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"Wir stehen alle mit dem Rücken zur Wand"

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume über Wissenschaftspolitik in der Krise, die Erwartungen an die großen Forschungsorganisationen – und ein Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen in der Wissenschaft.

Markus Blume, 49, war von 2018 bis 2022 CSU-Generalsekretär. Seit Februar 2022 ist er bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. Außerdem fungiert er als länderseitiger Vorsitzender der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK). Foto: Axel König.

Herr Blume, im Spiegel haben Sie Bettina Stark-Watzinger neulich "die schlechteste Wissenschaftsministerin, die wir je hatten" genannt. Was brachte Sie zu dieser Schlussfolgerung?

 

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern gestaltet sich einfach sehr schwierig. Abgesehen davon würde ich mir generell wünschen, dass in Berlin die Signale auf Fortschritt, auf Forschung, auf Zukunft gestellt werden. Angesichts des von der Bundesregierung beschlossenen Haushaltsentwurfs kann ich aber keinen überzeugenden Plan erkennen.

 

Sie formulieren gerade sehr allgemein. Ihre Kritik an Frau Stark-Watzinger war aber schon sehr persönlich.

 

Ich richte den Blick nach vorne. Wir haben uns vorvergangene Woche in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) zu verschiedenen Themen sehr konstruktiv ausgetauscht. Mein Ziel: Das Beste aus der Zeit machen, die uns bis zur nächsten Bundestagswahl in der GWK noch bleibt.

 

Geht das noch, nachdem man als GWK-Kovorsitzender die GWK-Vorsitzende so betitelt hat?

 

Die Bundesministerin und ich sind im Umgang miteinander sehr professionell, weil wir das gemeinsame Ziel haben, den Wissenschafts- und Forschungsstandort in Deutschland noch stärker zu machen. Herangehensweise und Tempo sind allerdings unterschiedlich.

 

Apropos GWK: Haben Sie dort auch über ein gemeinsames Programm zum Ausbau von Dauerstellen in der Wissenschaft gesprochen? Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte Ministerin Stark-Watzinger bereits vor einem Dreivierteljahr per Maßgabebeschluss aufgefordert, bis Ende September 2024 "über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung"

zu berichten. Doch bislang hatte es dazu offenbar praktisch keine Kommunikation mit den Ländern gegeben.

 

Die Hausaufgaben sind im Grunde bereits erledigt. Bund und Länder haben gemeinsam dem Wissenschaftsrat den Auftrag gegeben, zur Frage von Dauerstellen in der Wissenschaft Empfehlungen zu erarbeiten. Wenn der Bund Veränderungen bei den Karrierewegen an den Hochschulen will, geht das nur im engen Schulterschluss mit den Ländern. Das haben wir dem BMBF nochmal deutlich gemacht. Und in diesem Geiste wollen wir auch die nächsten Schritte gehen. Dafür sind der Wissenschaftsrat und die neue Wissenschaftsministerkonferenz die richtigen Orte, nicht die GWK.

 

"Ohne Wirtschaftswachstum gibt es nichts zu verteilen. Keine neuen Programme. Nur Einschnitte"

 

In der GWK wird aber über das nötige Geld für ein solches Programm gesprochen. Klingt insofern nicht so, als ob demnächst eine Vereinbarung vorbereitet würde.

 

Wir müssen mit den Möglichkeiten arbeiten, die wir momentan haben. Zur Wahrheit gehört leider, dass wir eine Republik im Rückwärtsgang sind, wofür im Wesentlichen die Bundesregierung verantwortlich ist. Die Ampel hat es in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft, neue Konjunkturimpulse zu setzen, sondern dafür gesorgt, dass Deutschland beim Wirtschaftswachstum das Schlusslicht aller OECD-Länder ist. Und ohne Wirtschaftswachstum gibt es nichts zu verteilen. Keine neuen Programme. Nur Einschnitte. 

 

Anfang des Jahres 2023 hatten Sie im Interview hier im Blog noch einen Nachschlag für den Pakt für Forschung und Innovation (PFI) vorgeschlagen, damit die großen Wissenschaftsorganisationen wie Helmholtz oder Max Planck einen Ausgleich für die hohen Tarifabschlüsse haben.

 

Nochmal: Wir stehen alle mit dem Rücken zur Wand. Der finanzielle Bewegungsspielraum selbst der stärksten Länder ist eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden. Bis wir aus dieser Abwärtsspirale raus sind, können wir uns auch als Wissenschaftsminister nur gegenseitig attestieren, dass wir 0,0 Spielräume für Neues, Zusätzliches haben. Umso wichtiger wäre allerdings, dass wir an anderer Stelle mit aller Leidenschaftlichkeit dafür kämpfen, dass wir wieder zu einem Mehr kommen. Zu einem Mehr an Freiheit. Einem Mehr an Miteinander.

 

Was meinen Sie damit?

 

Inmitten einer Zeitenwende, die von knapper werdenden Ressourcen geprägt ist, müssen wir zusehen, dass auch der Wissenschaftsbetrieb noch effizienter wird und die einzelnen Organisationen noch abgestimmter agieren. Das haben wir jetzt als gemeinsames Ziel in der GWK formuliert. Und dafür wollen wir über den Pakt für Forschung und Innovation neue Impulse geben.

 

Diesen Sound kenne ich. 2018 hat zum Beispiel der damalige forschungspolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Rupprecht kritisiert, die bisherigen Leistungen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen "haben uns nicht überzeugt." Der "Output in Richtung Wirtschaft und Gesellschaft" müsse gesteigert werden. Der damalige FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger bezeichnete Helmholtz & Co gar als "fette Katzen". Neue Pakt-Instrumente wurden diskutiert und in Aussicht gestellt, ein sogenannter "Strategieentwicklungsraum" zum Beispiel, über den sich später dann ein Schweigen von Bund und Ländern breitete.

 

Dem Eindruck, die Forschungsorganisationen täten nicht genug, möchte ich entschieden widersprechen. Die Big Five der deutschen Wissenschaftslandschaft, die über den Pakt für Forschung und Innovation finanziert werden, haben in den vergangenen Jahren eine echte Erfolgsgeschichte hingelegt. Klar ist aber auch: Die zehn Jahre der aktuellen PFI-Finanzierungsphase sind demnächst zur Hälfte rum. Und zu dieser Halbzeit müssen wir dem PFI neuen Geist einhauchen, damit er zur Zeitenwende passt. Zusammengefasst: Wir brauchen mehr Autonomie und weniger Bürokratie. Wir brauchen mehr Ambition und wir brauchen mehr Miteinander, um die großen anstehenden Aufgaben zu bewältigen zu können.

 

"Wir haben in Deutschland keinen Mangel an
Regelungen, dafür aber eine gewisse Strategiearmut"

 

Was heißt das konkret abseits der Schlagwörter?

 

Das heißt, dass ein einfaches "Weiter so" bei den Paktzielen, ein bisschen mehr Gleichstellung hier, ein bisschen mehr Transfer da, nicht funktionieren wird. Darum haben wir in der GWK beschlossen, ein Paktforum einzurichten, wo sich Politik und Forschungsorganisationen schnell über diese Ziele verständigen können. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Eben miteinander.

 

Wie passt die Absicht, einen neuen Arbeitskreis einzurichten, zu dem Ziel, die Bürokratie zu reduzieren?

 

Das ist kein neuer Arbeitskreis. Aber nennen Sie es, wie Sie wollen. Früher, Sie sagten es, lief es unter "Strategieentwicklungsraum". Was auch gut passte. Denn wir haben in Deutschland keinen Mangel an Regelungen, dafür aber möglicherweise eine gewisse Strategiearmut. Die Länder geben so viel Geld in die Grundfinanzierung von Wissenschaft wie noch nie. Gleichzeitig herrscht ein lebendiger Wettbewerb um Forschungsexzellenz. Doch um den Gemeinschaftserfolg zu sichern, braucht es jetzt zusätzlich eine stärkere Orchestrierung. Das Paktforum kann genau der richtige Raum dafür sein.

 

Um dort welche Themen wie zu koordinieren?

 

Die Missionen liegen alle auf dem Tisch, von der Künstlichen Intelligenz über die Kernfusion bis zum Quantencomputing. Wir sollten uns in Deutschland die Welt nicht schönreden, dass wir zum Beispiel schon irgendwie bei der nächsten Welle der Digitalisierung vorne mit dabei sein werden. Deutschland braucht eine echte Fortschrittswende. Darum müssen wir jetzt die Gesamtmission für die deutsche Forschung definieren: Wo wollen wir hin? Was liegt in unserem nationalen, vielleicht auch im europäischen Interesse? Welche Beiträge kann die Grundlagenforschung leisten, welches die anwendungsorientierten Wissenschaftseinrichtungen? Welche Lösungen und Ergebnisse helfen uns, um technologische Stärke und Souveränität auf diesen Zukunftsfeldern zu erreichen?

 

Und all das wollen Sie im Paktforum klären? Aber wie? Und mit welcher Verbindlichkeit?

 

Persönlich bin ich schon dafür, dass wir als Wissenschaftspolitik von einer Orientierung am Input, also am investierten Geld, zu einer Orientierung am Outcome, also an Lösungen für Wissenschaft und Gesellschaft, kommen. Und entsprechend steuern. Aber im Moment geht es um Anderes. Wir müssen mit dem vorhandenen PFI-Aufwuchs von drei Prozent im Jahr das Maximum für unser Land, für Europa und für die Wissenschaft erreichen. Die Wissenschaftsorganisationen sind gerade dankbar, dass wir miteinander im Gespräch sind. Das ist wie beim Gärtnern: Wenn der Dünger begrenzt ist, müssen Sie gezielt hier und da düngen, womöglich auch einmal ein Beet begradigen. Und diese Aufgabe liegt jetzt vor uns.



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Kommentare: 3
  • #1

    A.N. (Mittwoch, 24 Juli 2024 03:16)

    So wirklich gehaltvoll war das Interview leider nicht. Herr Blume ist gut im Nichtssagen.

    Ich bin auch gespannt, wie das Mit-dem-Rücken-zur-Wand-stehen dann bei der Vorstellung des nächsten grandiosen bayerischen Förderprogramms klingen wird.

  • #2

    JMF (Mittwoch, 24 Juli 2024 11:15)

    Leider die üblichen Schuldzuweisungen. Trotz der Unfähigkeit Stark-Watzingers und des Geklüngels innerhalb des BMBF sollten die "Meriten" ihrer Vorgängerin Karliczek auch nicht vergessen werden. Ein Glück für alle Bildungsminister*innen, dass das Verkehrsministerium noch absurder geführt würde, und es eben dort um das "Kulturgut Auto" und nicht nur um die Bildung und Zukunft geht...

  • #3

    Roman Held (Donnerstag, 25 Juli 2024 22:56)

    Ist es nicht eher der Föderalismus gerade in der Wissenschaftspolitik der die gesamtdeutsche Forschungs- und Innovations Exzellenz an den Rand der internationalen Bedeutungslosigkeit führt? Zu viele Köche verderben den Brei bekanntlich. Das Resultat sieht man momentan deutlich. Das BMBF muss eigentlich deutlich mehr Kompetenzen erhalten. Die Länder bei globalen Mega-Themen, wie u.a. Wasserstoff et al. weniger mit dem Bund unabgestimmte Spielräume. Die “fette Katze” von T.Sattelberger war übrigens damals stark auf die Fraunhofer Gesellschaft und die Machenschaften des Ex-Präsidenten Neugebauer bezogen und sollte daher jetzt nicht einfach auf alle außeruniversitären F&E Einrichtungen projizierst werden!