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"Wir werden wieder für Debatten sorgen"

Der SWK-Vorsitzende Olaf Köller über die Kritik an den wissenschaftlichen Empfehlungen zum Lehrermangel, die Reaktion der Kultusministerkonferenz und Stark-Watzingers Pläne einer "Taskforce Team Bildung".

Olaf Köller ist Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) in Kiel und Ko-Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK).  Foto: IPN/Davids/Sven Darmer.

Herr Köller, Ende Januar ist die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz in ihren ersten Shitstorm geraten. Anlass waren die von Ihnen vorgelegten "Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel". 

 

Dass die Lehrerverbände Sturm laufen würden, das wussten wir vorher. Ist ja sozusagen ihre Aufgabe. 

 

Das taten aber nicht nur die Lehrerverbände. Die linke Bildungspolitikerin Nicole Gohlke kommentierte, von dem Duktus Ihres Berichts könnten sich "McKinsey und Co noch eine Scheibe abschneiden". Ein Gymnasiallehrer schrieb im Spiegel, die Empfehlungen läsen sich "wie ein zu früh beendetes Brainstorming". Lehrern Teilzeitmöglichkeiten nehmen und als Ausgleich für die Mehrarbeit Yoga anbieten zu wollen, sei "frech". In den sozialen Medien wurde Ihr Papier als "praxisfern" und "unwissenschaftlich" gescholten. Und das waren noch die freundlicheren Kommentare. Steckt die SWK in einer ernsthaften Legitimationskrise?

 

Wir haben in der SWK-Geschäftsstelle mal durchgezählt und sind auf 50 richtig böse E-Mails von Lehrkräften gekommen. Das bedeutet im Umkehrschluss: 800.000 Lehrkräfte hatten nicht das Gefühl, ihren Ärger über uns ausschütten zu müssen. Aus der Wissenschaft hat es derweil kaum Gegenwind gegeben. Und die Medienberichterstattung ist sehr gemischt ausgefallen. Es gab besonders in den großen Zeitungen Journalistinnen und Journalisten, die tatsächlich unsere Empfehlungen selbst gelesen haben anstatt nur die Überschriften aus den Protest-Presseerklärungen der Lehrerverbände. Das Ergebnis waren differenzierte Artikel. Insofern habe ich das Gefühl: Wir haben erreicht, was wir wollten.

 

"In der Gesamtbilanz kann ich nicht sehen,
dass die SWK durch ihre Empfehlungen Schaden genommen hätte, eher im Gegenteil."

 

Und das war?

 

Wir haben Bewegung in die Debatte gebracht. Unsere Empfehlungen werden ventiliert und schwirren in den Köpfen herum. Die Länder beschäftigen sich mit der Frage, wie der Eintritt in den Ruhestand flexibler werden kann, wie sich das Konzept der Vorgriffsstunden umsetzen lässt. Und wenn jetzt gelehrte Streitereien darüber losgehen, welche Teilzeitquote denn nun tatsächlich unter Lehrkräften herrsche, dann bedeutet das vor allem: Es wird über Teilzeit diskutiert. Und die Frage, wie und wo wir gleichzeitig für Entlastung sorgen können, bewegt auch die Lehrerverbände sehr. In der Gesamtbilanz kann ich nicht sehen, dass die SWK durch ihre Empfehlungen Schaden genommen hätte, eher im Gegenteil. 

 

Ihre positive Wahrnehmung in allen Ehren: Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat neulich einen Beschluss zu weiteren Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel gefasst und dabei die SWK-Empfehlungen faktisch kassiert. Man wolle diese "prüfen", so lautete die Formulierung. Das war alles. 

 

Hier würde ich unterscheiden zwischen dem, was 16 Länder in einer gemeinsamen Erklärung loswerden, und dem, was jedes Land für sich tut. Da sehen wir dann, dass etliche Länder bereits die von uns aufgeführten Empfehlungen umgesetzt haben, jetzt damit anfangen oder zumindest in die Diskussion um eine Umsetzung gestartet sind. Manchmal mit, manchmal ohne direkten Bezug auf die SWK. Auch letzteres ist völlig in Ordnung. 

 

Es gibt auch kritische Stimmen, die sagen: Die SWK habe einfach aufgeschrieben, was verschiedene Kultusminister bereits beschlossen hätten – anstatt neue Vorschläge zu kreieren. Nicht die Politik sei also der SWK gefolgt, sondern die SWK der Politik. 

 

Das stimmt so nicht. Natürlich hat die SWK geschaut, was die Länder bereits an Maßnahmen ergriffen haben, und vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnis ausgewertet: Was davon ist sinnvoll, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? In einem zweiten Schritt sind wir dann aber an vielen Stellen über das hinausgegangen, was die Länder tun. Damit meine ich vor allem unsere Vorschläge zur Gesundheitsprävention und zur Entlastung von Lehrkräften über alternative Unterrichtsformen, die mit weniger pädagogischer Unterstützung funktionieren. Wir haben aber auch empfohlen, jetzt die gesetzlichen Grundlagen für das Ein-Fach-Lehramt in Mangelfächern zu schaffen, um schneller gut ausgebildete neue Lehrkräfte in Mathematik oder Informatik zu erhalten. 

 

Der Bildungsdirektor der Bertelsmann-Stiftung, Dirk Zorn, warf der SWK vor: "Diese Art von Empfehlungen/Beratung hat mit Wissenschaft fast nichts zu tun, aber viel mit einer legitimatorischen Entlastungsfunktion für Politik."

 

Herr Zorn ist bekannt für seine markigen Worte. Mein Eindruck ist: Er und andere Nicht-Wissenschaftler, die ähnliche Kritik geäußert haben, unterschätzen das Selbstbewusstsein eines Gremiums von 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die alle sehr stark darauf pochen, unabhängig zu sein. Die SWK hat einen großen Vorteil gegenüber dem Wissenschaftsrat mit seiner zweiten Kammer. Wir müssen uns nicht immer schon vorab mit der Politik einigen, wir können unsere Empfehlungen allein auf wissenschaftlicher Evidenz basieren – oder aber auf einer aus wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleiteten Plausibilität. Wenn unsere Ergebnisse einmal in Teilen einhergehen mit der politischen Praxis, macht das die SWK nicht zu Sprachrohren der Kultusminister. Politische Entscheidungen und wissenschaftliche Erkenntnisse können sich auch einfach einmal decken. 

 

"Wir alle sind uns einig in unserer Sorge um die Schülerinnen und Schüler. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir uns mit unseren Sorgen nicht auf Kosten der jeweils anderen profilieren." 

 

Sie klingen verstimmt, Herr Köller.

 

Wir alle, die wir uns mit den Bedingungen von Bildung beschäftigen, sind uns ja einig in unserer Sorge um die Schülerinnen und Schüler angesichts von Lehrkräftemangel, sozialen Disparitäten und nachlassenden Leistungen etwa im IQB-Bildungstrend. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir uns mit unseren Sorgen dann nicht auf Kosten der jeweils anderen profilieren. 

 

Am Narrativ einer praxisfernen Wissenschaft wurde auch in der Kultusministerkonferenz selbst gestrickt. KMK-Präsidentin Astrid-Sabine Busse sagte in ihrer ersten Reaktion auf Ihr Gutachten, manche der darin aufgeführten Maßnahmen seien "erst einmal ein Vorschlag aus wissenschaftlicher Sicht, den wir zunächst mit der Schulrealität rückkoppeln müssen." So sage die Wissenschaft zum Beispiel, dass die Klassengröße für die Qualität des Unterrichts kaum einen Unterschied mache – das sehe sie aus der Praxis heraus aber "etwas anders". 

 

Frau Busse ist eine verdiente Lehrerin und war über viele Jahre Schulleiterin in Berlin. Da hat sie ihre Erfahrungen gesammelt mit unterschiedlichen Klassenstärken und -zusammensetzungen. Was sie thematisiert, hat allerdings wenig mit Praxisferne der Wissenschaft zu tun und viel mit dem Unterschied zwischen Politik und Wissenschaft. Wissenschaft argumentiert evidenzbasiert. Es ist gut belegt, dass in einer Bandbreite zwischen 22 und 28 Schülerinnen und Schülern die Klassenstärke keinen Unterschied für den Lernerfolg macht. Politik denkt dagegen in Wählerwillen und Legislaturperioden. Was bedeutet, dass sich nicht jede sinnvolle Maßnahme politisch gewinnbringend argumentieren lässt. 

 

Sie finden es also in Ordnung, wenn die Politik sich erst unbequeme Ratschläge von der SWK wünscht und Sie dann anschließend mit diesen Ratschlägen im Regen stehen lässt?

 

Wie gesagt: Wir geben unsere Empfehlungen nicht als Erfüllungsgehilfen der Politik. Und wir erwarten auch nicht, dass die 16 Länder unserer Empfehlungen dann überall eins zu eins umsetzen. Die Probleme unterscheiden sich ja auch stark von Land zu Land. Unser Ziel ist eine deutschlandweite Debatte über das, was jeweils vor Ort nötig und sinnvoll ist. Und diese Debatte wird in Bayern, wo die Lehrkräfteversorgung noch vergleichsweise gut ist, zwangsläufig eine andere sein als etwa in den östlichen Bundesländern. Schön wäre es natürlich, wenn unsere Empfehlungen so diskutiert würden, wie wir sie gemacht haben. Beispiel Klassenfrequenzen: Wir haben nirgendwo eine Erhöhung des Klassenteilers gefordert…

 

…also die Zahl der Schülerinnen und Schüler, ab der eine zusätzliche Parallelklasse eingerichtet wird…

 

…sondern lediglich darauf hingewiesen, dass es Schulen und Regionen gibt, in denen die gesetzlich vorgegebenen Klassengrößen bei weitem unterschritten werden. Dort sollte geprüft werden, ob eine Zusammenlegung von Klassen möglich ist, ohne die maximal erlaubte Schülerzahl zu überschreiten. Es gibt Gymnasien, die fangen vierzügig mit 120 Schülerinnen und Schülern an, am Ende der neunten Klasse sind dann aber nur noch 80 übrig, die man locker auf drei Klassen verteilen könnte. 

 

"Diese Kritik ist teilweise berechtigt. Wir
hätten stärker differenzieren müssen." 

 

Beruht auch eine andere Kritik an der SWK dann nur auf einem Missverständnis? Der Bildungswissenschaftler Klaus Klemm wirft der SWK vor, sie habe die Teilzeitquote der Lehrkräfte zu hoch angesetzt.

 

Diese Kritik ist teilweise berechtigt. Wir hätten stärker differenzieren müssen. Zwischen den hauptamtlichen Lehrkräften, die in Teilzeit arbeiten, und den stundenweise Beschäftigten, die im Hauptberuf möglicherweise etwas Anderes machen. Wie der Pastor, der Religionsunterricht erteilt. Dann gibt es noch die Referendare, die logischerweise auch nur in Teilzeit unterrichten. Nimmt man die alle raus, liegt die Teilzeitquote nicht bei den im Bericht genannten 47 Prozent, sondern bei 40 Prozent. Und bei diesen 40 Prozent muss man bedenken, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer und unter Lehrkräften der Frauenanteil vergleichsweise hoch ist. 

 

Am Ende aller Relativierungen steht das Ergebnis, dass die SWK Unrecht hat mit ihrer Darstellung, dass Lehrkräfte häufiger in Teilzeit arbeiteten als andere Berufsgruppen.

 

Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass eine hohe Teilzeitquote ein alleiniges Problem von Schule ist, muss man das geraderücken. Das ändert aber nichts an unserer Schlussfolgerung: Jede Stunde zählt. Wenn jede in Teilzeit arbeitende Lehrkraft nur eine Stunde mehr in der Woche unterrichten würde, wäre der Effekt enorm. Pro tausend Lehrkräften entspräche das 40 zusätzlichen Vollzeitstellen. 

 

"Solche Plattformen dürften nicht von Bund

oder Ländern moderiert werden, sondern von einer unabhängigen Einrichtung."

 

Sie sagen: Alle seien sich einig in ihrer Sorge um die Schülerinnen und Schüler, Herr Köller. Trotzdem ist Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger mit ihrem Bildungsgipfel-Vorschlag einer "Taskforce Team Bildung" bei den Kultusministern aufgelaufen. Bedauern Sie das? 

 

Es kommt darauf an, was so eine Taskforce erreichen sollte. Einfach ein weiteres Gremium aufzubauen, vielleicht sogar noch eine Parallelstruktur zur SWK, das hielte ich für wenig zielführend. Eine Taskforce könnte aber sehr wohl sinnvoll sein, wenn sie sich jeweils für eine begrenzte Zeit zur Bearbeitung eines konkreten Themas zusammenfindet. Was sind denn unsere quälenden Probleme zurzeit? Ich würde sagen: Neben dem Lehrkräftemangel die pädagogisch angemessene Digitalisierung im Unterricht und der wachsende Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler. Zu jedem dieser Themen könnte ich mir eine eigene Taskforce vorstellen, die sich damit beschäftigt, wie die vorhandenen Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis in die Umsetzung kommen. Wie müssten die gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse dafür aussehen? Wer sollte was übernehmen? Versteht man eine Taskforce als solche Dialogplattform, könnten darin Bund, Länder, Kommunen, Stiftungen, Unternehmen und Wissenschaft an einem Tisch sitzen. Ganz wichtig: Für jedes der Probleme wären es andere Leute und eine andere Taskforce. Und genauso wichtig: Solche Plattformen dürften nicht von Bund oder Ländern moderiert werden, sondern von einer unabhängigen Einrichtung.

 

Bewerben Sie sich gerade im Namen der SWK?

 

Keineswegs. Ich denke, das müsste eine kleine, privat organisierte Geschäftsstelle sein, die über einen Projektzeitraum von Bund und Ländern gesponsert wird. 

 

Bevor eine Taskforce das Thema Lehrkräftebildung diskutiert, wäre es natürlich gut, wenn die SWK ihre versprochenen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung bald einmal vorlegte. Eigentlich sollten sie schon dieses Jahr kommen, jetzt soll es "Anfang 2024" werden. Bislang war Ihre Kommission mit ihren Stellungnahmen immer erstaunlich schnell. Warum dauert es dann diesmal so lange?

 

Es ist ja nicht so, dass wir sonst keine Aufgaben hätten. Wir organisieren gerade Fachgespräche zum Bildungsmonitoring und zur Evaluation von Förderprogrammen, weil wir da ja im vergangenen Jahr Defizite bei Bund und Ländern festgestellt hatten. Parallel stehen unsere Empfehlungen zur Berufsorientierung an, und unser im Dezember 2022 veröffentlichtes Gutachten zur Grundschule müssen die Länder ja auch erstmal bearbeiten können. Insofern ist es der Wunsch der Kultusminister, und den halten wir für nachvollziehbar, dass wir nur ein großes Gutachten pro Jahr liefern. 

 

Haben Sie der Politik zu viel zugemutet und müssen jetzt auf die Bremse treten?

 

Es geht da nicht nur um die Politik. Ich möchte daran erinnern, dass es sich bei der SWK-Mitgliedschaft um ein Ehrenamt handelt und wir alle einen Hauptjob als Professorin oder Professor haben. Einige leiten wissenschaftliche Institute mit über 200 Mitarbeitenden, das entspricht einem großen mittelständischen Betrieb. Wenn wir jetzt mit unseren Empfehlungen zum Kern unseres Schulsystems kommen, also der Professionalisierung von Lehrerinnen und Lehrern, dann müssen und werden unsere Beratungen dieser Komplexität gerecht werden. Evidenzbasierung und sorgfältige Analyse dauern ihre Zeit. Es geht um noch bessere Prognosen künftigen Lehrkräftebedarfs, es geht um die Untersuchung von Studienfachwechseln, von Abbrüchen in Studium und Referendariat – und um die Frage, warum Lehrkräfte mitten im Berufsleben nicht mehr weitermachen wollen – und wie sie im Studium besser auf Ausnahmesituationen in den Schulen vorbereitet werden können. Wenn wir unser Gutachten dann fertig haben, dauert es übrigens nochmal drei bis fünf Monate, bis wir damit durch alle Gremien der KMK sind. Insofern ist Anfang 2024 ambitioniert, aber machbar. Eines kann Ihnen schon jetzt versprechen: Wir werden wieder für Debatten sorgen. Und das ist gut so. 



Nachtrag am 10. April:

Die Resonanz auf das Blog-Interview mit Olaf Köller war groß. Unter anderem berichteten der Spiegel ("Peinlicher Datenfehler") und Table.Media ("SWK nutzte verzerrte Teilzeit-Daten") über das Eingeständnis des Kommissionsvorsitzenden, die Teilzeitquote unter Lehrkräften verzerrt dargestellt zu haben.

 

"Wir hätten stärker differenzieren müssen", hatte Köller gesagt: "Zwischen den hauptamtlichen Lehrkräften, die in Teilzeit arbeiten, und den stundenweise Beschäftigten, die im Hauptberuf möglicherweise etwas Anderes machen." Als Beispiele nannte der Bildungsforscher "den Pastor, der Religionsunterricht erteilt", und "Referendare, die logischerweise auch nur in Teilzeit unterrichten". Nehme man alle stundenweise Beschäftigten aus der Berechnung, liege die Teilzeitquote nicht bei den im Bericht genannten 47 Prozent, sondern bei 40 Prozent. Und Köller fügte hinzu: "Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass eine hohe Teilzeitquote ein alleiniges Problem von Schule ist, muss man das geraderücken."

 

Jetzt hat die Kommission dies auch offiziell getan. "Nach intensiver Prüfung", teilte die SWK-Geschäftsstelle mit, habe man entschieden, "weitere differenziertere Berechnungen anzustellen" und die Stellungnahme in Hinblick auf die Daten zur Teilzeit von Lehrkräften entsprechend zu aktualisieren. Die Empfehlungen und die übrigen Teile der Stellungnahme blieben aber unverändert, betonte die Geschäftsstelle.

 

Der Erziehungswissenschaftler Klaus Klemm hatte schon früh unter anderem in einem Interview mit der FAZ auf die von der SWK fehlerhaft berechnete Teilzeitquote hingewiesen. Er kritisierte die Kommission: Es sei "schon übel zu suggerieren, dass Lehrer über ein besonderes Privileg bei der Teilzeitarbeit verfügten, woraus dann gefolgert wird, hier könne man durch Einschränkungen leicht mehr Arbeitsstunden herausholen."

 

Köller hatte bereits im Blog-Interview daran festgehalten, dass die nach unten korrigierte Teilzeitquote "nichts an unserer Schlussfolgerung" ändere: Wenn jede in Teilzeit arbeitende Lehrkraft nur eine Stunde mehr in der Woche unterrichtete, "wäre der Effekt enorm. Pro tausend Lehrkräften entspräche das 40 zusätzlichen Vollzeitstellen."


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Kommentare: 3
  • #1

    Ex-Lehrer (Mittwoch, 29 März 2023 16:08)

    Wie leitet Herr Köller so schön ein: "Wir haben in der SWK-Geschäftsstelle mal durchgezählt und sind auf 50 richtig böse E-Mails von Lehrkräften gekommen. Das bedeutet im Umkehrschluss: 800.000 Lehrkräfte hatten nicht das Gefühl, ihren Ärger über uns ausschütten zu müssen."
    Vielleicht hatten die 800.000 auch nicht das Gefühl, sich nachträglich zu etwas äußern zu müssen, nachdem sie vorher sowieso nicht gefragt worden waren? Die Begründung, dass jetzt darüber geredet werde, und das sei entscheidend, ist als Begründung dann doch irgendwie dünn.
    Die Empfehlungen der SWK lesen sich im wirklich überzeugenden Gutachten durchaus differenziert und wurden medial sehr verkürzt, aber vieles ist aus Lehrersicht eben doch (teils sehr) problematisch. Da mag der Wissenschaftler argumentieren, Klassengrößen zwischen 22 und 28 wiesen keine messbaren Unterschiede auf, die Lehrkraft wird das in der Praxis anders erleben. Auf die praktische Umsetzung vieler interessanter Empfehlungen darf man an den Schulen gespannt sein (und kann vermutlich lange warten): Die zahlreichen von Verwaltungsaufgaben entlastenden Kräfte, die Klassenfahrten etc. organisieren, Gelder einsammeln oder Kopien machen, von der IT ganz zu schweigen, bis hin zu "Korrekturassistenten" (= Studierende im Bachelor) für die Oberstufenklausuren.
    Mal sehen, was in fünf Jahren davon an der Basis angekommen ist... Die Hoffnung, sie stirbt bekanntlich zuletzt.

  • #2

    emob (Mittwoch, 29 März 2023 18:03)

    @Ex-Lehrer: Ich kann mir vorstellen, dass Lehrkräfte kleinere Klassen angenehmer erlebt werden, letztlich ist die Betreuung von 6 weniger Kindern doch weniger Arbeit und erlaubt ein konzentrierteres und weniger stressiges Arbeiten (das ist nicht als Vorwurf gemeint, man kennt es ja slebst aus dem Alltag, niemand arbeitet dauerhaft gerne unter Vollast), aber wenn es sich empirisch nicht auf den Lernerfolg auswirkt, dann sollte man das auch nicht als solchen Königsweg dahin diskutieren, aber das passiert häufig und wird von der Politik & Lehrerverbänden gerne so verkauft. Dann sollte man es ehrlicherweise auch als eine Möglichkeit diskutieren die Lehrkraft zu entlasten.

  • #3

    Ex-Lehrer (Donnerstag, 30 März 2023 15:45)

    @emob: Diese Empfehlung ist auch durchaus in Ordnung, wenn man dem großen Lehrkräftemangel begegnen möchte. Es geht dann aber um zähneknirschende Kompromisse. Das trifft auf viele der Punkte zu, aber meiner Erfahrung nach liegt das Problem eher in der Art und Weise:
    Empfehlungen von außen treffen auf praktische Erfahrung, die als "Bauchgefühl" beiseite gewischt wird. Wenn es nur danach geht, die Situation irgendwie zu bewältigen, sollen die Kultusministerien den Empfehlungen (bzw. früheren Erfahrungen oder anderen Bundesländern) folgen, aber einige der Punkte werden an Schulen schlicht kaum Entlastung bringen oder sich ohne weiteres umsetzen lassen. Keine Lehrkraft mit Oberstufenerfahrung (und auch niemand im Didaktikbereich der Unis) konnte sich in Gesprächen vorstellen, die Korrektur von Oberstufenklausuren durch Erstsemester machen zu lassen, aber wenn das gewollt ist, soll man es eben machen.