Die entlassene BMBF-Staatssekretärin meldet sich öffentlich zu Wort – am Vortag der Sitzung des Bundestags-Forschungsausschusses, in der Ministerin Stark-Watzinger erneut zur Fördermittelaffäre befragt wird.
AM FREITAG hatte das Verwaltungsgericht Minden entschieden: Die im Zuge der sogenannten Fördermittelaffäre geschasste BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring darf sich nicht vor Bundestagsabgeordneten äußern. Jetzt meldet sich Döring öffentlich selbst zu Wort – am Vortag einer Sondersitzung des Bundestags-Forschungsausschusses.
"Kaum noch jemand aus Wissenschaft und Fachpresse glaubt, dass ich einen förderrechtlichen Prüfauftrag erteilt hätte. Nun versteht selbst das Verwaltungsgericht Minden die Pressemitteilung des BMBF so, dass ich es nicht war", sagte Döring zuerst dem Wiarda-Blog und bezog sich damit auf die Pressemitteilung, in der Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am 16. Juni spät abends Dörings Entlassung mitgeteilt hatte.
Döring hatte vor Gericht vergeblich per Antrag durchsetzen wollen, dass ihre dienstliche Verschwiegenheitspflicht als ehemalige Beamtin trotz der Weigerung Stark-Watzingers aufgehoben wird. Auch lehnten die Mindener Verwaltungsrichter am Freitag ihren Eilantrag ab, dem BMBF die Verbreitung einer laut Döring in der Pressemitteilung vom 16. Juni enthaltenen Behauptung zu untersagen: nämlich der, dass Döring eine Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen bei den zuständigen Fachreferaten erbeten habe.
Die Begründung der Richter: Die Darstellung des BMBF am 16. Juni enthalte eine solche Aussage gar nicht. Aus den Formulierungen, hieß es am Freitag in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts, werde vielmehr deutlich, dass Döring "nicht diejenige gewesen sei, die die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen erbeten habe". Döring sei "nur diejenige gewesen, die für den dieser Prüfung zugrundeliegenden "Prüfauftrag - mit welchem konkreten Inhalt auch immer – verantwortlich gewesen sei und sie daraufhin erklärt habe, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe".
"Ein Missverständnis durch
mein Handeln schließe ich aus"
"Ich habe mich immer nur mit der Frage beschäftigt, ob der offene Brief das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellt und ob die Wissenschaftsfreiheit auch durch politische Aktivisten eingeschränkt werden kann", sagte Döring am Montagnachmittag weiter. "Ich habe auch nie etwas anderes gesagt. Dass es durch mein Handeln zu einem sogenannten 'Missverständnis' gekommen ist, schließe ich aus."
Was insofern eine brisante Aussage ist, weil im BMBF wenige Tage vor Dörings Entlassung eine Erklärung der damaligen Staatssekretärin an alle Ministeriumsmitarbeiter versandt wurde, in der genau von einem solchen Missverständnis die Rede war.
Auch darauf ging Döring am Montagnachmittag in ihrer Stellungnahme ein: Der Spiegel habe in einem Bericht die Frage aufgeworfen, "'wie freiwillig' meine E-Mail vom 14.06.2024 an alle Mitarbeiter des BMBF erfolgte, und meint: 'Daran darf man Zweifel haben'." Sie dürfe sich zum Zustandekommen dieser E-Mail zwar nicht äußern, betont Döring: "Jedoch bin ich meiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung nachgekommen, habe den Vorgang dokumentiert und dem BMBF alle zur Verfügung stehenden Unterlagen übergeben. Das schließt die betreffenden Wire-Chat-Verläufe ein. Wire benutze ich privat nicht."
Die Wire-Chats, von denen bereits einige geleakt wurden, gelten als wichtiger Baustein zur Aufklärung der Affäre, doch das BMBF verweigert ihre Herausgabe mit dem Hinweis, sie stellten keine "amtliche Information" da, sondern dienten lediglich der "informellen, persönlichen Kommunikation".
Dörings Aussagen zur Freiwilligkeit ihrer E-Mail und den zu den Akten gegebenen Wire-Chats sind Steilvorlagen für den Bundestagsforschungs-Ausschuss, wenn er sich am Dienstagmorgen zur Sondersitzung trifft. Einziger Tagesordnungspunkt der gut 90-minütigen Zusammenkunft: die erneute Befragung Stark-Watzingers zur Affäre. Dabei dürfte eine gewichtige Rolle spielen, dass das BMBF zunächst gar keine Unterlagen zu den Vorgängen an den Ausschuss geben wollte und dann nur Altbekanntes übersandte – zum Ärger sogar des eigenen Koalitionspartners SPD.
Und wenn das Verwaltungsgericht Minden meint, die Pressemitteilung des BMBF besage gar nicht, dass Döring die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen erbeten habe: Warum wurde sie überhaupt entlassen – und wer war dann verantwortlich für besagten Prüfauftrag? Auch diese Fragen wiegen schwer vor der Sitzung des Forschungsausschusses.
Döring wird wohl persönlich
zur Sitzung erscheinen
Döring will dem Vernehmen nach als Zuschauerin persönlich erscheinen, allerdings wie gesagt ohne Rederecht.
Im Vorfeld der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden war die Ex-Staatssekretärin von der AG Bildung und Forschung der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion eingeladen worden, um zu den Entscheidungsabläufen im Ministerium auszusagen, die mit ihrer Entlassung endeten. Auch dem Bundestags-Forschungsausschuss hatte Döring schriftlich ihre Redebereitschaft signalisiert. Die Ampel-Mehrheit unter den Ausschuss-Obleuten hatte jedoch mit Verweis auf die laufende Gerichtsverhandlung eine Einladung Dörings abgelehnt. Am Freitag folgte dann die Entscheidung der Richter.
Die Kammer verkenne nicht, dass die Öffentlichkeit an der Aufklärung der Affäre ein Interesse habe, hieß es dazu in der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts. Doch könne Döring in dem Gerichtsverfahren nur ihre eigenen Rechte geltend machen, und da keine Verletzung dieser Rechte, insbesondere ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliege, wiege die Verschwiegenheitspflicht von Döring als ehemaliger Beamtin schwerer. Denn die sei mit Verfassungsrang ausgestattet.
Ausgangspunkt der Affäre war ein Offener Brief Berliner Hochschullehrender, die Anfang Mai den Polizeieinsatz gegen ein propalästinensisches Protestcamp an der Freien Universität kritisiert hatten. Der Brief wiederum löste heftigen öffentlichen Widerspruch Stark-Watzingers aus – und umstrittene und bis heute nicht vollends aufgeklärte Aktivitäten in ihrem Ministerium.
"Die Vorwürfe gegen die Bundesforschungsministerin wiegen schwer", sagte der CDU-/CSU-Obmann im Forschungsausschuss, Thomas Jarzombek, am Montag. Viele Fragen seien noch immer nicht beantwortet. "Die Ministerin hat die Aktenherausgabe verweigert und ihrer aussagewilligen Staatssekretärin einen bleiernen Maulkorb erteilt. Für die Ministerin schlägt morgen die Stunde der Wahrheit. Nichts darf mehr offen bleiben."
In eigener Sache: So lief der August
Für den Herbst braucht es einen Jahresendspurt. Können wir die Lücke gemeinsam schließen? Ich durch meine Berichterstattung, Sie durch Beiträge, die Ihrem Nutzungsverhalten und finanziellen Möglichkeiten entsprechen?
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Carola Albert (Mittwoch, 11 September 2024 15:49)
Sicherlich ein spannender Fall. Es ist jedoch durchaus möglich, dass er sich nach dem 22.9.2024 (Wahlen in Brandenburg) recht schnell von selbst erledigt.