Nächste Woche Freitag wollen Bund und Länder das Milliardenprogramm besiegeln. Der Optimismus ist groß – doch verlangen die Kultusminister zunächst noch Fortschritte bei einem anderen Großvorhaben.
ES GAB SCHON viele wichtige Tage in den scheinbar unendlichen Bund-Länder-Verhandlungen um das geplante Startchancen-Programm. Diesen Mittwoch ist ein weiterer. Die Staatssekretäre von Bund und Ländern konferieren, um den Haken dranzumachen an den Vertragsentwurf, den – wenn alles nach Plan läuft – die Kultusminister und BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) kommende Woche Freitag unterzeichnen sollen.
Und tatsächlich schien zuletzt alles nach Plan zu laufen. So dass sogar Bayern und Sachsen, die dem BMBF lange am stärksten Contra gegeben hatten, signalisierten: Dem Vertrag an sich würden sie wohl zustimmen können. Es gebe in wichtigen Fragen weiteren Verhandlungsbedarf, doch keiner der verbliebenen Dissense werde als unüberwindbar angesehen. Allerdings bleibt ein gewichtiges Aber. Dazu gleich mehr.
Die Verhandlungsführer von Bund und vier Bundesländern hatten sich nach der wenig glücklichen Präsentation der Startchancen-Eckpunkte im September aber auch alle Mühe gegeben. Wie vereinbart hatten sie kurz vor Weihnachten allen Ländern ihren gemeinsamen Textvorschlag geschickt. Nach wochenlanger Detailarbeit zum Ausbuchstabieren der Eckpunkte, die bereits in nicht weniger mühevollen und vor allem langwierigen Runden entstanden waren. Anders als im September hatte man geschworen, den übrigen zwölf Ministerien diesmal genügend Zeit zum Prüfen, zum Nachfragen, zum Konkretisieren und Nachbessern zu geben.
Seit Anfang des Jahres hatten die Fachleute der Ministerien deshalb erst bei einem zweitägigen Workshop im Berliner KMK-Sekretariat zusammengesessen, dann hatten die Amtschefs sich per Videoschalte zusammengefunden. Und dabei einen Diskussionspunkt nach dem anderen abgearbeitet. Die wichtigsten und zum wiederholten Male diskutierten: Was genau zählt denn nun in die vereinbarte Kofinanzierung durch die Länder in Höhe von einer Milliarde pro Jahr? Und nachdem die Verhandlungen sich jetzt so hingezogen haben, wie lässt sich der für August 2024 geplante Start des Programms trotzdem hinbekommen – selbst wenn noch nicht überall alle Teilnahmeschulen bestimmt sein sollten und die wissenschaftliche Begleitung noch nicht steht?
Welche Digitalpakt-Zusicherung verlangen
die Länder von Stark-Watzinger?
Mögliche Fallstricke, da ist man sich im Länderlager offenbar einig, dürften bis zur Sondersitzung der Kultusminister mit ihrer Bundeskollegin am 2. Februar voraussichtlich nicht mehr im finalen Startchancen-Vertragstext liegen, sondern in der Frage, wie es mit dem zweiten großen Bildungsprogramm weitergeht: dem Digitalpakt, der bereits Mitte 2024 ausläuft. Hier schleppten sich die Verhandlungen seit Ende 2022 ohne substanzielle Fortschritte dahin, weshalb viele Länder Kalkül vermuteten: Hat die Bundesregierung nur noch das Geld für die Startchancen, und wenn die vereinbart sind, dann platzt die Fortsetzung des Digitalpakts? Der, da sind sich die Kultusminister einig, für die Schulen nicht weniger wichtig ist als die Startchancen.
Im vergangenen Sommer schien der Konflikt zwischen Bund und Ländern zu eskalieren, Stark-Watzinger beschwichtigte und versicherte mehrfach öffentlich, natürlich wolle sie auch den Digitalpakt 2.0 und werde sich vehement dafür einsetzen. Woraufhin die Kultusminister von SPD und Grünen die Rhetorik ebenfalls herunterdimmten, in der Sache aber nah dran blieben an der Ansage mehrerer CDU-Kultusminister: Ohne Digitalpakt-Zusage keine Startchancen. Selbst wenn man sich bei der Startchancen-Vereinbarung selbst einig sein sollte.
Die Frage, die sich seitdem stellte: Was für eine Zusicherung genau fordern die Länder eigentlich? Worauf wollen vor allem die beiden Länder hinaus, die von vornherein am skeptischsten gegenüber den Startchancen waren (weil sie am wenigsten davon profitieren?): Bayern und Sachsen. Denn klar ist schon länger: Eine rechtsverbindliche Zusage in Form einer finanzwirksamen Entscheidung des Bundeskabinetts werden sie nicht bis Anfang Februar bekommen. Aber ein bisschen mehr als in Zeitungsinterviews oder Pressemitteilungen verkündete Versprechungen Stark-Watzingers, sich einzusetzen, müsste es schon sein, ist aus mehreren Ländern mit Unionsregierung zu hören.
Was jetzt im Raum steht: Das BMBF könnte als Teil der Startchancen-Vereinbarung eine entsprechende Protokollerklärung abgeben – oder einen Letter of Intent ("Wir machen das mit dem Digitalpakt") an die Länder verschicken. Das wäre das eine. Wobei darauf wohl nicht einmal alle CDU-regierten Länder bestehen würden.
Das Zweite: Am 30. und 31. Januar trifft sich BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring mit sechs Länderkollegen zur Digitalpakt-Verhandlungsklausur. Dabei müssten, so lautet die Forderung aus dem gesamten Länderlager, gewichtige Fortschritte erreicht werden.
Worin die wiederum bestehen könnten? Derzeit gibt es nur einen Länderentwurf zum Digitalpakt 2.0 aus dem vergangenen Juli und einen Gegenentwurf des Bundes aus dem November. Als Ergebnis der Klausur Ende Januar sei eine Synopse beider Fassungen mit einer dritten Spalte nötig, die wichtige Streitpunkte behandelt: wiederum die Anrechenbarkeit von Länderleistungen auf ihren Finanzierungsanteil, gemeinsame inhaltliche Programmziele, Modalitäten für den Verwaltungsvollzug.
"Wir brauchen das Startchancen-Programm UND den Digitalpakt 2.0", sagt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig auf Anfrage. Als neue sogenannte "A-Koordinatorin" spricht sie für die Bildungspolitik der SPD-regierten Länder. Die bei der Digitalisierung erreichten Fortschritte müssten unbedingt erhalten und ausgebaut werden, so Hubig. "Die Signale der Bundesbildungsministerin sind ein Bekenntnis zu einem neuen Digitalpakt. Zentral bleiben jetzt das Volumen, die Laufzeit und die Anteile der Kofinanzierung."
Der 30. und 31. Januar sind jetzt
die wirklich spannenden Verhandlungstage
Bundesministerin Stark-Watzinger war zuletzt ihrerseits in einem Interview für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in die Offensive gegangen. "Ich bekenne mich klar zum Digitalpakt 2.0 ab 2025. Aber bevor wir als Bund neues Geld in die Hand nehmen, müssen die Mittel aus dem ersten Digitalpakt genutzt werden", mahnte Stark-Watzinger – eine Aussage, die in den Ländern als taktischer Winkelzug gesehen wird.
Denn tatsächlich sind die fünf Milliarden aus dem Basis-Digitalpakt 1.0 zu weit über 90 Prozent bereits gebunden, wie das BMBF zuletzt selbst positiv hervorhob. Hinzu kommt: Zwar können die Länder nur noch bis Mitte 2024 Gelder aus der ersten Paktrunde beantragen, zum Ausgeben bleibt ihnen aber laut Vereinbarung bis Ende 2025 Zeit. Wie gut ihnen das gelingt, hängt jetzt vor allem von der Leistungsfähigkeit der kommunalen Verwaltungen sowie von Bau- und Handwerksbetrieben ab.
Weitere Voraussetzungen, die Stark-Watzinger im RND-Interview nannte, dürften hingegen auf Zustimmung in vielen Ländern stoßen: dass als Lektion aus dem ersten Digitalpakt dessen Fortsetzung weniger bürokratisch sein müsse, die Fortbildung der Lehrer und die Wartung der Geräte einbeziehen müsse. Die Forderung der Ministerin, die Kommunen miteinzubeziehen, dürfte in der Konkretisierung dagegen noch zu einigen Verhandlungsrunden führen.
Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die neue Koordinatorin der CDU-geführten ("B-")Länder, sagt: "Wir sind beim Startchancen-Programm endlich auf der Zielgerade, brauchen aber mit Blick auf die sehr bürokratische Ausgestaltung und den zu engen Zeitplan für einen gelingenden Start zum Schuljahr 2024/25 ein weiteres Entgegenkommen des Bundes." Im Übrigen erwarteten die Länder bei den Digitalpakt-Verhandlungen, "die auch schon mehrere Jahre andauern, substanzielle Fortschritte vor der Sonder-KMK am 2. Februar".
Insofern könnten der 30. und 31. Januar, die Tage, an denen die Verhandlungen um den Digitalpakt 2.0 endlich in die heiße Phase gehen sollten, die wirklich spannenden werden auch in Hinblick auf die Startchancen. Am 2. Februar dann, wenn sich die Minister treffen wollen, gibt es Klarheit. So oder so.
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