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Wer wird es?

In vier Tagen wird gewählt. Und dann? Welche Person könnte die Forschungs- und Bildungspolitik in der nächsten Regierung verantworten? Und wie würde das dazu gehörende Ministerium aussehen? Eine Analyse zwischen Wahrscheinlichkeiten und Kaffeesatzleserei.

KURZ VOR DER WAHL erhielt die frühere BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger ihr Abschlusszeugnis. "Die denkbar schlechteste Besetzung" für ihr Amt sei die FDP-Politikerin gewesen, befanden 30,3 Prozent der Teilnehmenden einer Online-Umfrage des Deutschen Hochschulverbandes (DHV). Weitere 34,8 Prozent nannten Stark-Watzinger "eine sehr schlechte Besetzung". Auf der Notenskala von 1 bis 6 erhielt sie eine Durchschnittsbewertung von 4,82 – mit Abstand die mieseste Bewertung im sogenannten DHV-Ministerranking, in dem die Landesminister zwischen 2,31 (Katharina Fegebank aus Hamburg) und 3,85 (Ina Czyborra aus Berlin und Timon Gremmels aus Hessen) rangierten. Ingesamt werde Stark-Watzinger gar als "die schwächste Bundesministerin, die wir je hatten" gesehen, resümierte der Professorenverband DHV.

 

Eine Bewertung, die sich mit den Stimmen aus den Führungsetagen der deutschen Wissenschaft deckt. Der gleichlautende Tenor in vielen Gesprächen in den vergangenen drei Jahren: Als sich Stark-Watzingers direkte Vorgängerin Anja Karliczek (CDU) aus dem Amt verabschiedete, die als freundlich, aber komplett fachfremd und intellektuell überfordert galt, habe man gedacht, es könnte nur besser werden, zumal Stark-Watzinger ein guter Ruf vorauseilte, sie zugewandt und kenntnisreich gewirkt habe. Doch dann sei das genaue Gegenteil eingetreten: "Eine Katastrophe im Amt", so formuliert das ein einflussreicher Forschungslenker. "Konzeptionsschwach, durchsetzungsschwach, und je stärker der Druck auf sie wuchs, desto mehr igelte sie sich ein mit ihren Leuten im Ministerium."

 

Die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: gescheitert. Die Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI): verschleppt. Die Verhandlungen um die Digitalpakt-Fortsetzung: fast vor die Wand gefahren. Und dann die Aufruhr um Fördermittelkürzungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften gleich zu Beginn der Legislaturperiode. Später der Ärger um die Unterfinanzierung der Batterieforschung, das Einfrieren großer Innovations-Förderprogramme. Vor allem aber das katastrophale Handling der sogenannten Fördermittelaffäre, für das ihr in der DHV-Umfrage "mangelndes Fingerspitzengefühl für die Wissenschaft und ihre Belange" attestiert wurde. 

 

Die Liste der Fails ließe sich fortsetzen. Und selbst Stark-Watzingers Errungenschaften – die gar nicht so klein waren, angefangen mit der (etwas schmeichelhaften) Dynamisierung des "Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken" bis hin zum Abschluss des Startchancen-Programms (das allerdings nicht der behauptete große Gamechanger wurde), – verblassen schon jetzt vor dem Schaden, den sie mit ihrem Führungsstil im BMBF angerichtet hat.

 

Im BMBF fragt man sich: Kann es diesmal
tatsächlich nur besser werden?

 

Eine Kultur des Misstrauens wuchs zwischen den langjährigen Mitarbeitenden und der von Stark-Watzinger nach persönlicher Loyalität und Parteizugehörigkeit zusammengestellten Ministeriumsspitze. Diesen auch in anderen Parteien üblichen Führungsmechanismus trieb sie derart auf die Spitze, dass das Ministerium sich gegen Ende mehr und mehr selbst blockierte – und nach Zusammenbruch der FDP-Führungsstrukturen nur noch eingeschränkt handlungsfähig war. Kein Wunder, dass ihr Übergangs-Nachfolger Cem Özdemir (Grüne) vor allem mit der Reparatur des Hauses beschäftigt ist – in der Hoffnung, es bis zum Antritt der neuen Regierung wieder halbwegs flott zu bekommen.

 

Jetzt rückt die Zeit nach der Wahl in den Blick, und nicht nur im BMBF fragt man sich: Kann es diesmal tatsächlich nur besser werden? Wer wird das Bundesministerium durch eine Legislaturperiode mit vorhersehbar knappen Kassen und massiven Verteilungskämpfen zwischen den Ressorts führen?

 

Klar ist: Eine politisch starke, in Partei und Fraktion vernetzte Persönlichkeit mit Ehrgeiz und Durchsetzungsmacht ist vordringlicher als eine Fachfrau oder ein Fachmann. Fast ebenso wichtig ist, dass der oder die neue Chefin nach innen Führungsqualitäten zeigt, die klare Ansagen mit einer Fähigkeit zur Integration verbindet. Der absolute Hauptgewinn wäre freilich, wenn da am Ende jemand wäre, der oder die zusätzlich über die Dynamiken in Deutschlands föderalem Wissenschafts- und Bildungssystem Bescheid weiß, der oder die eine Vorstellung, eine Strategie, ein Leitbild hat, mit welchen Initiativen und Programmen das BMBF eine tragende Rolle auf dem Weg aus Deutschlands Innovationskrise heraus spielen kann. Weil das Ministerium dann seine inzwischen langjährige unverdiente Randständigkeit im Kreis der Bundesressorts verlieren würde.

 

Wer aber könnte diese Person sein? 

 

Die Antworten darauf müssen ein paar Tage vor der Wahl zwangsläufig Spekulationen sein, aber ein paar Aussagen lassen sich schon treffen. Zuerst diese: Auch wenn die Wissenschaftsszene mit aller Kraft versucht hat, die lange überfällige Debatte über einen möglichen Neuzuschnitt der Ressortzuständigkeiten anzuregen, inklusive der Frage nach Sinn und Unsinn neuer Ämter wie einem "Chief Scientific Advisor", am Ende ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die entscheidenden Fragen – von der Verteilung der Ministerien über ihre personelle Besetzung bis hin zu etwaigen inhaltlichen Verschiebungen zwischen den Häusern – doch wieder parteipolitisch entschieden werden, rein parteipolitisch, was heißt: Wer ist das Führungspersonal in den künftigen Koalitionsparteien, das mächtig genug ist, um auf ein Ministeramt zu pochen? Welche Partei erhebt, abhängig von dem jeweiligen Führungspersonal, unbedingten Anspruch auf welche Ministerien, was folgt daraus für die Verteilung der übrigen Ressorts? Und: Welche parteiinternen Lager und welcher Regionalproporz sind bei all dem noch zusätzlich zu bedenken?

 

Wenn die Union das Ministerium will, wird sie es
bekommen – das wäre die Chance für Karin Prien

 

Aller Voraussicht nach kommen nur drei Fraktionen für eine Regierungsbeteiligung in Frage: CDU/CSU, die vermutlich den Bundeskanzler stellen werden, außerdem die SPD und die Grünen. So sehr FDP-Parteichef Christian Lindner zuletzt versuchte, eine mögliche "Deutschland-Koalition" zu pushen, als so unwahrscheinlich erscheint sie. Weil erstens die FDP dafür überhaupt erst einmal die Fünf-Prozent-Hürde überspringen müsste und zweitens Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot jeweils ohne FDP zum Tragen kommen werden, wenn es rechnerisch nur irgendwie geht. Und ob, falls eine Dreierkoalition nötig werde sollte, Schwarz-Rot-Gelb tatsächlich der Konstellation Schwarz-Rot-Grün vorgezogen würde? Wir werden sehen. Dennoch werde ich am Ende noch einen Satz zur Zukunft des BMBF in einer möglichen Bundesregierung mit Beteiligung der Liberalen verlieren.

 

Zuerst aber zu dem realistischeren Szenario. Das lautet: Wenn die Union will, wird sie Zugriff auf das BMBF bekommen. Es ist traditionell ein CDU-nahes Ministerium gewesen, was übrigens offenbar auch Stark-Watzingers Misstrauen gegenüber dem Haus befördert hat. Seit Jahren bringt sich Schleswig-Holsteins Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, bundespolitisch in Stellung. Sie gehört inzwischen dem CDU-Bundespräsidium an, hat maßgeblich den Bildungsteil des neuen CDU-Grundsatzprogramms geprägt und im vergangenen Jahr die Koordination aller Unions-Landesbildungsminister übernommen. Erst kürzlich lieferte sie mit Stefanie Hubig von der SPD und Theresa Schopper von den Grünen überparteilich einen bemerkenswerten bildungspolitischen Aufschlag ab. Im Wahlkampf fiel die als liberal geltende 59-Jährige durch markige Sprüche auf, die teilweise mehr nach Merz als nach Prien klangen. Was aber nur ihren Anspruch und Ehrgeiz auf eine Führungsposition in der nächsten Bundesregierung untermauert.

 

Würde Prien den BMBF-Chefposten übernehmen, wäre von dem oben geschilderten Anspruchsprofil ziemlich viel erfüllt – mit einer gewichtigen Einschränkung: Das Thema Bildung liegt ihr viel näher als die Forschung, das sagen selbst ihre Parteifreunde. Was insofern eine Herausforderung fürs BMBF wäre, weil dessen Schwerpunkt genau umgekehrt ist: viel Forschung und eine einzige Abteilung für Bildung. Schon Stark-Watzinger und Karliczek hatten diesen Ministeriumsschwerpunkt stiefmütterlich behandelt.

 

Doch ist Prien Strategin genug, um nicht denselben Fehler zu machen. Im Gegenteil: Sie wäre sogar so gewieft und mächtig, um die vieldiskutierte – und gerade erst wieder von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen geforderte – Anreicherung des BMBF vor allem um die Innovationsreferate aus dem Wirtschaftsministerium einzutüten, sollte sich die Gelegenheit dazu bieten. Umgekehrt ist klar: Der immer mal wieder ins Spiel gebrachten parallelen Auslagerung des Bildungsthemas aus ihrem Ressort und dessen Angliederung etwa ans Familienministerium würde Prien voraussichtlich nicht zustimmen.

 

Allerdings gibt es parteipolitische Szenarien, die zu genau einem solchen Neuzuschnitt führen könnten. Nummer eins: Die CSU will eine/n der ihren, namentlich am wahrscheinlichsten Doro Bär, für ein Forschungs- und Innovationsministerium durchdrücken, womöglich ergänzt um das Thema Digitales. Bayerns CSU-Wissenschaftsminister und GWK-Kovorsitzender Markus Blume wäre fachlich und politisch-strategisch die viel bessere Wahl, doch hatte Ministerpräsident Markus Söder vor längerer Zeit ausgeschlossen, jemanden aus seinem Kabinett ziehen zu lassen.

 

Szenario Nummer 2 ist die absolute Außenseiterchance: Die neue Regierung probt doch den großen Wurf und vereint Forschung und Wissenschaft zu einem riesigen Zukunftsressort. Dann könnte der Deal lauten: Karin Prien übernimmt gleichzeitig ein neues Ressort für Bildung, Jugend und womöglich Integration.

 

Viele Namen in der SPD,
keiner drängt sich auf 

 

Was direkt hinüberführt zu Szenario Nummer drei: wenn die SPD Koalitionspartner wird. Seit Edelgard Bulmahn 2005 aus dem Amt schied, haben die Sozialdemokraten nicht mehr Führungsverantwortung für das BMBF getragen. Auch für die neue Legislaturperiode ist kein Zug zu dem Ministerium absehbar, deutlich eher schon zum Familienministerium. Auch dies wäre also eine mögliche Option: Die Union übernimmt ein auf Wissenschaft und Innovation zugeschnittenes Ministerium, die SPD wird für Bildung, Jugend und Familie zuständig. Aber, siehe oben, dagegen könnte unter anderem Prien stehen. 

 

Wer aber wären mögliche Ministerkandidaten der SPD für den insgesamt unwahrscheinlichen Fall, dass Forschung und/oder Bildung in ihre Verantwortung fielen? Kaum jemand drängt sich wirklich auf, was schlicht daran liegt, dass die meisten der für Ministerposten gehandelten Namen wiederum aus einer parteipolitischen, nicht einer inhaltlichen Motivation kommen. 

 

Wer seit Jahren beharrlich, aber mitunter ziemlich erfolglos versucht hat, bildungspolitische Duftmarken in der SPD zu setzen, war ausgerechnet Parteichefin Saskia Esken. Sie würde bei einem starken Wahlergebnis sicherlich fürs BMBF in Frage kommen, doch rechnet kaum noch einer mit einem akzeptablen, geschweige denn einem starken Wahlergebnis. Viele fürchten eher eine Prozentzahl, mit der Eskens Tage als Parteichefin gezählt wären. 

 

Ansonsten als für Chefposten in Ministerien und Fraktion gesetzt gelten Boris Pistorius, Hubertus Heil und, falls das SPD-Ergebnis nicht allzu katastrophal wird, Ko-Parteichef Lars Klingbeil. Sie alle stammen, genau wie Generalsekretär Matthias Miersch, aus Niedersachsen, was bei der Jobverteilung noch für massive Verteilungskonflikte sorgen könnte. Und dann sind da Karl Lauterbach, allerdings nur für Gesundheit eine realistische Option, und die bisherige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, beide aus dem mächtigen Landesverband NRW. Ebenfalls aus NRW: Svenja Schulze, die – nicht zu vergessen – mal Landeswissenschaftsministerin war. Klara Geywitz wird zwar derzeit ebenfalls genannt, zumal sie Ostdeutschland repräsentieren würde, aber als Scholz-Vertraute könnte ihre Machtbasis schnell wegbrechen.

 

Und wie steht es um einflussreiche Fachpolitikerinnen aus den Ländern, Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsministerin Bettina Martin (Mitglied im SPD-Bundesvorstand) etwa oder Bildungsministerin Stefanie Hubig aus Rheinland-Pfalz, Priens Pendant als Koordinatorin der SPD-Landesbildungsminister:innen und frühere Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz? Oder Brandenburgs umtriebige SPD-Wissenschaftsministerin Manja Schüle, die vor ihrem dortigen Regierungseintritt im Bundestag saß? Ehrliche Antwort: Die Aussichten sind nicht gut, dass sie zum Zug kommen, zu sehr würden die einflussreichen Bundespolitiker für sich selbst auf die je nach Konstellation voraussichtlich vier bis sechs Ministerposten drängen.

 

Auch daher ist in der Gesamtschau absehbar, dass bei einer Regierungsbeteiligung der SPD die personellen Auseinandersetzungen eher nicht in Richtung BMBF gehen werden, was wiederum die Besetzung durch die Union noch wahrscheinlicher macht. 

 

Wen es bei den Grünen noch
am ehesten Richtung BMBF zieht

 

Hier hat übrigens noch einer eine Außenseiterchance, der sich in der vergangenen Legislaturperiode systematisch in der Öffentlichkeit nach vorn gearbeitet hat: Thomas Jarzombek. Der CDU-Politiker aus Düsseldorf hat sich in der Fördermittelaffäre als Stark-Watzingers Gegenpol inszeniert, was er auch deshalb konnte, weil er von CDU-nahen Quelle aus dem BMBF gut gefüttert wurde. Jarzombek hat aber auch inhaltlich eine ausgewiesene Expertise entwickelt. Realistischer ist allerdings, dass er unter einer bildungsaffinen BMBF-Chefin Karin Prien einen Staatssekretärsposten bekleiden könnte, um das Thema Forschung zu promoten.

 

Bleiben die Grünen, der andere mögliche Unions-Koalitionspartner, den Merz ("Markus Söder schreibt mir gar nichts vor") explizit nicht ausschließen wollte Anfang der Woche. Auch hier dürfte gelten: Parteipolitische Erwägungen gehen vor. Gesetzt für Ministerposten sind Robert Habeck und Annalena Baerbock. Beides Realos. Aktuelle Ministerinnen der Parteilinken sind Steffi Lemke und Lisa Paus, wobei letztere am wenigsten sicher von einem erneuten Ministeramt ausgehen kann. Von der Proporzlogik müsste sie aber wohl durch eine andere Linke ersetzt werden, immer wieder werden hier Katharina Dröge und, wenn sie denn dazu bereit ist, Ricarda Lang genannt. 

 

Als weitere Grünen-Spitzenpolitikerin käme Franziska Brantner für ein Ministeramt in Frage, die als Staatssekretärin im BMWK zumindest eine persönliche Nähe zum Innovationsthema hat. Häufiger fällt auch der Name von Anna Christmann, 41, die sich als ambitionierte Innovationspolitikerin profiliert hat und als sehr kenntnisreich auch in der Forschungspolitik gilt. Gerade erst hat sie an zwei grünen Grundsatzpapieren zur Forschungs- und Innovationspolitik mitgeschrieben. Das Problem: Sowohl Brantner als auch Christmann gehören wiederum dem Realo-Flügel an. Von dem wohl nur dann eine dritte Vertreterin an der Reihe wäre, wenn es insgesamt mehr als vier Ministerien für die Grünen zu vergeben gäbe. Dabei wären es wohl die beiden, die es noch am ehesten Richtung BMBF zöge.

 

Ansonsten sind, so ist leider festzuhalten, auch in der ersten Reihe der Bundes-Grünen die Forschungs- und Bildungspolitiker Mangelware. Spannend wären Gedankenexperimente unter Einbeziehung von Landespolitikerinnen. Katharina Fegebank etwa könnte aus Hamburg nach Berlin kommen. Sie wurde in der DHV-Umfrage gerade zur beliebtesten Wissenschaftsministerin gewählt. Doch: Am 2. März führt die Senatorin und Zweite Bürgermeisterin die Grünen als Spitzenkandidatin in die Bürgerschaftswahlen, sie wird danach kaum unmittelbar nach Berlin wechseln wollen oder können. Und auch sie ist eine Reala. Manchmal fällt dann noch der Name Katharina Schulze, grüne Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag und zum linken Parteiflügel gehörig, die wiederum ist aber keine ausgewiesene Bildungs- und Wissenschaftspolitikerin.

 

Stark-Watzingers Comeback?

Kaum vorstellbar

 

Und wie war das nun mit der FDP? Eigentlich recht einfach: Wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen sollte, wenn sie als Koalitionspartner gebraucht würde, wenn die Union wider Erwarten auf das BMBF verzichten würde, dann wäre die FDP wieder im Rennen um das Haus. Stark-Watzinger persönlich hätte bei einem Wiedereinzug in den Bundestag wohl genug Hausmacht in der FDP. Wäre sie also vorstellbar, eine Wiederauflage der Ära Stark-Watzinger in einer möglichen Deutschland-Koalition? Sagen wir so: Dann müsste die 56 Jahre alte Hessin schon einen enormen Hang zum Masochismus haben. Und für den ist sie nicht bekannt.

 

Der inhaltlich und menschlich hochgeachtete Jens Brandenburg, 38, ehemaliger Staatssekretär im BMBF, wäre eine fachlich hochinteressante Alternative, doch selbst wenn er wieder über die baden-württembergische Landesliste einziehen sollte – es geht am Ende auch bei der FDP nicht zuerst um die persönliche Eignung für ein Ministerium, sondern stärker um die Nähe zur Parteiführung. Brandenburg gehörte zu denjenigen FDP-Abgeordneten, die neulich nicht zusammen mit Union und AfD für das Zustrombegrenzungsgesetz gestimmt haben.

 

Soweit das von mir übersehene Personaltableau der Parteien. Habe ich Namen vergessen, wahrscheinliche Szenarien oder Konstellationen übersehen? Schreiben Sie es gern in den Kommentaren.

 

Schließlich noch ein Wort zum Ministerium selbst. Wäre ein neuer Zuschnitt, ob aus inhaltlichen oder verhandlungstaktischen Gründen, überhaupt zu verantworten angesichts der tiefgreifenden Krise, die das Haus in der Ära Stark-Watzinger durchlebt hat? Menschlich und strukturell schwierig, werden viele BMBF-Kenner vermutlich sagen, kommt das Haus doch gerade erst wieder auf die Beine. Auch haben Neuzuschnitte von Ministerien immer die Folge, dass zunächst viel organisiert und verschoben wird, dass es Frust gibt und reichlich menschelt – und die eigentliche Arbeit viel zu lange auf die Bank geschoben wird. So sehr eine neue Struktur also abstrakt inhaltlich Sinn ergeben könnte, konkret, argumentieren manche, sollte man es dann doch lieber lassen. Die Reibungsverluste könnten zu groß sein. Andererseits: Sollten wir nicht doch langsam wieder anfangen, nicht von der Institution, sondern vom Ergebnis her zu denken? 

 

 

In diesem Sinne auch ein programmatisches PS:
So analytisch gehalten mein Essay war, so dringend soll der Appell im Nachtrag sein. Wie wäre es, wenn die Parteien ihre normale, oben geschilderte Postenverteilungslogik wieder einmal durchbrächen und 
an die Spitze eines auf Forschung und Innovation neu zugeschnittenen Ministeriums einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin setzten, ausgestattet zwar mit Parteibuch, vor allem aber mit einem akademischen Track Record an der Schnittstelle zwischen Forschung und Innovation?

 

Ich nenne bewusst keinen Namen, weil das nur schädliche Debatten auslösen könnte. Doch konnte eine solche PersönlichkeitVerkrustungen in der Forschungspolitik aufbrechen, sie könnte Hergebrachtes hinterfragen und eine inhaltliche Autorität in die ansonsten parteipolitischen Regierungsdiskussionen einbringen. Ein realitätsfremder Gedanke? Womöglich. Vielleicht aber setzt sich gerade auch in den Spitzen der Parteien die Erkenntnis durch, dass die Befreiung aus der deutschen Innovationskrise unkonventionelle Wege erfordert – auch und gerade in der Forschungs- und Innovationspolitik.



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Dieser Blog zeichnete sich immer dadurch aus, dass er unterschiedliche demokratische Perspektiven in gegenseitiger Wertachtung gelten ließ. Dabei soll, muss und wird es bleiben, ganz gleich wie die Debatte anderswo sich entwickelt.

 

Mit bestem Dank und guten Wünschen 

Ihr Jan-Martin Wiarda


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Kommentare: 5
  • #1

    Kaktus (Mittwoch, 19 Februar 2025 09:40)

    Ich lehne Karin Prien ab. Sie hat auf X das Abstimmungsverhalten der CDU mit Rechtsextremen heruntergespielt. Keine Einsicht in das Fehlverhalten der CDU. Wissenschaft braucht Internationalität, Diversität.
    Sie ist genauso schlimm wie Stark-Watzinger.

    Eine Naturwissenschaftlerin sollte das BMBF übernehmen, am besten mit Industrieerfahrung. Diese Politikerinnen mit Background in Wirtschaft und Politik haben dem BMBF nur Schaden hinzugefügt. Es wird Zeit, dass dem BMBF jemand vorsteht, der echte Ahnung von Naturwissenschaft hat. Sonst denken demnächst mehr Leute, wie Doro Baer, Kernfusion ist schnell verfügbar.

  • #2

    Bavaria (Mittwoch, 19 Februar 2025 12:06)

    Lieber Herr Wiarda,
    ich finde Ihren nachgestellten Appell unplausibel:
    Sicherlich ist dem BMBF eine Spitze mit fachlicher Expertise zu wünschen, gerade dieses Haus würde aber vor allem auch von politischer Expertise profitieren. Für diese sind Quereinsteiger allgemein, auch Wissenschaftler, nicht bekannt, was auch in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen bei solchen Besetzungen geführt hat.
    Im Gegenteil wäre daher dem BMBF eher jemand zu wünschen, der sich für die Themen erwärmen kann, jedoch vor allem politisch brillant ist - und so Wissenschaft und Innovation neben den ganzen anderen medial und politisch starken Themen (Verteidigung, Wirtschaft...) als wichtige Zukunftsthemen positionieren kann.

  • #3

    MFG (Mittwoch, 19 Februar 2025 14:09)

    Lieber Herr Wiarda, ich vermisse Wiebke Esdar auf der SPD-Liste. Wenn ein Wahldebakel der SPD zu einem Linksruck der Partei führen würde, kommt mir das nicht so abwegig vor.
    MfG

  • #4

    Olaf Bartz (Mittwoch, 19 Februar 2025 18:04)

    Zum Jonglieren mit Namen fühle ich mich nicht berufen, in Sachen Ministeriumszuschnitte haben wir in der Vergangenheit schon ein eigenständiges Forschungsministerium gesehen: 1962 wurde das "Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung" errichtet. 1969 wurde es nach dem Amtsantritt der Regierung Brandt ("Die Schule der Nation ist die Schule" etc.) und basierend auf einer vorangegangenen Föderalismusreform im Mai desselben Jahres in "Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft" (BMBW) erweitert und umbenannt. 1972 wurde das "Bundesministerium für Forschung und Technologie" (BMFT) neben dem BMBW geschaffen. 1994 erfolgte die "Wiedervereinigung", seit 1998 trägt es in durchaus bemerkenswerter Konstanz (z.B. die Föderalismusreform 2006 überdauernd) den heutigen Namen.
    Als Historiker von Haus aus, der ich zahlreiche Ministeriumsakten aus den 1950er bis 1970er Jahren gesichtet habe, kann ich sagen: Je mehr unterschiedliche Ministerien mit angrenzenden/überlappenden Zuständigkeiten, desto mehr interministerielle Abstimmungsbedarfe.

  • #5

    M. Müller (Mittwoch, 19 Februar 2025 18:34)

    Volle Zustimmung zum Kommentar von Bavaria, dass es Quereinsteigern an der politischen Erfahrung fehlt, die für ein Spitzenamt in der Bundespolitik unverzichtbar ist. Um einen Vergleich mit dem Sport zu ziehen: Ein Fußball-Talent fängt ja auch nicht aus dem Stand in der Bundesliga an. Warum sich dennoch immer wieder Quereinsteiger aus dem Stand ein Minister- oder Staatssekretärsamt zutrauen, ist mir ein unerklärliches Mysterium. Dass der Versuch meist kläglich scheitert, konnte man in der jüngeren Vergangenheit auch im BMBF beobachten.