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Personalkrise in Kitas stellt selbst Lehrkräftemangel in den Schatten

Eine schnelle Lösung zeichnen sich nicht ab. Ein erster Schritt wäre aber, die Krise in den Kitas genauso ernst zu nehmen wie die in den Schulen. Die deutsche Bildungsmisere nimmt dort ihren Anfang.

Foto: Pxfuel.com, CC0.

ES SIND DIE ZAHLEN eines beachtlichen gesellschaftspolitischen Erfolgs. Und zugleich Anzeichen einer Personalkrise, die den viel diskutierten Lehrkräftemangel locker in den Schatten stellt.

 

2022 arbeiteten in Deutschlands Kitas inklusive Leitung rund 722.000 Erzieherinnen und Erzieher, ein Anstieg um satte 55 Prozent – oder 258.000 Personen – gegenüber 2012. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Kitas um 7.300 auf über 59.000, die der betreuten Kinder um 690.000 auf 3,85 Millionen. Was – nebenbei bemerkt – bedeutet, dass sich der Betreuungsschlüssel sogar verbessert hat. Nachlesen kann man die Zahlen im neuen "Fachkräftebarometer Frühe Bildung", das alle zwei Jahre von der "Weiter­bildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte" am Deutschen Jugendinstitut und an der Technischen Universität Dortmund erstellt wird. Sie sind ein Beleg dafür, welches Veränderungspotenzial eine politische Zielsetzung – die Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige 2013 – entfalten kann. 

 

Nur zeigt die Analyse genauso eindrucksvoll, dass selbst dieses dramatische Personalwachstum nicht ausreicht, um den Bedarf zu befriedigen. Trotz 44 neugegründeten Fachschulen für Sozialpädagogik in den vergangenen zwei Jahren: Das Ausbildungssystem stoße an Kapazitätsgrenzen, warnen die Forscher:innen. Es fehlt an Räumlichkeiten und Lehrkräften für die angehenden Fachkräfte. Und trotz deutlich gestiegener Gehälter und kaum noch befristeter Arbeitsverträge: Die Kitas würden noch deutlich mehr Kräfte einstellen, aber sie können es nicht. Die Arbeitslosenquote unter Erzieher:innen ist mit 1,1 Prozent quasi nicht mehr existent. Auf 100 freie Stellen kommen 62 arbeitslos Gemeldete. "Weggeschmolzen" sei das Arbeitskräftereservoir.

 

Die nächste Herausforderung
kommt erst noch

 

Und dabei steht die nächste große Herausforderung erst noch bevor: Von 2026 an gilt der nächste Rechtsanspruch: für Ganztagsbetreuung in der Grundschule, was bedeutet, dass die Schulen nochmal verstärkt in den Wettbewerb um pädagogische Fachkräfte einsteigen. 

 

Der Bund unterstützt die Länder über das Kita-Qualitätsgesetz in den nächsten zwei Jahren mit weiteren vier Milliarden Euro, während Experten seit langem fordern, die Kitas als Orte der frühkindlichen Bildung zu stärken. Doch droht in der Realität durch die Personalnot vielerorts das Gegenteil: die Sicherstellung der Betreuung als oberste Priorität. Der Ausbau der kindheitspädagogischen Studiengänge stockt derweil, die ohnehin geringe Zahl der jährlichen Bachelorabsolventen geht seit 2019 sogar zurück. Auf bundesweit gerade noch 2.162.

 

Schnelle Lösungen zeichnen sich nicht ab. Doch ein erster Schritt wäre, die Krise in den Kitas in Medien und Öffentlichkeit endlich genauso ernst zu nehmen wie die Krise in den Schulen. Die deutsche Bildungsmisere nimmt dort ihren Anfang. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.



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