Die Kultusministerkonferenz hat sich in drei Teilkonferenzen reorganisiert, ihre bisherigen Abstimmungsgepflogenheiten jedoch beibehalten. Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland gibt es jetzt frische Gesichter – und eine Machtverschiebung in der Bildungs-MK.
Bild: Screenshot von der aktuelle KMK-Website.
DIESEN TITEL KANN ihr keiner mehr nehmen. Die Sozialdemokratin Christine Streichert-Clivot, deren Amtszeit am 31. Dezember 2024 auslief, bleibt die letzte KMK-Präsidentin aller Zeiten. Zwar gibt es die Kultusministerkonferenz auch 2025, im Jahr 78 ihres Bestehens, noch. Doch im Zuge der KMK-Strukturreform haben die Länder ihren noch vor der Bundesrepublik gegründeten Ministerclub vergangenen Sommer in drei Teilkonferenzen unterteilt, zuständig für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Unter der Klammer KMK führen diese jetzt jeweils ein Eigenleben. Mit jeweils eigener Präsidentschaft. Für das KMK-Dach bleibt ein gemeinsamer Vorstand.
In zentraler Hinsicht aber hat sich die KMK nicht geändert: Alle wichtigen Beschlüsse müssen in den Teilkonferenzen wie bislang einstimmig fallen; Bestrebungen, auch dies zu reformieren, scheiterten. Und: Die Entscheidungen werden weiter (wie auch im Bundesrat und anderen Landeministerkonferenzen üblich) zwischen den zwei festgelegten politischen Lagern vorverhandelt, im bundesdeutschen Politik-Slang traditionell als "A" und "B" bezeichnet. "A", das sind die Länder, an deren Regierung die SPD (mehrheitlich) beteiligt ist. "B" umfasst die Länder mit der CDU oder CSU als (größeren) Koalitionspartner.
Besonders einflussreich neben der jährlich wechselnden Präsidentschaft sind daher die auf längere Zeit bestimmten sogenannten Koordinatoren: jeweils ein/e SPD- und eine CDU/CSU-Minister/in, die auf ihrer Seite die Entscheidungsfindung vorantreiben und untereinander einen engen Draht haben. In der Bildungsministerkonferenz, kurz "Bildungs-MK", etwa ist das derzeit für die "A"-Seite Stefanie Hubig (SPD) aus Rheinland-Pfalz, "B"-Koordinatorin ist Karin Prien (CDU) aus Schleswig-Holstein.
Die Aufteilung in Seiten und deren Koordination verringere die Komplexität der Abstimmung, lautet das gängige Argument für die "A-"/"B"-Einteilung in den Länderkonferenzen. Je bunter die Wahlergebnisse und je wechselhafter die Koalitionen in den vergangenen Jahrzehnten geworden sind, desto stärker durchmischten sich allerdings auch die Gruppierungen.
Beispiel KMK: Mal gehörten grüne oder – soweit vorhanden – FDP-Minister zur "A", mal zur "B"-Seite, hinzu kommen linke Ressortchefs oder, etwa in Bayern, Minister der Freien Wähler. Die neue Präsidentin der Bildungs-MK, Simone Oldenburg aus Mecklenburg-Vorpommern, ist zum Beispiel Linken-Politikerin und zählt wie die saarländische SPD-Bildungsministerin Streichert-Clivot zur "A"-Seite. Während die grüne Kultusministerin aus Baden-Württemberg, Theresa Schopper, aufgrund ihres CDU-Koalitionspartners Mitglied der "B"-Seite ist.
Unterdessen betonte man in der bisherigen KMK schon lange vor ihrer Sortierung in die Teilkonferenzen für Bildung, Wissenschaft und Kultur stolz, sich nicht an Parteiprogrammen oder Ideologien, sondern am inhaltlich Sinnvollen zu orientieren – weshalb es unabhängig von der "A"- oder "B"-Einteilung kaum einmal politische Verwerfungen wie in anderen Landesministerkonferenzen gebe. Damit dies so bleibt, hatten die Minister im vergangenen Jahr die KMK sogar mit neuen Schutzvorrichtungen versehen, falls Minister von AfD oder BSW Mitglieder werden sollten. Was jedoch nach den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg vorerst ausblieb.
Anspruch auf den KMK-Plenarsaal
Dafür hatte die Regierungsbildung in Thüringen eine andere Konsequenz für die KMK. Nachfolger des langjährigen linken Kultusministers Helmut Holter wurde nämlich der CDU-Mann Christian Tischner, wodurch das "A"-Lager um ein Mitglied schrumpfte und das "B"-Lager um einen Ressortchef wuchs. Mit dem Ergebnis, dass die "B"-Seite erstmals seit vielen Jahren die Mehrheit unter den Bildungsministern übernommen hat: siebenmal CDU, einmal Freie Wähler, einmal Grüne.
Die sichtbare Folge eines jahrelangen Umdenkens in der Union. Nachdem es zwischenzeitlich nur ein paar Unions-Kultusminister gab, rückte die CDU das Thema Bildung wieder stärker in den Vordergrund. Und bemühte sich, wie zuvor schon in Berlin (Katharina Günther-Wünsch, seit 2024) und NRW (Dorothee Feller, seit 2022) sich auch in Thüringen das Ressort neu zu sichern. Womit die Zahl der Unions-Kultusminister allmählich wuchs. Ein Vorzeichen für den Anspruch in einer möglichen Koalition auch im Bund?
Anekdotisch interessant wird der Mehrheitswechsel in der Bildungs-MK bereits durch einen anderen Anspruch, den die "B"-Seite erhoben hat. Sie wollte und bekam für ihre künftigen Vorbesprechungen den großen KMK-Plenarsaal. Die "A"-Seite muss in den kleineren Raum umziehen.
In der Wissenschaftsministerkonferenz ("Wissenschafts-MK") hat die Thüringer Personalie ebenfalls Auswirkungen. Die neue Erfurter CDU-/SPD-/BSW-Koalition hat die zuvor getrennten Bereiche für Bildung und Wissenschaft zusammengelegt, weswegen der CDU-Mann Tischner zugleich Nachfolger des bisherigen SPD-Wissenschaftsministers Wolfgang Tiefensee ist. Trotzdem bleibt die "A"-Seite deutlich in der Wissenschafts-Mehrheit: acht SPD plus zweimal grün, während "B" viermal CDU, einmal CSU und einmal Grüne (Petra Olschowski aus Baden-Württemberg) zählt. "B"-Koordinator ist Bayerns CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume, auf "A"-Seite hat Niedersachsens SPD-Wissenschaftsminister Falko Mohrs erst kürzlich diese Rolle von Armin Willingmann aus Sachsen-Anhalt übernommen. Erste Präsidentin der Wissenschafts-MK ist dieses Jahr Bettina Martin (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern (ihr Vorgänger Jakob von Weizsäcker fungierte vergangenes Jahr noch als Vorsitzender der gerade gegründeten Teilkonferenz).
Am wenigsten wichtig ist die Frage der Lagerzugehörigkeit unterdessen in der Kulturministerkonferenz, die schon seit 2019 besteht und seitdem ein Eigenleben führt. Sieben Ressortchefs gehören der CDU/CSU an, sieben der SPD, die zwei grünen Ministerinnen teilen sich auf "A" und B" auf. Koordinatoren sind Carsten Brosda (SPD) aus Hamburg und Ina Brandes (CDU) aus Nordrhein-Westfalen.
Nur noch zwei traditionelle Kultusministerien
Der bereits erwähnte neue Thüringer Ressortzuschnitt ist übrigens in noch einer Hinsicht interessant, entsprechen Tischners Zuständigkeiten für Bildung, Wissenschaft und Kultur doch genau denen eines traditionellen Kultusministeriums. Von denen es bundesweit nur noch ein zweites gibt: das von Karin Prien in Schleswig-Holstein. Das zunehmende Auseinandergehen der drei Bereiche in unterschiedliche Ministerien über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte hinweg führte zu exakt jenen Friktionen, die am Ende in die Aufteilung der KMK in drei Teilkonferenzen mündeten.
Was die Übersicht über die Ministerriege (siehe Kasten unten) zeigt: Aktuell ist außer den zwei "echten" Kultusministern kein einziger Ressortchef mehr gleichzeitig für Bildung und Wissenschaft zuständig. Dafür aber sieben Wissenschaftsminister auch für Kultur – und zehn Bildungsminister für Kinder und Jugend (und damit die Kitas).
Die Stadtstaaten Berlin und Hamburg leisten sich Senatoren mehr oder minder exklusiv für Kultur, in Bremen ist der Bürgermeister Kultursenator, in Sachsen-Anhalt der Chef der Staatskanzlei. Ungewöhnlich ist, dass die saarländische Bildungsministerin Streichert-Clivot auch für die Kultur zuständig ist, in Rheinland-Pfalz die Familien-, Frauen- und Integrationsministerin Katherina Binz. In Sachsen ist Barbara Klepsch Staatsministerin für Kultur und Tourismus – und fungiert dieses Jahr als Präsidentin der Kulturministerkonferenz.
Bei den Wissenschaftsministern gibt es ebenfalls ein buntes, nicht immer inhaltlich erklärbares Spektrum weiterer Zuständigkeiten, darunter zweimal für Gesundheit (Rheinland-Pfalz, Berlin), zweimal für Klima und Umwelt (Bremen und Sachsen-Anhalt), einmal für Finanzen (Jakob von Weizsäcker aus dem Saarland).
Hinweis: Ich habe die Angaben zur Ressortverteilung in Sachsen korrigiert. Ich bitte um Entschuldigung!
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Länder, Ressortzuschnitte, Parteizugehörigkeiten
Wer wo für was zuständig ist: ein aktueller Überblick
Bildungsministerkonferenz
Baden-Württemberg:
Theresa Schopper (Grüne)
Ministerin für Kultus, Jugend und Sport
Bayern:
Anna Stolz (Freie Wähler)
Staatsministerin für Unterricht und Kultus
Berlin:
Katharina Günther-Wünsch (CDU)
Senatorin für Bildung, Jugend und Familie
Brandenburg:
Steffen Freiberg (SPD)
Minister für Bildung, Jugend und Sport
Bremen:
Sascha Karolin Aulepp (SPD)
Senatorin für Kinder und Bildung
Hamburg:
Ksenija Bekeris (SPD)
Senatorin für Schule und Berufsbildung
Hessen:
Armin Schwarz (CDU)
Minister für Kultus, Bildung und Chancen
Mecklenburg-Vorpommern:
Simone Oldenburg (Linke)
Ministerin für Bildung und Kindertagesförderung
Niedersachsen:
Julia Willie Hamburg (Grüne)
Ministerin für Kultus
Nordrhein-Westfalen
Dorothee Feller (CDU)
Ministerin für Schule und Bildung
Rheinland-Pfalz
Stefanie Hubig (SPD)
Ministerin für Bildung
Saarland:
Christine Streichert-Clivot (SPD)
Ministerin für Bildung und Kultur
Sachsen:
Conrad Clemens (CDU)
Staatsminister für Kultus
Sachsen-Anhalt:
Eva Feußner (CDU)
Ministerin für Bildung
Schleswig-Holstein:
Karin Prien (CDU)
Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur
Thüringen:
Christian Tischner (CDU)
Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Wissenschaftsministerkonferenz
Baden-Württemberg:
Petra Olschowski (Grüne)
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Bayern:
Markus Blume (CSU)
Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
Berlin:
Ina Czyborra (SPD)
Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege
Brandenburg:
Manja Schüle (SPD)
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur
Bremen:
Kathrin Moosdorf (Grüne)
Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft
Hamburg:
Katharina Fegebank (Grüne)
Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke
Hessen:
Timon Gremmels (SPD)
Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur
Mecklenburg-Vorpommern:
Bettina Martin (SPD)
Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten
Niedersachsen:
Falko Mohrs (SPD)
Minister für Wissenschaft und Kultur
Nordrhein-Westfalen:
Ina Brandes (CDU)
Ministerin für Kultur und Wissenschaft
Rheinland-Pfalz:
Clemens Hoch (SPD)
Minister für Wissenschaft und Gesundheit
Saarland:
Jakob von Weizsäcker (SPD)
Minister für Finanzen und Wissenschaft
Sachsen:
Sebastian Gemkow (CDU)
Staatsminister für Wissenschaft
Sachsen-Anhalt:
Armin Willingmann (SPD)
Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt
Schleswig-Holstein:
Karin Prien (CDU)
Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur
Thüringen:
Christian Tischner (CDU)
Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Kulturministerkonferenz
Baden-Württemberg:
Petra Olschowski (Grüne)
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Bayern:
Markus Blume (CSU)
Staatsminister für Wissenschaft und Kunst
Berlin:
Joe Chiallo (CDU)
Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Brandenburg:
Manja Schüle (SPD)
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur
Bremen:
Andreas Bovenschulte (SPD)
Senator für Kultur
Hamburg:
Carsten Brosda (SPD)
Senator für Kultur und Medien
Hessen:
Timon Gremmels (SPD)
Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur
Mecklenburg-Vorpommern:
Bettina Martin (SPD)
Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten
Niedersachsen:
Falko Mohrs (SPD)
Minister für Wissenschaft und Kultur
Nordrhein-Westfalen:
Ina Brandes (CDU)
Ministerin für Kultur und Wissenschaft
Rheinland-Pfalz:
Katharina Binz (Grüne)
Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration
Saarland:
Christine Streichert-Clivot (SPD)
Ministerin für Bildung und Kultur
Sachsen:
Barbara Klepsch (CDU)
Staatsministerin für Kultur und Tourismus
Sachsen-Anhalt:
Rainer Robra (CDU)
Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur
Schleswig-Holstein:
Karin Prien (CDU)
Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur
Thüringen:
Christian Tischner (CDU)
Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur
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