Kindertagesstätten sollen das Fundament für den schulischen und letztlich auch beruflichen Erfolg von Kindern legen. Einheitliche Bildungsstandards für Kitas existieren jedoch keine. Das muss sich dringend ändern. Ein Gastbeitrag von Tobias Ernst.
Tobias Ernst ist Vorstand der Stiftung Kinder forschen. Im Januar 2025 veröffentlichte die Stiftung ein Forderungspapier zur Bundestagswahl. Foto: Steffen Kugler / Stiftung Kinder forschen.
DIE FRÜHKINDLICHE BILDUNG in Deutschland steht vor immensen Herausforderungen: Überlastete Teams, Personalmangel, hohe Krankenstände und unzureichende finanzielle Ressourcen prägen den Alltag vieler Kitas. Diese Probleme beeinträchtigen die Bildungsqualität und erschweren eine kontinuierliche Förderung der Kinder.
Allgemein anerkannt ist, dass Kindertagesstätten das Fundament für den schulischen und letztlich auch beruflichen Erfolg von Mädchen und Jungen legen sollen. Hier erwerben sie grundlegende Kompetenzen: von sozialen und emotionalen Fähigkeiten der Selbstregulation (siehe Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, September 2024, "Selbstregulationskompetenzen von Kindern und Jugendlichen spielen eine zentrale Rolle für deren Wohlergehen und Entfaltungsmöglichkeiten") über Sprache bis hin zu Bereichen wie Mathematik, Natur und Technik.
Das Ziel der Bildungspolitik muss es sein, die pädagogischen Fachkräfte und Kita-Leitungen nicht nur dabei zu unterstützen, ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden. Vielmehr muss die Politik die Einrichtungen auch endlich als die Bildungsinstitution vor der Schule anerkennen – und zwar bildungspolitisch und finanziell. Denn: Wer gleich richtig startet, muss später nicht nachholen!
Eine nicht neue, aber dafür umso dringlichere Forderung ist die nach bundesweit geltenden und hinsichtlich ihrer Erreichung überwachten Standards für Bildungsqualität in Kitas, gekoppelt an ein entsprechendes Qualifizierungsniveau der pädagogischen Fachkräfte.
Derzeit existieren keine einheitlichen Bildungsstandards. Bildungspläne sind zwar vorhanden, dienen aber lediglich als Orientierung (siehe "Gemeinsame Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen", Kultusministerkonferenz, März 2024). Dies führt zu erheblichen Unterschieden in der Bildungsqualität und bei den Entwicklungschancen von Kindern, nicht zuletzt hinsichtlich des Übergangs zur Grundschule und den ersten Lernerfahrungen dort.
Erzielen die erheblichen Investitionen in die Kitas die gewünschte Wirkung? Unklar.
Trotz erheblicher Investitionen in die Prozessqualität fehlt es an klaren Zielvorgaben und Mechanismen zur Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen (siehe Kitaqualitätsmonitor 2024, Fröbel & Pädquis). So bleibt unklar – unter anderem im Kita-Qualitätsgesetz, das ohne Verankerung einheitlicher Qualitätsstandards fortgesetzt wird –, ob die Mittel tatsächlich die gewünschte Wirkung erzielen: allen Kindern, unabhängig vom Wohnort, die Kompetenzen zu vermitteln, die sie für ihre Zukunft benötigen.
Es ist wichtig, eine Sache klar herauszustellen: In der Debatte liegt der Fokus bisher fast ausschließlich auf der Prozessqualität von Bildung, also auf der Steuerung vom Input zum Output. So sinnvoll das auch ist, reicht diese Perspektive nicht aus. Wir müssen unter Bildungsqualität den individuellen Kompetenzerwerb verstehen und bei der Bildungssteuerung die Ergebnisse, also den Outcome, in den Mittelpunkt stellen.
Als "Stiftung Kinder forschen" fordern wir deshalb verbindliche (!) und bundesweit mindestens vergleichbare Bildungspläne, die klar definieren, welche Kompetenzen Kinder in der jeweiligen Altersstufe bis zum Schuleintritt entwickeln sollen – und den Aufbau entsprechender Umsetzungs- und Steuerungsstrukturen.
Dafür braucht es mehr Geld. Noch wichtiger sind aber innovative Konzepte und eine konsequente Diagnostik. Und es braucht Pädagog:innen, die mit am Qualitätsstrang ziehen. Durch gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen müssen sie dabei unterstützt werden, die Anforderungen der Bildungspläne zu erfüllen und individuell auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Multiprofessionelle Teams, spezialisierte Partner und der Ausbau der digitalen Infrastruktur (sowie die Nutzung digitaler Tools zur Arbeitserleichterung) sind hilfreich, die pädagogischen Fachkräfte bei ihrer Bildungsaufgabe zu entlasten, der De-Professionalisierung (siehe Ergebnisse des Ländermonitorings frühkindliche Bildungssysteme, Bertelsmann Stiftung, 2024) entgegenzuwirken und gemeinsam an der Erreichung der Kompetenzstände zu arbeiten.
Die frühkindliche Bildung (und ihre pädagogischen Fachkräfte) wurde schon viel zu lange unterschätzt. Trauen wir ihr mehr zu und geben wir ihr die notwendigen Mittel, dann bietet sie allen Kindern gleiche Startchancen in eine starke soziale, demokratische und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft unseres Landes.
Der Rechtswissenschaftler Tobias Ernst ist seit März 2024 Vorstandsvorsitzender der "Stiftung Kinder forschen". Vorher war er Geschäftsführer der Kiron Open Higher Education gGmbH.
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