Die schier unendliche Geschichte der DATI-Gründung hat ihr nächstes Kapitel erreicht. Inzwischen ist auch die Besetzung der Agenturspitze um Monate verzögert. Was dahintersteckt, warum es aber im April endlich vorangehen könnte: ein aktueller Überblick.
Bild: NoName_13 / Pixabay.
DIE GESCHICHTE DER DATI ist eine Geschichte der Verspätungen. Das muss nichts Schlechtes sein, wenn am Ende das Ergebnis stimmt: die Gründung einer neuartigen Bundesagentur für die Förderung von Transfer und Innovation aus den deutschen Hochschulen heraus, ausgestattet mit strategischen und unternehmerischen Freiheitsgraden, wie sie für eine staatliche Behörde ein Widerspruch in sich erscheinen – gäbe es nicht mit der SPRIND, der Bundesagentur für Sprunginnovationen, eine Art Role Model. Obgleich deren Freiheitskampf auch bis vier Jahre nach der Gründung gedauert hat (und nach Meinung mancher Experten immer noch mit einem Teilsieg der staatlichen Bürokraten endete).
Teil 1 der Geschichte der DATI-Verspätungen zog sich vom März 2022, als der wenig später im Zorn zurückgetretene Ex-BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger (FDP) seinen ersten "Grobkonzept" genannten Entwurf zur Agentur-Gestaltung vorlegte, bis hin zum November 2023, für den Sattelbergers Nachfolger Mario Brandenburg (ebenfalls FDP) die Kabinettsbefassung des unter seiner Regie völlig neu ausgearbeiteten Konzepts angestrebt hatte. Das Novemberziel stand noch in einer auf den 27. September 2023 datierten "internen Arbeitsversion" des Papiers (das übrigens bemerkenswerte Ansätze hatte), doch bis heute ist die Endfassung nicht im Kabinett aufgetaucht. Womit sich Teil 2 der DATI-Verspätungen jetzt schon wieder auf vier Monate summiert.
Parallel dazu verzögert sich auch die Ausschreibung für den wissenschaftlichen Chefposten der DATI weiter, den die erst im Herbst 2023 einberufene Gründungskommission als eine ihrer Kernaufgaben bereits Anfang Januar diesen Jahres beschlossen hat. Zunächst hieß es, die Ausschreibung könne erst veröffentlicht werden, nachdem der – verspätete – Bundeshaushalt für 2024 stehe. Doch den hat der Bundestag bereits am 2. Februar verabschiedet. Und jetzt? Was die Kommissionsmitglieder wissen: Ihre für Montag, den 11. März geplante Sitzung, die ursprünglich ihre letzte sein sollte, wurde von einem Präsenz- in einen Onlinetermin umgewandelt, wohl weil die gewichtigen Inhalte fehlen. "Aufgrund der absehbar gewordenen zeitlichen Streckung der Arbeiten der Gründungskommission bestand Einvernehmen dahingehend, dass weitere Sitzungen vereinbart werden", teilt das BMBF auf Anfrage mit.
Warum aber die erneute zeitliche Streckung, vulgo weitere Verzögerung? Hintergrund ist dem Vernehmen nach Ärger in der Koalition, der kurz nach der offiziellen Bekanntgabe des DATI-Standorts angefangen hat. Kurz vor Weihnachten hatte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) entschieden, dass Erfurt Sitz der Agentur werden sollte. Damit folgte sie einer von der Gründungskommission in geheimer Abstimmung aufgestellten Vierer-Shortlist, auf deren Platz 1 die thüringische Landeshauptstadt gestanden haben soll. Dass es Erfurt wurde, hatte wiederum mit den Kriterien – unter anderem zentral gelegen, strukturschwache Region, bevorzugt Ostdeutschland, guter Bahnanschluss, Hochschulnähe – zu tun, die intern vom BMBF vorgegeben waren. Fühlten sich das Kanzleramt und/oder andere in der Ampelkoalition unzureichend einbezogen? Was tief blicken ließe angesichts der bewusst wissenschaftsbasierten Entscheidung zum Standort.
Irgendwer in der Ampel hat
kräftig auf die Bremse getreten
Das Ministerium von Stark Watzinger sagt lediglich, man befindet sich "in einem produktiven Austausch" innerhalb der Bundesregierung, der kontinuierlich weitergeführt werde, "um auch die anstehenden Arbeitsschritte in guter Zusammenarbeit gemeinsam umzusetzen". Fest steht allerdings: Noch in der Pressemitteilung vom 21. Dezember 2023, in der Stark-Watzinger die Standort-Entscheidung für Erfurt verkündete, hatte sie mitgeteilt, "in Kürze "werde nun auch die DATI-Geschäftsführung ausgeschrieben. Doch hat sich kurz danach die Reihenfolge der weiteren Entscheidungsabläufe geändert.
Das BMBF stellt den Hergang so dar: "Die Ausschreibung der Stelle für die wissenschaftliche Geschäftsführung der DATI soll mit einem Anforderungsprofil einhergehen, das konkret auf die Konzeption der Agentur Bezug nimmt. Entsprechend wurde der Zeitpunkt für die Stellenausschreibung mit der beim Prozess der Kabinettsbefassung erfolgenden inhaltlichen Abstimmung der Bundesregierung zum DATI-Konzept synchronisiert." Mit anderen Worten: Es geht jetzt erst weiter, wenn alle in der Bundesregierung ihr grünes Licht gegeben haben. Irgendwer hat kräftig auf die Bremse getreten. Mit dem Ergebnis, dass der Frust in der bislang so motiviert und konstruktiv zu Werke gehenden Gründungskommission zuzunehmen droht.
Jetzt soll das Konzept "im April" ins Kabinett gehen, ist zu hören, was immerhin absehbar wäre – allerdings klang die interne Planung "im November" vor einem halben Jahr auch recht überzeugend. Und selbst wenn der Termin klappt, hieße das: Es wird mindestens Sommer werden, bevor die DATI endlich ein Gesicht hat, eine Person, die öffentlich für sie steht und eintreten kann. Was noch immer nicht gleichbedeutend mit der Gründung ist. Zum Vergleich: SPRIND-Direktor Rafael Laguna de la Vera wurde im Juli 2019 berufen, doch die offizielle Gründung der Agentur dauerte nochmal fünf Monate bis Dezember 2019.
Überträgt man diese Zeitabläufe auf die DATI, so blieben der Agentur und ihrem neuen Chef/ihrer neuen Chefin nach Gründung noch zehn Monate bis zur nächsten Bundestagswahl. Und ihr erster richtiger Haushalt fiele in ein Jahr, das schon jetzt absehbar von wahrhaft empfindlichen Einschnitten im Bundeshaushalt geprägt sein dürfte. Hat man im BMBF die Umsetzung eines der wichtigsten wissenschaftspolitischen Projekte der laufenden Legislaturperiode so lange verpeilt, dass sie jetzt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt starten muss?
Wie gesagt: All die Verzögerungen müssen nichts Schlechtes sein, wenn am Ende das Ergebnis stimmt. Indes sind auch hier Fragen angebracht, wenn doch fast die gesamte bisherige DATI-Entstehungsgeschichte (und zuletzt die Irritationen um Standort und Stellenausschreibung) herauszuschreien scheint, wie schwer der Politik einmal mehr das Loslassen fällt. Auch deshalb sind sie übrigens in der Gründungskommission sehr entschieden (und hoffentlich weiter motiviert), mit ihren inhaltlichen, strategischen und prozeduralen Empfehlungen doch noch möglichst viel Freiraum für die DATI-Führung herauszuholen. Nur dass diese Empfehlungen gar nicht Teil der Kabinettsvorlage im April sein werden, es auch nie sein sollten.
Die SPRIND hat sich
den Weg freigekämpft
Unterdessen berichtete das BMBF vergangene Woche per Pressemitteilung über die Ergebnisse der "Roadshow" von "DATIpilot", das die Zeit bis zur Agentur-Gründung überbrücken soll. "Es steckt unheimlich viel innovatives Potenzial in unserem Land, das wir gezielt fördern müssen. Mit der DATIpilot Roadshow haben wir erfolgreich demonstriert, wie das geht", verkündete Ministerin Stark-Watzinger zufrieden. Im Juli 2023 ausgeschrieben, wurden in der Förderlinie jetzt insgesamt 300 Projekte ausgewählt, und das auf innovative Weise: gut die Hälfte per Teilnehmendenvoting bei den 23 Pitching-Veranstaltungen quer durch die Republik, der Rest per Losverfahren. Was bei knapp 3000 eingegangen Antragsskizzen allerdings eine Erfolgsquote von unter zehn Prozent bedeutet und eine ungemein aufwändige – und wenig transparente – Vorauswahl der 600 Pitch-Teilnehmenden. "DATIpilot" fungiere als "Experimentierraum sowie als Erfahrungs- und Ideenspeicher" für die DATI-Konzeption, sagt das Ministerium.
Übrigens eine weitere Parallele zu SPRIND: Auch deren Gründung wurden Pilot-Förderlinien vorgeschaltet. Schaut man sich an, was die Agentur heute macht, gibt es freilich kaum noch Gemeinsamkeiten zwischen den Wettbewerbs-Anfängen damals und heute. Lagunas Team hat sich den Weg freigekämpft. Ob die Politik das der DATI-Spitze auch zugesteht? Dafür müsste sie sie erstmal loslegen lassen.
In eigener Sache: Es geht so nicht mehr
Dieser Blog hat sich zu einer einschlägigen Adresse der Berichterstattung über die bundesweite Bildungs- und Wissenschaftspolitik entwickelt. Doch wirtschaftlich steht die Idee seiner freien Zugänglichkeit vor dem Scheitern.
Kommentar schreiben
A German in Boston (Dienstag, 12 März 2024 08:20)
"Die Ausschreibung der Stelle für die wissenschaftliche Geschäftsführung der DATI soll mit einem Anforderungsprofil einhergehen, das konkret auf die Konzeption der Agentur Bezug nimmt. Entsprechend wurde der Zeitpunkt für die Stellenausschreibung mit der beim Prozess der Kabinettsbefassung erfolgenden inhaltlichen Abstimmung der Bundesregierung zum DATI-Konzept synchronisiert."
Das ist doch nur vernünftig. Man hat offenbar aus dem kapitalen Fehler gelernt, den man bei SPRIND gemacht hat: Da paßte --und paßt-- der Gründungsgeschäftsführer überhaupt nicht zu der Gründungskonzeption, ein deutsches DARPA zu schaffen. Seitdem herrscht bei SPRIND "mission creep": weg von missionsorientierter Grundlagenforschung (=DARPA), hin zu Wagniskapital mit Steuergeldern (=verschwenderische Duplikation des HTGF). SPRIND hätte ebenfalls eine Forschernatur an der Spitze gebraucht.