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"Die Vorstellung, US-Spitzenwissenschaftler in ihrer Not abzugreifen, lehne ich ab"

Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Robert Schlögl, über die schwarz-roten Koalitionspläne, Meinungsverschiedenheiten zwischen den Wissenschaftsorganisationen – und die Zeit nach Trump.

Der Chemiker Robert Schlögl war über viele Jahre Direktor und wissenschaftliches Mitglied am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin und am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr. Seit 2023 ist er Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Foto: Humboldt-Stiftung/D.Ausserhofer.

Herr Schlögl, im geleakten Ergebnispapier der schwarz-roten Verhandlungsgruppe zu "Bildung, Forschung, Innovation" war es die allererste wissenschaftspolitische Ankündigung: "Wir erhalten Deutschland in Zeiten globaler Polarisierung als attraktives Zielland und sicheren Hafen der Wissenschaftsfreiheit für Forschende aus aller Welt", steht da. Und weiter: "Mit einem 1.000-Köpfe-Programm wollen wir internationale Talente gewinnen." Trifft das auf Ihren Beifall als Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung?

 

Persönlich finde ich schon die Assoziation mit dem 1000-Talente-Programm der Chinesen problematisch. Sollte dieses Programm jedoch so auf die Beine gestellt werden, dass es zur Stärkung der Basis ausgezeichneter Wissenschaftler in Deutschland beiträgt, werden wir uns gerne beteiligen. Wenn die Botschaft sein soll, wir schaffen hier, sagen wir, 250 neue Professuren plus Ausstattung für US-Amerikaner, dann hielte ich das für weder sinnvoll noch nützlich. 

 

Warum?

 

Weil wir erstens schon jetzt offen sind für Wissenschaftler aus aller Welt, die zu uns kommen wollen. Weil der Bund zweitens mit der Anfinanzierung von Professuren in die Hoheit der Länder eingreifen würde, auf deren Dauerkosten die Hochschulen dann sitzenblieben. Und weil es drittens viel praktikabler und ökonomischer wäre, bereits bestehende Programme und Initiativen auszuweiten, als umständlich neue zu schaffen. 

 

Bestehende Initiativen und Programme wie die der Humboldt-Stiftung?

 

Ja, genau, beispielsweise die Stipendien- und Preisprogramme, die schon jetzt auf Brain Circulation zielen. Wir wären besser bedient, wenn wir eine verlässliche Erhöhung des Kernhaushaltes erhielten. Darum bemühe ich mich, weil nur das unseren Beitrag zu einem resilienten, freien deutschen Wissenschaftssystem stärken kann. Der Bund könnte einen Fonds speisen, aus dem die Länder vorgezogene Neuberufungen finanzieren können. Wenn er darüber hinaus der Humboldt-Stiftung und anderen Organisationen zusätzliches Geld geben möchte, um im Rahmen ihrer bestehenden Angebote vorübergehend US-Forschende zu unterstützen, ist das hoch willkommen. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt.

 

"Es wird eine Zeit nach Trump geben, und das
amerikanische Wissenschaftssystem, das größte und beste auf der Welt, wird wegen Trump nicht untergehen." 

 

Und der wäre?

 

Wir sollten grundsätzlich Abstand nehmen von allen Formen der Symbolpolitik. Die Vorstellung, schnell US-Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in ihrer Not abzugreifen, lehne ich ab. Wir sollten gerade jetzt das starke Netzwerk mit amerikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das wir über viele Jahre aufgebaut haben, verstärken durch Signale der Solidarität mit den dortigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Auch wenn man es sich im Augenblick kaum vorstellen kann: Es wird eine Zeit nach Trump geben, und das amerikanische Wissenschaftssystem, das größte und beste auf der Welt, wird wegen Trump nicht untergehen. Vielleicht dreht sich die politische Lage irgendwann wieder, und wir sind froh, wenn unsere US-Partner dann ebenfalls nicht zuerst an ihre eigenen Interessen denken.

 

In der Allianz der Wissenschaftsorganisationen gab es zur Frage gezielter Anwerbeprogramme in den vergangenen Wochen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten. Nach dem Treffen mit Bundesforschungsminister Cem Özdemir vergangene Woche und der anschließend veröffentlichten gemeinsamen Erklärung schien das abgehakt. Wird sich die Debatte über das 1000-Köpfe-Programm neu aufheizen?

 

Wir hatten schon vor unserem Treffen mit Minister Özdemir allianzintern eine Einigung erreicht, so dass sich für die gemeinsame Erklärung keiner verrenken musste. Ich verhehle nicht, dass die Forschungsorganisationen unterschiedliche Interessenlagen haben. Gleichzeitig wären wir blöd, wenn amerikanische Spitzenforscher unbedingt nach Europa wollten und wir aus moralischen Gründen sagen würden: Wir nehmen keine. Aber das kann man im ganz normalen Fördergeschäft mit mehr Budget erledigen. Es ist ja nicht so als würden die Leute zu Tausenden auf gepackten Koffern sitzen. 

 

Eine Nature-Umfrage unter 1.600 US-Forschenden ergab gerade, dass 75 Prozent darüber nachdenken, nach Kanada oder Europa zu gehen.

 

Sie sind entsetzt von dem, was passiert. Sie beobachten fassungslos, wie das Vertrauen zwischen Staat und Wissenschaft in den USA zerschlagen worden ist. Die Trump-Administration hat genau an der Stelle angesetzt, an der es am meisten wehtut: bei der Finanzierung. Das amerikanische Wissenschaftssystem ist wie eine große Firma. Wenn es der ans Geld geht, wird man erstmal vorsichtig. Parallel erzeugt Trump mit brutalen Aktionen wie der Verhaftung internationaler Doktoranden Angst und Aufmerksamkeit. Doch das ist so ähnlich wie mit den Zöllen: Spätestens, wenn er merkt, dass er das System und den Wohlstand damit ruiniert, wird er einen Rückzieher machen.

 

Sie sind ja optimistisch!

 

Im Sommer findet die nächste GAIN statt…

 

…die traditionsreiche Roadshow der deutschen Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen in den USA, die vielversprechende junge Wissenschaftler nach Deutschland (zurück)holen soll…

 

…da werden wir sehen, wie die Stimmung bis dahin ist. In der Zwischenzeit bleiben wir im Gespräch mit der US-Wissenschaft und Politik. Gerade erst hat, organisiert vom Auswärtigen Amt, eine Delegationsreise der deutschen Mittlerorganisationen nach Florida stattgefunden. Da haben auch Trump-Unterstützer den Austausch mit uns gesucht. Solche Begegnungen öffnen Perspektiven und Türen. 

 

"Trump erschüttert mit seiner Politik das gesamte Weltwissenschaftssystem. Die gesamte internationale Wanderungsbewegung ist unterbrochen."

 

Warum wurden in der gemeinsamen Erklärung von BMBF und Wissenschaft eigentlich an keiner Stelle explizit die USA oder die Trump-Regierung erwähnt, in der begleitenden Pressekonferenz mit Minister Özdemir und Helmholtz-Chef Otmar D. Wiestler – als Vertreter der Allianz der Wissenschaftsorganisationen – aber in jedem zweiten Satz? 

 

Wir wollten bei der Erklärung nicht den Eindruck erwecken, als gehe es nur um die USA. Der Exodus von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Ländern, zum Beispiel Argentinien, ist teilweise noch viel heftiger. Hinzu kommt: Trump erschüttert mit seiner Politik das gesamte Weltwissenschaftssystem. Leute, die sonst nach Amerika gegangen wären, müssen sich umorientieren. Die gesamte internationale Wanderungsbewegung ist unterbrochen. Wir beobachten bereits, dass die Bewerbungen aus vielen anderen Ländern ansteigen, aus Indien und anderswo. Bislang war für die Künstliche Intelligenz Kalifornien das gelobte Land, das ändert sich gerade. Noch eine persönliche Beobachtung. Wenn ich mit amerikanischen Forschenden und Humboldtianern rede, begegnet mir häufiger die Bitte: Hört auf, die Ängste und Befürchtungen weiter zu schüren, die derzeit bei vielen in der US-Wissenschaft herrschen. Das hilft uns gerade nicht wirklich. Direkter Zuspruch und konkrete Hilfe: gern. Aber bitte nicht im Sinne lauter Einmalaktionen. 

 

Apropos Einmalaktionen: Das Ergebnispapier plädiert parallel dafür, Humboldt-Stiftung, DAAD und Max-Weber-Stiftung eine kontinuierlich steigende Finanzierung zuzusprechen, "damit sie ihre Programme wieder ausbauen können".

 

Es wäre schön, wenn es so kommt. Freilich stand das so ähnlich auch im letzten Koalitionsvertrag und hat uns nicht vor Kürzungen bewahrt. 



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Kommentare: 2
  • #1

    Roman Stilling (Mittwoch, 02 April 2025 11:20)

    "Zeit nach Trump" - diese Naivität hätte ich den Obersten der Wissenschaft in einem Land, das viele Jahre unter einem faschistischen Regime gelebt hat, gar nicht zugetraut. Die neue Administration ist gerade erst im Amt und hat bereit jetzt massiv den Staat umgebaut. In 4 Jahren werden die USA nicht mehr wiederzuerkennen sein, eine neue Amtszeit, vielleicht auch mit Tricks wie Amtstauschen o.ä., halte ich für sehr wahrscheinlich. Die Zeit nach Trump muss nicht das Ende des Trumpismus und des faschistischen Regimes sein. Ich sehe, dass auch viele hoffnungsvolle Kommentatoren, zB in der NYT, davon ausgehen, dass bestimmte Dinge wie zB eine dritte Amtszeit "unmöglich" seien. Wir sollten nicht den gleichen naiven Fehler machen. Übersetzt bedeutet das: Gerne Solidarität und Unterstützung aus Europa für alle Kräfte, die sich dem entgegenstellen, damit es nicht so kommt wie wir doch berechtigt befürchten müssen. Gleichzeitig in Europa/EU Tür und Tor öffnen und endlich dort eine kompetitive Wissenschaftsförderung pushen. In diesem Sinne stimme ich Herrn Schlögl voll zu: bestehende Programme ausbauen, Erhöhung der Kernhaushalte und dann: Gain, baby, gain!

  • #2

    Django (Mittwoch, 02 April 2025 13:52)

    Ich schließe mich #1 an. Die Zeit "nach Trump" wird die Zeit von Vance oder ähnlichen Personen sein. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Selbst bis zu den Midterms hat die Trump-Regierung genug Zeit, bleibende Schäden anzurichten.