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"Das muss unsere Botschaft sein, laut und klar"

Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs über die neue Wissenschaftsministerkonferenz, die Perspektiven von Wissenschaftszeitvertragsgesetz und DATI nach dem Ampel-Aus, den Zustand der Hochschulfinanzierung – und warum er nach der Göttinger Präsidentenabwahl über eine Änderung des Hochschulgesetzes nachdenkt.

Falko Mohrs, Jahrgang 1984, absolvierte ein duales Studium bei Volkswagen und an der Ostfalia Hochschule. Bevor er 2017 per Direktmandat für die SPD in den Bundestag einzog, arbeitete er bei Volkswagen, zuletzt als Koordinator in der Touran- und Tiguan-Fertigung. Im November 2022 berief ihn Ministerpräsident Stephan Weil zum neuen niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. Seit November 2024 koordiniert er die Politik der SPD-Wissenschaftsminister. Foto: Moritz Küstner.

Herr Mohrs, die Wissenschaftsminister der Länder waren in Feierstimmung vorvergangene Woche, als Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen die neue "Wissenschafts-MK" konstituiert haben. Was rechtfertigte ein solches Ausmaß selbstverabreichter Vorschusslorbeeren?

 

Natürlich muss die Konferenz jetzt die mit ihr verbundenen Hoffnungen einlösen. Trotzdem glaube ich, dass schon der erste Schritt der Gründung ein bedeutender war. Die Schulthemen haben in der KMK sehr viel Raum beansprucht. Eigenständigkeit heißt, dass wir als Wissenschaftsminister jetzt eigenständig unsere Themen setzen können. Welche inhaltliche Dynamik das freisetzt, kenne ich aus der schon länger unabhängig agierenden Kulturministerkonferenz. Insofern war unsere Euphorie nicht gespielt.

 

Es freut mich für Sie und Ihre Kollegen, dass Sie jetzt weniger das Gefühl haben, Ihre Zeit zu verschwenden als vorher in der großen Runde der Kultusministerkonferenz. Aber welche inhaltlichen Hoffnungen wollen Sie einlösen?

 

Klar: Am Ende hat die Wissenschafts-MK keinen Selbstzweck, sondern ihr Erfolg misst sich am Nutzen für die Wissenschaft. Mein Eindruck ist, dass deren Bedeutung in der Breite der Gesellschaft noch unterbewertet ist, obwohl, und das mag jetzt binsenartig klingen, keine Herausforderung, vor der wir stehen, ohne Wissenschaft gelöst werden kann. Kein neuer Wohlstand ohne Innovation, keine Behebung des Fachkräftemangels ohne Hochschulen, kein Mehr an Sicherheit in einer Welt, in der sich Deutschland und Europa neu behaupten müssen, ohne die Forschung. Das muss unsere Botschaft als Wissenschaftsministerkonferenz sein, laut und klar, um im Kampf um die vorhandenen Ressourcen die Kraft für die Wissenschaft zu sichern, die sie braucht.

 

Die Lobbyarbeit für die Wissenschaft in allen Ehren, aber eines der Lieblingsschlagwörter der Wissenschaftsminister, wenn sie ihre neue Konferenz beschreiben, lautet "Agilität". 

 

"Agilität" heißt für mich, dass wir innerhalb der sehr komplexen Strukturen der Kultusministerkonferenz als Wissenschaft entscheidungsfähig werden. Bislang gab es Fachleute und Arbeitsgruppen, die zwischen den Ländern zusammengearbeitet haben. Gut so. Aber wir wollen sie künftig mit einem klaren strategischen Auftrag versehen, es muss eine Rückkopplung zur politischen Ebene geben, die innerhalb der über Jahrzehnte etablierten Gremien-Strukturen der KMK nicht in dem Maße möglich war. Das ist unsere Chance.

 

Parallel zur ersten Sitzung der "Wissenschafts-MK" haben Sie die Rolle des sogenannten "A-Koordinatoren" von Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann übernommen. Woran werden wir Falko Mohrs‘ wissenschaftspolitische Handschrift erkennen, wenn Sie künftig die SPD-Minister koordinieren?

 

In erster Linie ist das eine Aufgabe nach innen, wenn es darum geht, die Positionen der A-Länder zusammenzufassen, zu konsolidieren, abzustimmen, also Meinungsbildung so zu betreiben, dass anschließend in Abstimmung mit dem Koordinator der B-Seite, Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume, eine möglichst effiziente Sitzungsvorbereitung möglich ist. 

 

"Wir müssen mehr tun, damit
die sozialen Hürden beim Studieren
niedriger werden und nicht höher."

 

Manche fragen sich ja sogar, wofür es die beiden Koordinatoren noch gibt. Ihr Vorgänger Armin Willingmann hat einmal gesagt: "Bei den meisten Themen in der Wissenschaft unterscheiden sich die Interessen der Länder nicht nach A und B, nicht nach politischen Grundüberzeugungen oder Parteiprogrammen, sondern nach Stadt versus Land, finanzstark versus finanzschwach – und nach dem Zustand der Wissenschaftslandschaft." Hinzu kommt, dass die Parteienzugehörigkeit der Wissenschaftsminister heute bunter ist als SPD und Union – und möglicherweise in Ostdeutschland demnächst noch bunter wird.

 

Es ist aber eine Unterscheidung, die so eingeübt ist und funktioniert. Ohne die Koordination wären wir in vielen Prozessen in 16 Länder-Positionen aufgeteilt. Man darf sich das nicht so vorstellen, als würden wir Koordinatoren am Anfang einmal kurz die Meinung unserer Kollegen auf der A- und B-Seite einholen und dann alles zu zweit unter uns ausmachen. Es ist hilfreich, wenn die Koordinatoren vorab Knackpunkte in kleinerer Runde ausloten. Aber natürlich wird anschließend in der Sitzung aller Minister über alles, was im Einzelnen wichtig ist, noch einmal offen gesprochen. Alles Andere wäre fatal. Aber es bleibt wichtig, unsere Diversität als Länder vorab ein Stückweit zu organisieren. Nur dann bekommen wir die schlagkräftige gemeinsame Position hin, die wir dann brauchen, um unsere Themen klar nach außen zu kommunizieren.

 

Auf welche Themen wird es aus Ihrer Sicht nächstes Jahr besonders ankommen?

 

Was wir der nächsten Bundesregierung, egal, wie sie aussieht, mit auf den Weg geben müssen, ist zum Beispiel der Blick auf die Interessen der Studierenden. Wir sehen, dass die Lebenshaltungskosten auch mit BAföG kaum noch zu leisten sind. Es ist gut, dass der Bund über das Programm "Junges Wohnen" wieder in die Finanzierung von Wohnraum für Studierende eingestiegen ist, aber wir müssen mehr tun, damit die sozialen Hürden beim Studieren niedriger werden und nicht höher. Gleichzeitig sollten wir als Bund und Länder schauen, wo wir gerade bei den großen Forschungs- und Hochschulinfrastruktur enger zusammenarbeiten können. Das sind nationale Aufgaben, das müssen wir gemeinsam agieren. Und dann möchte ich erneut auf das Ziel hinweisen, die Bedeutung von Wissenschaft für die Gesellschaft öffentlich deutlicher zu machen – und damit den Stellenwert der Wissenschaft zu sichern.

 

Nach der ersten Sitzung der "Wissenschafts-MK" in Köln folgte beim Kaminabend das persönliche Kennenlernen mit dem neuen BMBF-Chef Cem Özdemir. Auch danach waren alle ganz beseelt. Aber kommt, bis eine neue Bundesregierung im Amt ist, inhaltlich noch etwas rum?

 

Meine Erwartungen sind da überschaubar, und das ist in keiner Weise böse gemeint. Derzeit versucht die Rest-Ampel, also Rot-Grün, zusammen mit Union und FDP auszuloten, welche Dinge unbedingt noch durchs Parlament gebracht werden. Ich persönlich sehe keine Chance, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dazu gehört. Bedauerlich fände ich, wenn das neue Tierschutzgesetz verfällt, denn darin wurde ein vernünftiger Weg gefunden, die Interessen der Wissenschaft zu verankern. Ein wenig mehr Hoffnung habe ich, dass das Forschungsdatengesetz durchkommt. Aber es geht ja nicht nur um Gesetzesvorhaben. Es geht um die Sicherung der BMBF-Projektförderung in Zeiten der vorläufigen Haushaltsführung, da hoffe ich auf ein Nachjustieren zwischen BMBF und Finanzministerium. Darüber hinaus sollten wir alle, der Kollege Özdemir und wir, bis zur Bundestagswahl daran arbeiten, durch vertrauensbildende Maßnahmen die Grundlage zu legen für ein neues Miteinander zwischen BMBF und Landesministerien, ein anderes Miteinander als in den vergangenen drei Jahren. Indem wir jetzt das verloren gegangene Vertrauen zwischen Bund und Ländern wieder stärken, wirken wir über den Wahltag hinaus.

 

Die DATI haben Sie eben nicht erwähnt. Manche fürchten, wenn die nicht mehr in dieser Legislaturperiode gegründet wird, ist sie tot.

 

So dramatisch würde ich das nicht formulieren. Dafür ist sie allen in Bund und Ländern zu wichtig. Es wäre eine vertane Chance, wenn wir die DATI nicht kurzfristig realisieren, nachdem ihr Gründungskonzept an dem dramatischen Mittwoch unmittelbar vor dem Koalitionsbruch durchs Bundeskabinett gegangen ist. Wir sollten es unbedingt versuchen. Aber es wäre nicht das Ende aller Bemühungen und muss dann von einer neuen Bundesregierung und dem Bundestag auf der jetzt erarbeiteten Basis aufgegriffen werden.

 

"Es ist die Chance, vor der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf das Votum des Wissenschaftsrats zu warten."

 

Bedeutet das Aus für die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetz ein Verlust – oder gar die Chance, es in der nächsten Legislaturperiode besser zu machen?

 

Es ist die Chance, auf das Votum des Wissenschaftsrats zu warten. Ich gebe zu, dass ich vor dessen Beauftragung kritisch war, weil ich fürchtete, der Wissenschaftsrat könnte in die hitzig geführten Debatten hineingezogen und auf ungute Weise politisiert werden. Jetzt aber bin ich froh, dass andere und nicht ich Recht behalten haben. Der Wissenschaftsrat ist auf außerordentlich sachliche und fachliche Weise dabei, das Themenfeld Karrierewege, Karriereperspektiven und gute Arbeit aufzuarbeiten, seine Vorschläge werden Bund und Ländern einen gangbaren Weg weisen.

 

Einen Weg auch zu dem nicht weniger hitzig diskutierten Bund-Länder-Programm für Dauerstellen in der Wissenschaft, das der Haushaltsausschuss des Bundestages gefordert und von Ex-BMBF-Chefin Stark-Watzinger nicht einmal als Konzept geliefert wurde? Angeblich, weil die Länder keines wollten?

 

Wir können nach der Stellungnahme des Wissenschaftsrates beide Diskussionen zusammenführen. Viele Länder haben schon neue Personalkategorien für eigenständige Karrierewege neben der Professur definiert. In Niedersachsen diskutieren wir das gerade mit den Hochschulen, den Gewerkschaften und weiteren Akteuren, denn nächstes Jahr steht bei uns die nächste Reform des Hochschulgesetzes an. Zur Wahrheit gehört aber, dass wir Länder im Moment auch finanziell echt schwierig dastehen, das macht ein mögliches Bund-Länder-Programm zu einer Herausforderung und gleichzeitig umso wichtiger. 

 

Niedersachsen steht auf den ersten Blick bei den Hochschulfinanzen gerade erstaunlich gut da: 8,9 Prozent mehr will das Land nächstes Jahr ausgeben, während anderswo teilweise kräftig gespart wird. Die Landeshochschulkonferenz kritisiert allerdings: Die Globalbudgets der Hochschulen seien seit knapp 20 Jahren nicht mehr real erhöht worden.

 

Die Hochschulen sind da zu Recht differenziert in ihrer Betrachtung. Natürlich ist es positiv, dass wir als Land trotz schwieriger Haushaltslage unsere Zusagen einlösen, die Personalkostensteigerungen übernehmen und den Hochschulen 35 Millionen Euro zusätzlich für die gestiegenen Energiekosten überweisen. Und ja, es ist historisch besonders und eine einmalige Gelegenheit, dass wir über das Programm "Zukunft Niedersachsen" gemeinsam mit der Volkswagen-Stiftung den Wissenschaftsstandort Niedersachsen strategisch weiterentwickeln können. Das wird von allen Beteiligten so gesehen.

 

Insgesamt 618,7 Millionen Euro an Fördergeldern dieses Jahr, ein Rekord. Und schlicht Glück, weil Ihnen die VW-Sonderdividende aus dem Porsche-Börsengang in den Schoß gefallen ist?

 

Es kommt darauf an, dieses Glück zu nutzen und die dadurch möglichen Investitionen inhaltlich klar zu strukturieren. Man kann auch viel Geld schlecht ausgeben. Wir tun das klar und fokussiert und investieren so gut in die Zukunft der Wissenschaft und Niedersachsens. Aber ich habe ja selbst gesagt, die Hochschulen äußern sich zu Recht differenziert. Vieles, was wir über "zukunft.niedersachen" machen, ist zeitlich befristet. Wir brauchen bei vielen Stellen aber eine dauerhafte Perspektive. Und da sind wir bei der Grundfinanzierung, die seit vielen Jahren eine Seitwärtsbewegung gemacht hat. 

 

Was viel mit den globalen Minderausgaben zu tun hatte, die in der Vergangenheit an die Hochschulen durchgereicht wurden.

 

Die zusätzlichen Gelder aus "zukunft.niedersachsen" sind insofern nicht das Ende der Geschichte. Wir müssen weiter arbeiten daran, dass auch die Grundfinanzierung der Hochschulen besser wird. Was mich freut, ist der sehr gute Ton in der Zusammenarbeit mit den Hochschulleitungen, sehr vertrauensvoll und wertschätzend. Da kann man dann auch offen darüber sprechen, was schon gut klappt und was nicht.

 

"Die Universität Göttingen ist größer
als jeder einzelne von uns, größer als alles, was wir an Einzelinteressen in den Herzen haben mögen."

 

Apropos wertschätzender Ton: Herrschte der auch in dem Gespräch, das Sie vergangenen Montag im Ministerium mit Vertretern der Universität Göttingen geführt haben, um nach der Abwahl von Präsident Metin Tolan aus der Krise zu kommen?

 

Ja. Es ging mir um zwei Botschaften. Erstens: Die Universität Göttingen ist größer als jeder einzelne von uns, größer als alles, was wir an Einzelinteressen in den Herzen haben mögen. Zweitens: Wir können die Universität gemeinsam nach vorn bringen, wenn wir alle diese Einzelinteressen zurückstellen. Wenn wir das, was war, ein Stückweit hinter uns lassen und den Blick nach vorn richten.

 

Wie passten die Statements und Interviews, die Tolan nach seiner Abwahl gegeben hat, zu solchen Appellen?

 

Das muss jeder für sich beantworten. In einem Konflikt, ob privater Natur oder öffentlich ausgetragen an einer Hochschule, haben immer alle Seiten ihren Anteil, es ist nie nur eine Seite ganz und die andere gar nicht verantwortlich. Die Gesprächsatmosphäre am Montag hat mich jedenfalls hoffnungsvoll gemacht. Wir haben uns verständigt, in einer kleinen, vertrauensvollen und vertraulichen Gruppe herauszufinden, welche Person als Interimspräsident oder -präsidentin in Frage kommt. Das steht jetzt im Vordergrund. Die Zeit und der Raum, über das zu sprechen, was vorgefallen ist, wird kommen. Aber nicht jetzt.

 

Das geht mir etwas schnell. Was ist zum Beispiel mit Ihnen? Haben Sie als Minister zu schnell mit der Einsetzung eines Staatskommissars gedroht, also das Szenario in den Raum gestellt, die Universität stehe vor der Handlungsunfähigkeit?

 

Ich habe die Frage einer Zeitung beantwortet, ob es grundsätzlich zu einem solchen Szenario kommen kann. Vor dem Hintergrund, dass wir im Moment an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover einen Staatskommissar haben, lautete meine Antwort, dass eine solche Variante Ultima Ratio ist und dass es dafür gesetzliche Wege gibt, die dabei zu beachten wären. Das ist nichts, was man aus Lust und Laune tut, das war auch nicht als Drohung gemeint. Im Moment ist die Universität Göttingen handlungsfähig. 

 

Auch der Stiftungsausschuss? Trotz der diversen Rücktritte, allen voran des Stiftungsratsvorsitzenden Peter Strohschneider?

 

Bei einigen der zurückgetretenen Mitglieder des Stiftungsrates war die Amtszeit ohnehin vorbei. Sie waren nur noch kommissarisch im Amt und haben die Ereignisse dann als Zeitpunkt für ihren Rücktritt gesehen. Wir haben am Montag verabredet, uns auf die Auswahl eines Interimspräsidenten oder einer Interimspräsidentin zu konzentrieren und uns über den Stiftungsausschuss später Gedanken zu machen. Über sogenannte Ersatzvornahmen bleiben wir auch da bei kurzfristig wichtigen Dingen handlungsfähig.

 

Was bedeutet das?

 

Das bedeutet, dass wir kurzfristig notwendige Entscheidungen des Stiftungsausschusses, als Ministerium vornehmen können. Aktuell klären wir die Entlassungsmodalitäten von Metin Tolan.

 

Der also offiziell immer noch im Amt ist?

 

Wir werden da zeitnah eine Lösung finden.

 

Das mit der Ersatzvornahme gilt dann auch bei der Wahl des Interimspräsidenten? Das Ministerium entscheidet anstelle des Stiftungsrates?

 

Das geltende Gesetz ist an der Stelle klar. Der Vorschlag kommt vom Senat, der Stiftungsausschuss muss zustimmen. Kein Gremium kann ohne das andere einen Interimspräsidenten oder eine Interimspräsidentin installieren. Das macht die Sache mit dem Blick auf den Stiftungsausschuss schwierig, davor sollte keiner die Augen verschließen. Aber wir reden nicht vorrangig von einer juristischen Frage, sondern wir müssen eine Lösung finden, die von allen Seiten akzeptiert wird.

 

Ist es wichtig, die betreffende Person vor Weihnachten zu präsentieren?

 

Wenn uns das gelingt, wäre das gut. Wichtiger ist aber, dass es eine Lösung ist, die trägt. Dafür nehmen wir uns die nötige Zeit.

 

"Es gehört nicht zur Jobbeschreibung
von Präsidien, Liebling der Hochschule zu sein."

 

Den Staatskommissar in Hannover haben Sie bereits erwähnt, dazu das ebenfalls laufende Abwahlverfahren an der Universität Vechta: Alles Einzelfälle – oder im Hochschulgesetz begründetes System?

 

Gemeinsam ist allen Hochschulen, dass sie vor großen Veränderungen stehen. Dass solche Veränderungen unbequem für die Beteiligten sind, liegt auf der Hand. Gleichzeitig gehört es nicht zur Jobbeschreibung von Präsidien, Lieblinge der Hochschule zu sein. Sie brauchen die Kompetenzen, auch unliebsame Entscheidungen bis zum Ende durchziehen zu können. Umgekehrt, und das ist kein Widerspruch dazu, gilt die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass zur Freiheit von Wissenschaft auch ihr Recht gehört, sich selbst zu organisieren. Woraus folgt: Je mehr Macht ein Präsident und sein Präsidium erhalten, desto geringer müssen die Hürden für die Wissenschaft sein, ihn als Ultima Ratio abzuwählen. Das Verhältnis zwischen beidem gilt es, richtig auszutarieren. Alle 16 Hochschulgesetze der Länder gehen da unterschiedliche Wege. In Niedersachsen ist das Abwahlrecht auf den relativ kleinen Kreis des Senats konzentriert, damit aber mit einem sehr hohen Quorum von drei Vierteln versehen. 

 

Nochmal nachgefragt: System oder Einzelfälle? 

 

Von beidem etwas. Erstens: Nein, die drei Fälle Hannover, Vechta und Göttingen sind nicht wirklich miteinander vergleichbar. In Hannover endete die Amtszeit der Präsidentin, und die Hochschule hat sich über die Frage ihrer Nachfolge zerstritten. Die Einsetzung von Hans Jürgen Prömel als Staatskommissar hat für eine echte Beruhigung an der Hochschule gesorgt. Das Besetzungsverfahren für die Nachfolge als Präsident musste ich nach einigen Abwägungen schlussendlich abbrechen, weil es nicht mehr zu einem rechtssicheren Ergebnis geführt werden konnte. In Vechta wiederum hat die Präsidentin in lobenswerter Weise versucht, den schwierigen Rahmenbedingungen zum Trotz das Profil der Hochschule zu schärfen. Alle Hochschulstandorte tun sich schwer im Wettstreit mit den Metropolen Berlin, Hamburg oder München, die die allermeisten Studieninteressierten erstmal im Sinn haben. Das gilt umso mehr für eine kleine Universität in einem sehr ländlichen Umfeld, die noch dazu sehr aufs Lehramt ausgerichtet ist. Da geht es nicht ohne Strategie, klare Strukturen und Transparenz auch nach innen. Die muss aber auch gewollt werden an einer Universität.

 

Das war der Teil zu der Besonderheit der drei Fälle. Und nun zur System-Frage?

 

Das ist mein Zweitens: Wir schauen uns gerade sehr genau an, wie die anderen 15 Länder das Verhältnis zwischen Macht des Präsidiums und den Abwahlmöglichkeiten definieren. Um herauszufinden, ob eine dieser Lösungen auch für Niedersachsen womöglich besser geeignet wäre als die bestehende.

 

Sie wollen also an die Kompetenzverteilung zwischen den Gremien?

 

Es ist sinnvoll, da wir 2025 ohnehin ein neues Hochschulgesetz in den Landtag bringen, diese Frage jetzt zu klären. Und für mich lautet die Antwort: Ja, ich kann es mir vorstellen.



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Kommentare: 2
  • #1

    Frauke J. (Mittwoch, 04 Dezember 2024 11:20)

    Um es vorwegzuschicken: Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs macht einen guten Job! Dass er im Fall des Göttinger Präsidenten zu früh mit seiner Auffassung an die Presse gegangen ist, war ein Fehler, aber wer macht die nicht? Jedenfalls hat er die Professorinnen und Professoren (inkl. Hochschulleitungen) in Niedersachsen Lügen gestraft, die nach Bekanntgabe von Falko Mohrs als Wissenschaftsminister diesen rasch für ungeeignet erklärt hatten. Begründung: er hat keinen Universitätsabschluss.

    Im Fall des Göttinger Präsidenten liegt der Fall genau gegensätzlich: als W3-Professor „muss“ er für seine Aufgabe als Präsident geeignet gewesen sein. Da dies für eine Gruppe von Professorinnen und Professoren an der Universität als gesetzt schien, konnten die Probleme nur von anderer Seite kommen. Schnell war der Senat als Troubleshooter ausgemacht.

    Hinzu kommt das (durchsichtige) Ausspielen von Narrativen wie „Universitäten sind wenig reformfähig und für Sparbemühungen schon gar nicht offen, noch weniger deren Verwaltungen“. Wenn ein Präsident sich hier „dran wagt“, ist das Scheitern quasi vorprogrammiert, zudem bei einer historischen und traditionsreichen Universität wie die Georgia-Augusta. Erstaunlich ist, wie solche einfachen Narrative bei einigen im Wissenschaftsbetrieb verfangen. Dabei ist es gerade die Wissenschaft (über alle Disziplinen hinweg), die es sich (zurecht) zugutehält, erste Thesen zu hinterfragen und aus verschiedenen Perspektiven sorgfältig zu überprüfen. Umso mehr ist dem Senat insgesamt, aber insbesondere auch seinen professoralen Mitgliedern, für diese kritische Prüfung zu danken. Zumal der jetzige Senat im April 2023 den größten Teil der professoralen Mitglieder ausgetauscht hatte und damit in die Krisen zwischen Präsident und erstem Senat seiner Amtszeit (2021 - 2023) nicht involviert waren.

    Zur Erinnerung: Substanzielle Einsparungen sind auch an einer Georgia-Augusta umsetzbar. Dies hat vor 20 Jahren das sog. „Hochschuloptimierungskonzept“ in Niedersachsen gezeigt (https://www.mwk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/-17917.html), das vom seinerzeitigen Göttinger Präsidenten Horst Kern und seinem Nachfolger Kurt von Figura zwar gegen Widerstände, aber ohne „Aufstand“ bewältigt wurde. Das geht also auch in Göttingen - wenn man die geeigneten Persönlichkeiten findet und die universitären Gremien ernst- und mitnimmt (beide übrigens waren „interne“ Kandidaten).

    Mein Fazit:
    Die Schlussfolgerung aus der causa Metin Tolan ist nicht zwingend eine Reformierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes. Zumal die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Rolle des Senats weiterhin zu beachten sind. Man sollte sich neben den Gesetzesgrundlagen vielmehr auch die Auswahlverfahren für Präsidentinnen und Präsidenten kritisch anschauen und Kriterien wie Managementkompetenzen und Führungsverhalten sorgfältig prüfen. Zusätzlich sollte man, als Aufsichtsgremium (Stiftungsrat) nicht einfachen Narrativen folgen, sondern in tiefergehende Analysen gehen.

    Dass die Entlassung des Präsidenten Metin Tolan formal noch nicht vollzogen wurde, ruft übrigens weithin Kopfschütteln hervor (die zweite und endgültige Abwahl hat bereits am 20.11. (!) stattgefunden). Und die Koppelung durch das MWK dieser Entlassung an die Einigung auf eine Interimspräsidentin oder einen Interimspräsidenten ist schon gar nicht nachvollziehbar. Das Präsidium ist nach Aussagen des Ministers derzeit handlungsfähig, für den Stiftungsrat kann das MWK tätig werden. Unklar ist lediglich die Rolle des Staatssekretärs Joachim Schachtner (und Mitglied im Stiftungsrat der Universität), dem man eine enge kollegiale Beziehung zu Metin Tolan nachsagt, noch aus Schachtner’s Zeit als Präsident der TU Clausthal. Hier wäre Minister Mohrs anzuraten, seine Entscheidung eigenständig zu treffen. Und dies nicht nur als finanziellen Gründen (was sagt der Landesrechnungshof zu der fortwährenden Besoldung von Metin Tolan?) sondern auch um dieses Kapitel noch vor Weihnachten endgültig abzuschließen und einen Neuanfang zu ermöglichen.

  • #2

    Felix Groß (Mittwoch, 04 Dezember 2024 12:58)

    Interessantes Interview, keine Frage. Betr. der Kompetenzverteilung bei den Ämtern bzw. Änderung des Hochschulgesetzes sollte man an NRW denken. Das hätte
    ggf. die Querelen in Fall von Metin Tolan ersparen können.