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"So gut wie nichts in trockenen Tüchern"

Die innovationspolitische Bilanz nach 14 Monaten Ampel sei ernüchternd, sagt der Vorsitzende der EFI-Kommission, Uwe Cantner. Heute legen die Wissenschaftweisen ihr Jahresgutachten vor. Sie fordern einen grundlegenden Umbau der Förderpolitik – und üben Kritik an der gerade verabschiedeten Zukunftsstrategie der Bundesregierung.

EFI-Vorsitzender Uwe Cantner. Foto: David Ausserhofer.

Herr Cantner, ein knappes Jahr, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz das Wort zum ersten Mal in den Mund nahm, fordert jetzt auch die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) eine "Zeitenwende": für die Forschungs- und Entwicklungspolitik. Bisschen spät dran, was?

 

Unser Jahresgutachten erscheint nur einmal im Jahr. Und auch wenn wir im März 2022 das Wort "Zeitenwende" noch nicht verwendet haben, muss ich doch im Rückblick sagen, dass wir wesentliche Inhalte dessen, worauf es ankommt, darin bereits ausbuchstabiert hatten. Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter. Unsere Vorschläge würden, sollten sie umgesetzt werden, auf eine radikale Abkehr dessen hinauslaufen, wie Forschungs- und Innovations-Politik (F&I) in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland organisiert wurde.

 

Das müssen Sie erklären.

 

Wir fordern eine F&I-Governance der dritten Generation. Die erste, traditionelle: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist für alles zuständig, was im Bund mit Forschung und Entwicklung zu tun hat. Da sind wir schon lange drüber hinaus. Die zweite Generation erleben wir gegenwärtig: BMBF und Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stimmen sich, oft mehr schlecht als recht, ab. Die dritte Generation, zu der wir hin müssen, ist: Alle Ministerien sind gefragt. Und zwar weil Forschung und Innovation angesichts der tiefgreifenden Probleme wie Klimawandel und Demografie immer häufiger zu Querschnittsthemen werden, die alle Ministerien betreffen, nicht nur das Forschungsministerium. Entsprechend müssen alle Ministerien zu einer erfolgreichen F&I-Politik ihre Beiträge untereinander abgestimmt leisten. Das geht aber nur, wenn wir das in Deutschland so ausgeprägte Silo-Denken der Ministerien überwinden. >>>


Die Kommission, ihr Vorsitzender und das Gutachten

Uwe Cantner, 62, ist seit Mai 2019 Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). An der Universität Jena hat er eine Professur für VWL/Mikroökonomie, seit 2014 ist er Vizepräsident seiner Universität.

 

Die EFI wurde 2006 per Kabinettsbeschluss eingerichtet und legt der Bundesregierung jedes Jahr ein Gutachten zur "Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands" vor. Die weiteren Kommissionsmitglieder sind Irene BertschekProf. Dr. Guido BünstorfTill RequateCarolin Häussler und Friederike Welter

 

"Es bedarf einer ‚Zeitenwende‘ auch in der F&I-Politik", steht gleich im Vorwort des Gutachtens, das heute an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) übergeben wurde und auf der Website der EFI abrufbar ist.

 

Was die Kommission darunter versteht: agile Strukturen in der Innovationsförderung und Forschungspolitik, "das Silodenken innerhalb der Bundesregierung" müsse überwunden werden. Die Experten mahnen, den Politikansatz der Neuen Missionsorientierung jetzt auch "mit Nachdruck zu verfolgen", und buchstabieren aus, was das für die gerade von der Bundesregierung beschlossene neue Zukunftsstrategie bedeutet. Explizit warnen sie davor, angesichts 

des Ukrainekriegs die Ziele der Energiesicherheit und des Klimaschutzes gegeneinander auszuspielen. Technologische Rückstände müssten aufgeholt oder vermieden werden, Innovationshemmnisse abgebaut und die Fachkräftebasis gesichert werden.

 

Zu den zentrale Handlungsempfehlungen der Kommission gehören unter anderem die Einrichtung eines Regierungsausschusses für Innovation und Transformation, ein Reform des Projekträgersystems, eine Neuaufsetzung der Governance bei der Verwaltungsdigitalisierung, klare Regeln für die Datenökonomie – und besser planbare wissenschaftliche Karrieren. Auch müssten Synergien zwischen militärischer und ziviler Forschung geschaffen werden, und ein nicht-intendierten Wissensabfluss nach China müsse vermieden werden. 

Ein besonderes Augenmerk legt die EFI in diesem Jahr auf die Frage, wie die Innovationsfähigkeit in einer alternden Gesellschaft erhalten und das Innovationspotenzial Älterer bestmöglich genutzt werden kann. Die Kommission beschäftigt sich mit neuen Technologiemärkten und den Formen des Handels mit geistigem Eigentum, und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Raumfahrt fordern sie von der Bundesregierung die rasche Verabschiedung und Umsetzung einer neuen Raumfahrtstrategie und eines nationalen Weltraumgesetzes. 



>>> Von wegen: Das hier ist meine Zuständigkeit und das deine? Und wir funken uns gegenseitig nicht dazwischen?

 

Genau. Jeder denkt nur bis genau zu der Grenze, wo seine vermeintliche Zuständigkeit endet. Und anstatt nach der besten Lösung zu suchen, geht es dann darum, den eigenen "Herrschaftsbereich" zu verteidigen. 

 

Auch dieses Silodenken beklagen Sie als EFI nun nicht zum ersten Mal.

 

Aber zum ersten Mal führen wir im Detail aus, wie das Regierungshandeln aussehen muss für eine F&I-Governance der dritten Generation. Und wir sagen auch, wie es nicht funktionieren wird.

 

Fangen Sie doch damit mal an, wie es nicht geht.

 

Ganz sicher geht es bei uns in Deutschland nicht so wie in Österreich, wo man alles, was Innovation und Transformation betrifft, in einem großen Ministerium gebündelt hat. Ein Ministerium, das dann sehr eigenständig die großen Linien von der Bildung über die Forschung bis hin zu Transfer, Entwicklung, Innovation und Anwendung zieht. In einem kleinen Land wie Österreich, in dem sich die Mitarbeiter in den Ministerien kennen und es zudem keinen Kanzler mit Richtlinienkompetenz gibt, mag das gut möglich sein. In Deutschland würden wir auf diese Weise einen Moloch schaffen – und die Probleme, die wir zurzeit zwischen den Häusern haben, hätten wir dann genauso zwischen den einzelnen Abteilungen dieses Riesenministeriums. Eine weitere Alternative, die zum Beispiel Fraunhofer ISI und Bertelsmann-Stiftung vorgeschlagen haben, trägt unseres Erachtens auch nicht: die Schaffung einer einzigen großen Missionsagentur, in die sie alles auslagern, was mit einer missionsorientierten Forschungspolitik, den dazu gehörigen Strategien und ihrer Umsetzung zu tun hat. Die koppelt sich dann zu weit von der Politik und deren Handlungslogiken ab, was neue Brüche schafft. 

 

"Aber der Regierungsausschuss
wäre etwas ganz Anderes!" 

 

Was aber funktioniert denn dann?

 

Wir schlagen einen Regierungsausschuss für Innovation und Transformation beim Bundeskanzler vor, der alle fachlich betroffenen Ministerien zusammenführt und ihr Zusammenwirken in der F&I-Politik koordiniert. 

 

Und das, meinen Sie, ist dann das Erfolgsmodell? Noch ein Gremium, noch mehr Koordination? Klingt eher nach dem, was Sie vorhin als "zweite Generation" bezeichnet haben. Ob Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) oder die Strategie zum grünen Wasserstoff: Beispiele, wo mehrere Ministerien aneinander vorbeikoordinieren, gibt es ja nun zur Genüge.  

 

Aber der Regierungsausschuss wäre etwas ganz Anderes! Er hätte eine klare Leitung: Der Regierungsausschuss würde vom Kanzler oder vom Chef des Kanzleramts geleitet. Er hätte eine regelmäßige Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament, und sämtliche beteiligte Ministerien müssten dem Ausschuss zu den verschiedenen F&I-Zielen und dem erreichten Stand ihrer Umsetzung regelmäßig Rapport abliefern. Südkorea und Japan machen es vor: Beide haben einen Innovationsrat beim Premierminister, der persönlich die Hand drauf hat, und zwar im Wochenrhythmus! Entsprechend sind beide Länder uns etwa bei der Digitalisierung von Gesellschaft, Verwaltung und Wirtschaft um Längen voraus.

 

Das sind aber zwei ganz andere politische Systeme als das unsrige. 

 

Weshalb wir die Idee auch nicht einfach kopieren könnten. Aber uns davon inspirieren lassen, das können wir schon.  

 

Und an der Spitze eines solchen Regierungsausschusses säße der Chief Scientific Advisor der Bundesregierung und könnte per Durchgriffsrecht den einzelnen Bundesministern Vorschriften machen? Glauben Sie wirklich, dass die sich tatsächlich einfach so zum Rapport bestellen lassen?

 

Wenn am Ende der Kette der Bundeskanzler oder der Kanzleramtschef persönlich steht und, wo nötig, ein Machtwort spricht: Ja, das glaube ich. Meines Erachtens wäre dafür noch nicht einmal ein Chief Scientific Advisor nötig. Mit dem Bundeskanzler als ultimativer Instanz steigt schon so der Druck auf die Ministerien, sich vorher selbst zu einigen. Das Entscheidende ist: Wir hätten endlich ein Format, wo systematisch, ressortübergreifend und regelmäßig F&I-Politik betrieben wird – und nicht nur dann mal, wenn es gerade brennt. Ein Format, wo die strategischen Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen entstehen, im ständigen Austausch aller zuständigen Ministerien. Und der Regierungsausschuss wäre nur die erste, die strategische bzw. Entscheidungs-Ebene. Auf der zweiten Ebene würde er interministerielle Missionsteams einsetzen, die sich die einzelnen Fragestellungen im Detail vornehmen und die getroffenen Entscheidungen umsetzen.

 

"In der inhaltlichen Ausgestaltung der Missionen
an der Oberfläche und wenig fokussiert."

 

Fragestellungen, wie sie die "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation" der Bundesregierung formuliert, wie sie gerade erst verabschiedet wurde? Missionsteams werden darin ja auch erwähnt. 

 

Eine Strategie, die wesentliche Elemente der neuen Missionsorientierung enthält, ja. Die aber in der inhaltlichen Ausgestaltung der Missionen an der Oberfläche und wenig fokussiert bleibt. Und noch dazu die zur Umsetzung notwendige ressortübergreifende Governance-Struktur, um die es uns vor allem geht, bestenfalls andeutet. Ressortübergreifende Missionsteams werden in der Zukunftsstrategie erwähnt. Aber es wird überhaupt nicht ausgeführt, wie die Missionsteams zusammengesetzt werden sollen und welche Kompetenzen sie haben sollen. Nehmen Sie etwa das Ziel einer nachhaltigen Mobilität aus der ersten Mission der Zukunftsstrategie. Um es zu erreichen, müsste vom Regierungsausschuss ein entsprechendes Missionsteam eingesetzt werden, das aus den Referaten und Abteilungen der unterschiedlichen Ministerien besteht mit jeweils einem oder zwei Ministerien in der Federführung. >>>


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>>> Um dann was genau zu machen?

 

Zuerst müssen Sie die Mission in einzelne Arbeitsschritte und Verantwortlichkeiten aufteilen. Welche Ministerien kümmern sich darum, die Entwicklung umweltschonender Antriebsaggregate voranzutreiben? Was ist mit der Forschung zum autonomen Fahren, wie lassen die Systeme zwischen öffentlichem und Individualverkehr strategisch entwickeln? Schnell haben Sie neben dem Forschungs- und Wirtschaftsministerium das für Verkehr und das für Umwelt involviert. Und was ist mit dem Datenfluss zwischen autonomen Fahrzeugen, wie kann die Schadenshaftung in Falle von Unfällen rechtlich geregelt werden? Das sind Fragen fürs Justizministerium. Und so geht das weiter. Die einzelnen Häuser müssen ja nicht gleich ihre Etats in einem Topf werfen, aber nur wenn alle Einzelmaßnahmen von den beteiligten Ministerien strategisch abgestimmt in eine gemeinsame zeitliche Logik gebracht werden, wird sich eine Mission erfolgreich umsetzen lassen.

 

Warum sollten die Ministerien sich darauf einlassen?

 

Weil der Regierungsausschuss ihnen keine andere Wahl mehr ließe. Denn jedes Ministerium müsste den Stand seiner Arbeit in den verschiedenen Missionsteams sehr regelmäßig berichten und zwar ergebnisorientiert. Ja, das wird viel Zeit kosten. In Japan trifft sich der Ausschuss jeden Donnerstag.

 

"Stellen Sie sich vor, Sie haben fünf Ministerien, die gemeinsam für diese Mission verantwortlich sind. Vier performen und eines nicht. Das gibt Ärger im Kabinett."

 

Dann berichtet man sich halt irgendwas und verwaltet im Übrigen weiter wie bisher.

 

Sie vergessen, dass der Regierungsausschuss auch regelmäßig berichten müsste. Sie glauben gar nicht, welche Wirkung es hätte, wenn ein Minister im Kabinett vorgeführt würde. Um beim Beispiel nachhaltiger Mobilität zu bleiben: Stellen Sie sich vor, Sie haben fünf Ministerien, die gemeinsam für diese Mission verantwortlich sind. Vier performen und eines nicht. Das gibt Ärger im Kabinett. Und kommt im Parlament raus. Das scheint mir ein recht hoher Anreiz für eine Ressortchefin oder einen Ressortchef zu sein, das eigene Haus zur ehrgeizigen Umsetzung der Missionsziele anzuhalten.

 

All das würde freilich voraussetzen, dass sich jemand dahinterklemmt und einen solchen Regierungsausschuss mit seiner zentralen Position und seinen Kompetenzen einrichtet. Dieser jemand ist der Bundeskanzler. Und vermutlich würde nicht einmal das reichen. Alle Ampel-Parteichefs müssten auch im Boot sein. Immer noch realistisch? 

 

Sie haben natürlich Recht. Wenn die Entscheidungsträger in den Ampelparteien kein echtes Interesse an den Missionen haben, dann wird da auch nichts passieren. Aber ich bin überzeugt davon, dass man in der Ampel den Willen hat, hier endlich voranzukommen. Dass ausgerechnet die Zukunftsstrategie wieder vorrangig von einem einzigen Ministerium aufgeschrieben wurde, ist allerdings nicht gut. Die sechs Oberthemen, die Missionen oder Challenges, sind an sich gut gewählt und die damit verbundenen Herausforderungen sind in dem Entwurf auch gut beschrieben, keine Frage. Nur umsetzungsorientiert haben dann wieder alle Referate der verschiedenen Ministerien einfach ihre Projekte reingeschrieben, ob sie nun strategisch reinpassten oder nicht. Bei dem inhaltlichen Sammelsurium, was auf diese Weise als Hinterlegung der Oberthemen entstanden ist, kann man schon graue Haare bekommen. Zumal die Oberthemen noch viel zu breit sind für einzelne Missionen, die muss man meines Erachtens inhaltlich klein und konkret machen, damit sie sich strategisch umsetzen lassen. 

 

Wenn ich Sie richtig verstehe, kritisieren Sie zwar, dass die Zukunftsstrategie in ihrer derzeitigen Version die notwendige Governance nur andeutet – sind aber gleichzeitig froh darüber, weil Sie dadurch mit Ihrem Vorschlag eines Regierungsausschusses für Innovation und Transfer noch rechtzeitig kommen? 

 

Die Frage der Governance ist wohl noch nicht entschieden, und diesen Umstand müssen wir jetzt nutzen. Und was die inhaltliche Ausgestaltung angeht, müssen wir als nächstes über das Herunterbrechen der großen Herausforderungen in die einzelnen Missionen und dann über dazugehörige Roadmaps reden, die die einzelnen Schritte zur Umsetzung beschreiben und zueinander in Beziehung setzen.

 

"Unsere Botschaft an die Politik: Vergesst über den Problemen von heute nicht die von morgen. Und verhindert mit den Lösungen von heute nicht die Lösungen von morgen."

 

Die Ampelkoalition ist seit 14 Monaten im Amt. Gestartet ist sie mit riesigen Ambitionen, konfrontiert mit kaum geringeren Erwartungen aus der Wissenschafts- und Innovationsszene. Wenn man sich heute exemplarisch den Zustand der Zukunftsstrategie anschaut: Ernüchterung auf ganzer Linie?

 

Sagen wir mal so: Die Koalition hat innovationspolitisch keinen guten Start hingelegt. Im Koalitionsvertrag steht viel Gutes drin, und auch wenn vieles davon zwangsläufig nicht im Detail ausgeführt werden konnte: Die Stoßrichtung war sehr erfreulich – vom Aufsetzen der Zukunftsstrategie über die Stärkung des Transfers bis hin zum Versprechen, die SPRIND sehr bald freier laufen zu lassen. Aber für die Umsetzung braucht es eine geschickte Führung. Und ein Jahr später sehen wir: Es wurden jede Menge neue Strategien formuliert, aber jede für sich und nicht miteinander verbunden. Und von den wesentlichen Zielen ist so gut wie nichts in trockenen Tüchern. Von der versprochenen Deutschen Agentur für Transfer und Innovation existiert noch kein tragfähiges Konzept. Nicht einmal das SPRIND-Freiheitsgesetz wurde bislang verabschiedet, das doch so vorrangig versprochen worden war. Ja, das ist ernüchternd. Und es braucht einen neuen Ruck, um endlich voranzukommen.

 

Ist dieser Ruck die von Ihnen zitierte Zeitenwende – oder ist die Zeitenwende von Olaf Scholz am Ende das größte Hindernis, weil das Geld nicht mehr in Forschung und Innovation fließt, sondern in Energiehilfen und Rüstungsprojekte?

 

Wir befürchten schon, dass die Bewältigung der aktuellen Krisen dazu führt, dass die großen Herausforderungen, allem voran der Umgang mit dem Klimawandel, in der Prioritätenliste nach hinten rutschen. Und wir befürchten, dass all die Maßnahmen zur Sicherung der unmittelbaren ökonomischen Leistungsfähigkeit den gesellschaftlichen Transformationszielen entgegenstehen. Es ist zum Beispiel konzeptionell nicht nachvollziehbar, dass die hohen Energiepreise gedeckelt werden, anstatt zielgenau nur diejenigen Menschen zu unterstützen, die von den Preissteigerungen überfordert sind – Mängel in der finanztechnischen Umsetzbarkeit sind dafür verantwortlich. So verschwindet der Anreiz zur technologischen Innovation ebenso wie der Anreiz, das Konsumverhalten bei Energie zu ändern. Hier lautet unsere Botschaft an die Politik: Vergesst über den Problemen von heute nicht die von morgen. Und verhindert mit den Lösungen von heute nicht die Lösungen von morgen. 

 

Währenddessen bereiten sich Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen angesichts der Inflation auf neue Spar-Runden vor.

 

Es wird ja kaum einmal nominell gekürzt, aber trotzdem ist das, was da im Wissenschafts- und Bildungsbereich geschieht, ein Skandal. Die realen Haushalte schrumpfen, und kaum eine Regierung im Bund oder in den Ländern verhindert das. Ich lehre ja selbst an einer Hochschule und sehe jeden Tag die Folgen. Ja, es gibt Bundesländer, wo die Lage etwas besser aussieht, aber insgesamt fehlt der Politik wieder einmal die Einsicht: Unsere Zukunft als Land hängt ab von den jungen Menschen, die sie gestalten werden. So, wie wir sie behandeln, behandeln wir unsere eigene Zukunft als Gesellschaft. Auch da würde ich mir einen Ruck wünschen. Den hätte es übrigens auch ohne Corona und Ukrainekrise gebraucht.


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