtigen Fragen gebunden bleibt, was Geschwindigkeit und Entschiedenheit der Beschlüsse kostet. 

 

Als "schlank und flexibel gestaltetes Gremium" sei die neue Konferenz "eine weitaus bessere und auf die Wissenschaftspolitik fokussierte Plattform, als das in der bisherigen Struktur der KMK möglich war", sagte Bettina Martin (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern, die zuvor zur Vorsitzenden für 2025 gewählt worden war, also für das erste volle Jahr.

 

Markus Blume ergänzte auf Nachfrage, der "Riesenunterschied" sei, dass es in der Gesamt-KMK stets ein "Potpourri" an Themen  gegeben habe, bei denen die Schulfragen "viel faktischen und emotionalen Raum" eingenommen hätten. Außerdem arbeite die KMK in ihren Teilkonferenzen künftig nicht mehr "gremien- und prozessfixiert", sondern "themen- und bedarfsfixiert". Man befreie sich vom Ballast zu vieler Gremien, setze als Minister selbst die Schwerpunkte und lasse sich nicht mehr von dem treiben, was die Arbeitsebene nach oben gebe.

 

Offenbar rührte die gute Stimmung der Minister also vor allem aus einem Befreiungsgefühl her: befreit von der thematischen Übermacht der Schulministerkollegen, ausgestattet mit einem neuen – die Psychologen würden sagen – Gefühl der Selbstwirksamkeit. Und mit der Hoffnung, sich mit dem neuen Gremium möglichst schnell vom traditionell schlechten Image der KMK absetzen zu können.

 

Schön für die Wissenschaftsminister, will man sagen, dass sie den Eindruck haben, von jetzt an ihrer Zeit gewinnbringender einzusetzen. Ob das Versprechen dieser Agilität für Hochschulen und Wissenschaft, also zusagen für die Endabnehmer, dann auch demnächst spürbar wird, dieser Beweis muss freilich erst erbracht werden.

 

Thematisch waren die Berichte der Minister über ihre erste Sitzung nach Austausch all der schönen Anfangsschwüre, zum Beispiel auch der partei- und ländergrenzenüberschreitenden Gemeinsamkeiten, nämlich recht schnell erschöpft (siehe Kasten).

 

Immerhin gab es noch eine interessante Information. Angesichts der vorgezogenen Neuwahl im Bund werde man die erste Wissenschafts-MK im neuen Jahr vorziehen, verriet Bettina Martin. Um sich rechtzeitig für die Koalitionsverhandlungen im Bund zu positionieren, werde man sich, "angehängt an den Wissenschaftsrat", bereits Ende Januar in Berlin treffen.


Eine Gründungserklärung, drei Themen für 2025 und die Hoffnung auf einen Neustart mit dem Bund

Die Wissenschafts-MK, heißt es in ihrer am Donnerstag verabschiedeten Gründungserklärung, sehe in der Neustrukturierung der Kultusministerkonferenz die Chance, die Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft in ganz Deutschland weiter zu erhöhen. "Mit der Konstituierung der eigenständigen Wissenschafts-MK leisten wir, die Wissenschaftsministerinnen und -minister, Wissenschaftssenatorinnen und -senatoren der Länder, unseren Beitrag dazu , dass die für die Zukunftsgestaltung länderübergreifend notwendigen hochschulpolitischen Weichenstellungen in schlanken Strukturen und agilen Prozessen getroffen werden können. Dies gilt auch mit Blick auf die lebendige europäische und internationale Vernetzung der Wissenschaft."

 

Ohne eine erfolgreiche akademische Forschung und Lehre könnten die großen Herausforderungen der Gegenwart weder zuverlässig rechtzeitig erkannt, noch erfolgreich bearbeitet werden. "Zu diesen Herausforderungen gehören u.a. der demographische Wandel in all seinen Facetten, eine erfolgreiche und verantwortungsvolle Digitalisierung, Defossilisierung und Klimaschutz sowie die großen geopolitischen Herausforderungen."

 

Eine wachsende Bedeutung für die Wissenschafts-MK werde auch das strategisch bedeutsame Feld der Technologiepolitik einnehmen. "Unser Leitbild ist eine aufgeklärte und offene Gesellschaft, in der wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt und demokratische Entscheidungsfindung respektvoll Hand in Hand gehen."

 

Zur Vorsitzenden für das kommende Jahr wählte die Wissenschafts-MK dem traditionellen KMK-Turnus folgend Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsministerin Bettina Martin (SPD).

 

2025 werde ein wichtiges Jahr für politische Weichenstellungen sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene, sagte Martin im Anschluss. "Dafür ist eine starke Positionierung der Länder wichtig." In einer Zeit der engen finanziellen Spielräume dürfe nicht ausgerechnet an der Wissenschaft gespart werden, sondern im Gegenteil spiele sie eine entscheidende Rolle für den gelingenden Transformationsprozess Deutschlands. Es geht für die Länder darum, die wissenschaftspolitische Diskussion in Deutschland zu gestalten "und ein Stück weit mit zu steuern".

 

Inhaltlich beschäftigten sich die Minister laut Saarlands Wissenschafts- und Finanzminister Jakob von Weizsäcker unter anderem mit der Überarbeitung der 2017 zuletzt beschlossenen Musterrechtsverordnung zum Studienakkreditierungsvertrag, außerdem mit den  Personalstrukturen an den Hochschulen, wo man wie berichtet zuerst das Votum des Wissenschaftsrats abwarten wolle, mit der Krankenhausreform, die am Freitag zur Abstimmung im Bundesrat anstand, und mit Fragen der Forschungssicherheit. Zentral sei auch die Debatte über Künstliche Intelligenz gewesen.

 

Eines der Themen, die laut Bettina Martin auch 2025 eine Hauptrolle spielen sollen. Als Schwerpunkt für 2025 habe sie "Starke Wissenschaft für Fortschritt und Wohlstand" vorgesehen, erklärte Martin – ausbuchstabiert in Form von drei Unterthemen, mit denen sich die Wissenschafts-MK im kommenden Jahr befassen solle: "Resilienz (Forschungssicherheit),Transfer, KI-Strategie". Eine starke Wissenschaft sei Grundlage für den Fortschritt der Gesellschaft, sowohl für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes als auch für die zukünftige Entwicklung unserer demokratischen Gesellschaft. "Und dazu gehört natürlich, dass sich die deutschen Hochschulen im internationalen Vergleich behaupten, sei es bei der

Infrastruktur für die notwendig hohe Rechenleistung oder sei es im Bereich der Verfügbarkeit von Forschungsdaten." Mit diesen Themen würden sich die Wissenschaftsministerinnen und -minister der Länder "intensiv auseinandersetzen und gemeinsam positionieren".

 

"Ohne Wissenschaft keine Innovation. Und ohne Innovation kein Wohlstand", sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs, den die SPD-Minister zu ihrem neuen Koordinator wählten. Mohrs rückte damit wie berichtet für Armin Willingmann nach. "Die Forschung gibt Antworten auf drängende gesellschaftliche Herausforderungen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Genau deshalb ist es wichtig, die Wissenschafts-MK zu gründen. Es geht darum, unsere Themen besser zu koordinieren und selbstbewusst zu vertreten."

 

Die noch offenen Strukturentscheidungen zur Zusammenarbeit mit den anderen KMK-Teilkonferenzen werde man Mitte Dezember erledigen, da sei er "optimistisch", sagte von Weizsäcker (SPD), der Gründungsvorsitzende der Wissenschafts-MK.

 

Bereits fest steht, dass zur Behandlung gemeinsamer politisch-strategischer Themen regelmäßige oder anlassbezogene gemeinsame Tagungen der drei Ministerkonferenzen stattfinden werden.

 

"Wir wollen Deutschland wieder auf Innovationskurs bringen, mit einem neuen politischen Impuls", sagte der Koordinator der Unions-Minister, Bayerns CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume. "Die Bundesregierung hat hier eine gefährliche Lücke entstehen lassen, die wir Länder nun füllen werden. Es braucht in der Wissenschaftspolitik mehr Ambition, mehr Strategie, mehr Missionsdenken. Und es braucht ein starkes Sprachrohr der Länder. Wir werden mit einer eigenständigen, wirkmächtigen und selbstbewussten Fachministerkonferenz diese Lücke füllen und sie zu einem echten Innovationstreiber machen."

 

Mit Blick auf den Rücktritt von BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Anschluss an das Ende der Ampel-Koalition sagte Blume, angesichts der sogenannten Fördermittelaffäre sei es wichtig, das Basisvertrauen in der Wissenschaft wiederherzustellen. Außerdem müsse das BMBF wieder arbeitsfähig werden. "Wir wünschen uns am meisten, dass wir wieder ein größeres Vertrauen beim Miteinander haben." Mit Stark-Watzinger habe es kaum einmal einen echten Austausch gegeben. 

 

Bei der Frage, welche wissenschaftspolitischen Projekte bis zur Bundestagswahl auf Bundesebene noch realistisch seien, sagte Falko Mohrs, das hänge vom Finden der nötigen Mehrheiten im Bundestag ab. "Es sind auch alle dazu eingeladen, zu Mehrheiten beizutragen."

 

Eine Stelle, an der die betonte  parteiübergreifende Eintracht der Minister dann doch Risse bekam. Blume hielt dagegen, man dürfe "von diesem Bundestag und dieser Restregierung nicht mehr Unmögliches erwarten."

 

Man solle sich auf die Projekte konzentriert, die keinen weiteren Aufschub duldeten, beispielsweise beim Forschungsdatengesetz, wobei Blume auch da von einem "Fragezeichen" sprach, ob die Kraft noch ausreichen werde. "Der Rest wird der Diskontinuität verfallen und im nächsten Bundestag neu zu verhandeln sein." Wobei Blume explizit die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes einschloss.

 




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