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Mini-Revolution an der TU Berlin? Profs könnten ihre Macht verlieren – ein wenig

Seit einem Jahrzehnt streitet die TU darüber, die Macht der Professoren zu brechen. Nun könnte es bei der Wahl des Präsidiums eine Mini-Revolution geben.

Hauptgebäude der TU Berlin. Foto: Gunnar Klack / flickr.

ZEHN JAHRE, nachdem der Streit an der Technischen Universität (TU) Berlin um die sogenannte Viertelparität mit einem Paukenschlag einen Höhepunkt erreichte, könnte er mit einem Kompromiss enden.

 

Der Paukenschlag im Mai 2013: Der Erweiterte Akademische Senat (EAS) votierte mit 31 zu 25 Stimmen dafür, die Professorenmehrheit abzuschaffen. Sie gilt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) von 1973 bundesweit und besagt, dass bei allen Grundsatzentscheidungen, die die Lehre betreffen, Professoren mindestens die Hälfte der Stimmen haben müssen. Bei Entscheidungen, die unmittelbar Forschung und Berufungen berühren, sogar die absolute Mehrheit.

 

Doch der EAS entschied vor zehn Jahren: Künftig sollten alle vier sogenannten Statusgruppen – Professoren, Studierende, wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter genau die gleiche Stimmenzahl haben – und eine Mehrheit im Gremium bei allen Themen unabhängig von den Profs möglich sein. Bundesweit einmalig.

 

Doch war die "Revolution", die etwa die taz in dem Vorgang sah, nur von kurzer Dauer: Der Beschluss wurde als rechtswidrig kassiert.

 

Die Zeit verging, die Debatte um mehr Mitbestimmung an der TU wogte mal hierhin, mal dorthin. Bis der damalige TU-Präsident Christian Thomsen und der wissenschaftliche Mitarbeiter Franz-Josef-Schmitt, lange Befürworter der EAS-Viertelparität, 2017 einen Kompromissvorschlag vorlegten: ein neues Gremium, das Wahlkonvent, das nur alle paar Jahre zur Wahl des Präsidiums zusammenkommt – und in dem alle vier Statusgruppen die gleiche Macht haben.

 

Fast erleichtert und mit 40 zu 11 Stimmen vergleichsweise eindeutig stimmten die EAS-Mitglieder dafür, den Vorschlag auszuarbeiten. Innerhalb von vier Monaten.

 

Der entscheidende Teilbeschluss könnte bald anstehen

 

Tatsächlich dauerte es noch sechs Jahre, viele Gremiensitzungen und Abstimmungen, angedrohte und vollzogene Klagen, rechtliche Prüfungen, Kompromisse und manches Vor und Zurück. Bis es jetzt, Anfang Juni 2023, an der sonst so offen streitbaren TU Berlin ganz still geworden ist vor gespannter Erwartung.

 

Egal ob bisher Befürworter oder Skeptiker in Sachen Viertelparität: Auf Presseanfragen heißt es derzeit meist, man sei zu beschäftigt, auf Konferenzen oder – ehrlicher – man wolle jetzt schlicht nicht reden, um die Beschlussfindung nicht durch erneute öffentliche Debatten zu überlagern. 

 

Denn schon nächste Woche steht im EAS der womöglich entscheidende Teilbeschluss zur Einrichtung des viertelparitätischen Wahlkonvents an. Die endgültig vollzogen wäre, sobald die geplante umfassendere Novelle der TU-Grundordnung durch ist. Die wiederum durch das neue Berliner Hochschulgesetz notwendig wurde.

 

Ein Kompromiss, der beide Seiten verbindet?

 

Warum es jetzt tatsächlich klappen könnte? Weil von der vermeintlichen Revolution von einst eine Reform übrig geblieben ist, die beides miteinander verbindet: mehr Mitspracherecht für alle, aber ohne die 50 Jahre alte Rechtsprechung des Verfassungsgerichts auf den Kopf zu stellen. Denn alle Grundsatzfragen sollen weiter in den klassischen Gremien, in denen die Professorenmehrheit gilt, geklärt werden.

 

Nur die Präsidiumswahlen gingen in das neue Wahlkonvent, in dem die Viertelparität gelten soll. Hinzu kommt, dass die Kandidaten im Wahlkonvent erst zur Wahl stehen dürften, nachdem sie der (weiter mehrheitlich mit Professoren besetzte) Senat nominiert hat. Kandidaten vorschlagen dürfte außerdem noch das extern besetzte Kuratorium.

 

Von der Berliner Landesregierung gab es schließlich noch die Auflage, dass bei mehreren Wahlgängen im letzten kein Mindestquorum vorgesehen sein darf, also ein Wahlerfolg dann nicht mehr davon abhängig sein darf, dass mindestens drei Mitglieder jeder Statusgruppe zustimmen. Blockierende Konstellationen im Wahlverfahren seien nicht zulässig, betonte die damalige Wissenschaftsstaatsekretärin Armaghan Naghipour.

 

Dass auch diese – für Außenstehende eher technische Frage – an der TU zu langen Diskussionen führte, zeigt, wie hochsymbolisch die ganze Angelegenheit für die Hochschule immer noch ist. Hierzu soll nun abgestimmt werden.

 

Widerstände aus der Professorenschaft sind noch da

 

Und so ist – trotz der doch nur noch sehr beschränkten Ausweitung der Mitbestimmung – das Wahlkonvent immer noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Widerstände aus Teilen der Professorenschaft sind noch da, auf der anderen Seite gibt es Vorkämpfer der Viertelparität, denen das neue Gremium wie ein Trostpflaster erscheint.

 

Und dann ist da das Präsidium um die im vergangenen Jahr ins Amt gekommen Geraldine Rauch, die eine Befürworterin von mehr nichtprofessoraler Mitbestimmung ist, nach einem Jahrzehnt aber auch mal einen Haken an die Sache machen möchte.

 

Kontrovers diskutiert wird unterdessen die künftige Amtszeit der TU-Präsidentin oder des TU-Präsidenten. Bislang sind es vier Jahre, eine Verlängerung auf sechs Jahre steht im Raum, doch fehlt dafür derzeit wohl die Mehrheit. Die wiederum bereits zu stehen scheint für die Forderung, dann im Gegenzug die Wiederwahlmöglichkeit für den Spitzenjob zu begrenzen.

 

Der Rest der Hochschulrepublik wird anders als 2013 nur noch mit mäßigem Interesse zuschauen. Denn eine Viertelparität – unter Beachtung der Professorenmehrheit bei allen wichtigen Fragen – existiert auch anderswo längst, etwa in Thüringen, wo sie seit 2018 für alle Hochschulgremien gilt. Und prompt eine Verfassungsbeschwerde von Professoren auslöste, über die das BVG bis heute nicht entschieden hat.

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel.


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Kommentare: 3
  • #1

    hmm (Freitag, 09 Juni 2023 09:18)

    Seltsam, dass beim Thema "Professorenmehrheit bei Entscheidungen bez Forschung und Lehre" fast immer nur von Macht die Rede ist, als ob es sich ganz simpel nur darum handeln würde, dass eine bestimmte Gruppe die Macht und damit verbundenen Privilegien nicht aufgeben wolle. Professoren besitzen die Mehrheit in solchen Fragen, weil es auf hinreichende fachliche Kompetenz ankommt. Es wäre schön und würde solchen Blogeinträgen vielleicht etwas mehr Tiefe und Ausgewogenheit verleihen, wenn einmal die Gründe dargestellt würden, warum das BVG der Meinung ist, dass es eine Professorenmehrheit in gewissen Fragen geben muss. Vielleicht hat es ja was mit fachlicher Kompetenz zu tun.

  • #2

    Ahem! (Dienstag, 13 Juni 2023 08:27)

    Seltsam dagegen das tautologische "hmm": Professor:innen besitzen die "Mehrheit in solchen Fragen" nicht wegen ihrer "hinreichenden fachlichen Kompetenz", sondern weil das BVG so geurteilt hat. Die Gründe für dieses Urteil lassen sich unter dem ersten verlinkten Artikel nachlesen.
    Schon ist der ganze Spuk von Sein und Sollen gelöst!

  • #3

    hmm (Freitag, 16 Juni 2023 00:26)

    @Ahem!
    Vielleicht lesen Sie den verlinkten Artikel noch einmal und suchen nach der Begruendung des Gerichts. Dann finden Sie
    nachstehendes, siehe unten, u.a.: HERAUSGEHOBENE QUALIFIKATION der Hochschullehrer. Hinzu kommen noch die Aspekte: Verantwortung und Dauer der Zugehoerigkeit. All dieses gilt uebrigens nach wie vor.

    Freundliche Gruesse, gern geschehen.

    **********************
    Ins Zentrum rückte die Frage nach der besonderen Stellung der "Hochschullehrer": Aufgrund ihrer herausgehobenen Qualifikation, Funktion und Verantwortung sowie der Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Universität und ihrer Betroffenheit habe der Gesetzgeber zu gewährleisten, dass dieser Gruppe "ein über ihr zahlenmäßiges Gewicht wesentlich hinausgehender Einfluß auf die Willensbildung in den Organen" eingeräumt werde.

    Damit noch nicht genug: Das "Wie" wurde keineswegs dem Gesetzgeber überlassen, sondern präventiv vom Bundesverfassungsgericht weiter konkretisiert. Bei allen Entscheidungen, die unmittelbar die Lehre betreffen, müssen die Hochschullehrer seitdem über 50 Prozent der Stimmen verfügen. "Bei Entscheidungen, die unmittelbar Fragen der Forschung oder die Berufung der Hochschullehrer betreffen, muß der Gruppe der Hochschullehrer ein weitergehender, ausschlaggebender Einfluß vorbehalten bleiben", bestimmten die Richter zudem – also mindestens 51 Prozent.

    Außerdem wurde das Postulat der "homogenen" Zusammensetzung der Gruppe der "Hochschullehrer" entwickelt. Die Position der Hochschullehrer sollte nicht durch Aufnahme anderer Wissenschaftlicher Hochschulmitglieder verwässert werden, die die Qualifikation nicht erfüllten: Habilitation oder ein sonstiger Qualifikationsbeweis und selbständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre .