Wie wir mit einem Forschungsdatengesetz die Wissenschaft in Deutschland stärken könnten. Ein Gastbeitrag von Ruppert Stüwe.
Ruppert Stüwe ist SPD-Bundestagsabgeordneter. Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist er als Berichterstatter unter anderem für die Gesundheitsforschung, die Digitalisierung und Forschungsdateninfrastrukturen zuständig. Foto: Fionn Große.
DEUTSCHLAND INVESTIERT jährlich rund 100 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Das sind knapp ein Drittel aller FuE-Investitionen in der Europäischen Union. Um der Wissenschaft hierzulande aber beste Bedingungen für ihre Forschung, Aufklärung und Bildung zu bieten, braucht es mehr als Geld. Die Wissenschaft braucht einen funktionierenden und diskriminierungsfreien Zugang zu Daten. Mit dem anstehenden Forschungsdatengesetz muss daher Klarheit und Sicherheit für alle Beteiligten entstehen, damit Daten für die Forschung bereitgestellt und unter Forscher:innen genutzt werden können.
Eine Ermöglichungskultur
für Forschungsdaten
Gemeinwohlorientierter Forschung sollte nur in gut begründeten Ausnahmefällen der Zugang zu Daten verwehrt bleiben. Absehbare Grundrechts- und Urheberrechtsverletzungen, die Gefährdung behördlichen Geheimschutzes sowie unternehmerische Betriebsgeheimnisse zählen hierzu. Das reicht aber immer noch nicht! Mit dem Gesetz muss ein Kulturwandel Einzug halten, in dem Forscher:innen aktiv geholfen wird, Daten für den wissenschaftlichen Fortschritt nutzen zu können. Dazu gehört, den Betrieb von Forschungsdatenzentren zur Pflichtaufgabe für mehr Behörden zu machen und die vorhandenen Register konsequent für die Forschung zu öffnen.
Umgekehrt sollte öffentlich geförderte Forschung ihre Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich machen. Von der Öffentlichkeit bereitgestellte Daten – einmal für privatwirtschaftliche Zwecke verwendet – dürfen im Regelfall nicht verschlossen bleiben oder nur gegen Gebühren rückveräußert werden. Vor allem aber muss das Forschungsdatengesetz ein Nullsummenspiel zwischen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Verwertungsabsichten verhindern – etwa indem es die Entwicklung von Standardverträgen für gemeinsame Forschungsvorhaben mit der Industrie vorgibt. Auch sollten Embargofristen für wissenschaftliche Veröffentlichungen verkürzt werden. Denn wenn öffentliche Forschung ihren substanziellen Beitrag leistet, darf sie in ihren Veröffentlichungsabsichten nicht unter eventuellen privatwirtschaftlichen Verwertungsabsichten leiden.
Eine Treuhänderschaft für die
öffentliche Forschung aufbauen
Was aber nutzt der beste gesetzliche Anspruch auf Daten für die Forschung, wenn (potenzielle) Datengeber und Nutzer: innen keine Unterstützung erhalten, um zueinander zu finden und Vertrauen aufzubauen? Angesichts der weiträumig verteilten Daten in unserem föderalen System, der Themenvielfalt in Forschung und Gesellschaft und der rechtlich komplexen Gemengelage brauchen wir Institutionen, die die Beteiligten unterstützen und Klarheit verschaffen. Diese Institutionen sollten mehrere Aufgaben erfüllen:
1. Eine Informationsplattform für Daten
In Deutschland werden vielerorts forschungsrelevante Daten erhoben, oftmals sind diese aber nur schwer zu finden. Daher brauchen wir Informationsbroker wie die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), die Hinweise auf Datensätze und deren Eigenschaften sammeln und für die Forschung sichtbar machen. Denkbar wäre, dass solche Strukturen sowohl im Rahmen der NFDI als auch beim Dateninstitut entstehen.
2. Den Datentransfer rechtlich und institutionell absichern
Eine Treuhänderschaft sollte rechtlich befähigt werden, eine zeitnahe Bereitstellung von Daten für die Forschung sicherzustellen. Denn Forscher:innen sollten in ihren Anfragen um Zugang zu Daten nicht ignoriert oder hingehalten werden können. Gleichzeitig müssen diejenigen, die Daten bereithalten, auf Unterstützung zählen können. Denn wer Daten bereitstellt, hat ein Recht darauf zu erfahren, wofür die Daten in einem Forschungsanliegen konkret genutzt werden. Dass ein solch konkretes Anliegen rechtmäßig ist, muss die Treuhänderschaft prüfen und garantieren können. Aber auch die weitere Nutzung von Daten muss der Wissenschaft gewährt werden. Denn Forschung ist ein prinzipiell nie abgeschlossener Such- und Erkenntnisprozess. Die weitere Nutzung ließe sich durch kurze Nachanträge bei der Datentreuhänderschaft bewerkstelligen. Schließlich brauchen diejenigen, die Daten bereithalten, Unterstützung und Anleitung, wie diese Daten kuratiert werden müssten, damit sie sicher und verantwortungsvoll genutzt werden können.
Eine Forschungsdateninfrastruktur
jenseits der Projektförmigkeit etablieren
Deutschlands Wissenschaftler:innen haben in den vergangenen Jahren ihre Datenkompetenzen und IT-Infrastrukturen erweitert. Allerdings auf der Basis von Projekten, wie der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur oder – beispielsweise in der Gesundheitsforschung –der Medizininformatikinitiative oder dem Netzwerk Universitätsmedizin. Ein datenintegratives System, in dem Forschungsdaten auf sicherem Wege vernetzt werden, braucht eine auf Dauer gestellte und hervorragend finanzierte Infrastruktur. Was zeigt: Beste Bedingungen für Wissenschaft brauchen zwar mehr als Geld. Aber genügend Geld und eine verlässliche Finanzierung brauchen sie eben auch.
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