Die Union kassiert in ihrem Programm für die Bundestagswahl ein wichtiges Vorhaben für mehr Generationengerechtigkeit. Und im Entwurf des SPD-Wahlprogramms sucht man den einst versprochenen 100-Milliarden-"Deutschlandpakt Bildung" vergebens.
Bild: Motaz Tawfik / Pixabay.
DIE FORMULIERUNG kam verdächtig schwammig daher. "Wenn wir unsere Rente stabil und finanzierbar halten wollen, spricht viel dafür, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die arbeiten können, steigen muss, und folglich die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung gekoppelt wird." So las er sich, der vermeintlich so mutige Vorstoß einer Volkspartei für mehr Realismus in der Alterssicherung, niedergeschrieben im vor einem Jahr beschlossenen CDU-Grundsatzprogramm.
Jedes Jahr mehrere Milliarden Extrakosten, deren Höhe die Ampel nicht einmal genau beziffern konnte, eine einseitige Besserstellung älterer männlicher Facharbeiter, dazu keinerlei Verringerung der Altersarmut, vom künstlich verstärkten Fachkräftemangel ganz zu schweigen: Angesichts der durch Wissenschaftler vielfach beschworenen dramatisch hohen finanziellen und gesellschaftlichen Kosten der 2014 eingeführten vorgezogenen Rente für besonders langjährige Versicherte ("Rente mit 63") wäre es vor allem auch ein Vorstoß gewesen für mehr Generationengerechtigkeit. Die explodierenden Zuschüsse zur Rentenkasse – und nicht die Schuldenbremse – sind es, die dem Staat die Luft für die Investitionen für morgen nehmen.
Das riesige Hintertürchen jedoch, das sich die CDU mit ihrem Grundsatzprogramm-Wording offengelassen hatte, hat sie jetzt gleich bei der ersten praktischen Bewährungsprobe durchschritten. "An der bestehenden gesetzlichen Regelung zum Renteneintrittsalter halten wir fest", steht im gemeinsamen Wahlprogramm, dass CDU und CSU am Dienstag vorgestellt haben. "Die Regelung für besonders langjährige Versicherte mit 45 Versicherungsjahren behalten wir mit Blick auf die Planungssicherheit für Unternehmen und rentennahe Jahrgänge bei." Erstaunlich, dies nur am Rande, ist erneut die Schwammigkeit: Was heißt Planbarkeit? Was sind rentennahe Jahrgänge?
Nur keine Rentenkälte-Vorwürfe riskieren
Klar ist nur das wahltaktische Kalkül hinter dem Rentenumkipper: 280.000 neue 63er-Rentner allein im Jahr 2023; 29,1 Millionen Wähler in den mittleren und rentennahen Jahrgängen zwischen 40 und 64 – im Vergleich zu nur 16,8 Millionen Menschen zwischen 0 und 20, von denen nicht einmal 2,5 Millionen wahlberechtigt sind. Bei solchen Zahlenverhältnissen will man auf keinen Fall riskieren, dass einem die Wettbewerber von links und rechts Rentenkälte vorwerfen.
Die Versicherung im selben Wahlprogramm, man wolle zugunsten von "unseren Kindern und Enkeln" an der grundgesetzlichen Schuldenbremse festhalten, wirkt vor dem Hintergrund fast schon wie eine Drohung.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Eine Aufweichung der Schuldenbremse, so leicht sie sich auch fordert, ist falsch. Genauso falsch ist es aber, ihre Einhaltung zu versprechen, sich gleichzeitig aber von vornherein den dafür nötigen Handlungsspielraum zu nehmen. Und das Ganze auch noch mit allerlei Steuersenkungsversprechen zu garnieren. Denn dann bleiben nur massive Kürzungen an anderer Stelle. Wo? Vermutlich genau da, wo es am meisten brennt: bei den Investitionen für Infrastruktur, für Digitalisierung, für Forschung und Entwicklung. Und für Bildung.
Der erste Lackmustest, sollte die Union die nächste Regierung anführen, wird bald nach der Wahl anstehen. Nein, nicht, weil sie im Wahlprogramm auch eine Erhöhung der F&E-Ausgaben auf 3,5 Prozent verspricht, denn das einst unter der letzten CDU-Bundeskanzlerin ausgegebene Zieljahr 2025 wurde im Wahlprogramm praktischerweise aufs Jahr 2030 verschoben.
Sondern weil, und das ist zur Abwechslung bildungspolitisch eine hinreichend konkrete und sehr gute Nachricht, es auch der Digitalpakt 2.0 ins Wahlprogramm geschafft hat. Nachdem bis auf Sachsen-Anhalt auch alle unionsregierten Länder vergangene Woche der mit BMBF-Chef Cem Özdemir ausgehandelten Bund-Länder-Absichtserklärung zugestimmt haben, gibt es für die Union jetzt beim Digitalpakt und seiner äußerst zügigen Umsetzung kein Zurück mehr. Eigentlich. Aber eigentlich wollte die Union auch an die Rente mit 63.
Was wird aus dem SPD-"Deutschlandpakt Bildung"?
Ein paar Worte noch zu SPD und Grünen. Bei der SPD steht der Digitalpakt 2.0 ebenfalls im Wahlprogramm, bei den Grünen die "Daueraufgabe" Digitalisierung auch für den Bund. Und beide Parteien, das nur am Rande, bekräftigen die Vollendung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI), von der bei der Union keine Rede (mehr) ist.
Vergangene Woche hatte SPD-Chefin Saskia Esken erstmals hier im Blog die bildungspolitischen Pläne der Sozialdemokraten für die nächsten vier Jahre vorgestellt, inklusive gezielten Zukunftsinvestitionen in der Bildung. Die will man über eine Ausweitung der Vermögens- und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuern erzielen. Was immerhin ein Ausgleich zur Aufweichung der Schuldenbremse wäre.
Im Interview nimmt Esken Bezug auf den "Deutschlandpakt Bildung", den sie erstmals vor fast zwei Jahren gefordert hatte, gefüllt mit 100 Milliarden Euro für Bildungsinvestitionen. Ende 2023 folgte der entsprechende Parteitagsbeschluss. Nur zeigte SPD-Kanzler Scholz seitdem keinerlei Anstalten, den Plan in Angriff zu nehmen. Die FDP sei daran schuld gewesen, sagt Esken. Oder ist es vielleicht so, dass am Ende auch bei der SPD die Demografie der Wähler den Ausschlag gibt?
Fest steht jedenfalls: Weder hat es der Begriff "Deutschlandpakt Bildung" in den Entwurf des SPD-Wahlprogramms geschafft noch werden die darin versprochenen Bildungsinvestitionen mit einem Preisschild versehen, erst recht nicht mit den plakativen 100 Milliarden. Die braucht die SPD nämlich inzwischen für ein anderes Versprechen: Ein "Deutschlandfonds", anfangs 100 Milliarden schwer, soll öffentliches und privates Kapital mobilisieren, um "wichtige Innovationsbedarfe" (Bildung wird hier nicht genannt) erfüllen zu können. Die Grünen werfen derweil das zusätzliche Schlagwort "Zukunftsinvestitionsprogramm Bildung" in den Ring. Mal schauen, was das wiederum am Ende wert ist.
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Wolfgang Kühnel (Freitag, 20 Dezember 2024 13:40)
"Die will man über eine Ausweitung der Vermögens- und die Wiedereinführung der Erbschaftssteuern erzielen."
Ich dachte, wir hätten schon ausreichende Erbschaft-steuern, für die Erben mehr als genug. Sie trifft ja doch nicht die großen, sondern eher die kleinen und mittleren Erbschaften. Die großen sind steuerbefreit, z.B. über Stiftungen. Übrigens: In Australien gibt es keine Erbschaftsteuer.