Der Berliner Exzellenzverbund bereitet sich auf seine Evaluation vor. Es geht um viele Millionen und Berlins Standing als Wissenschaftsstandort. Doch in der BUA gibt man sich nach ruckeligem Start jetzt selbstbewusst und schwärmt vom neuen "Spirit". Ein Interview mit BUA-Sprecher Günter M. Ziegler und Geschäftsführerin Alexandra-Gwyn Paetz.
Günter M. Ziegler ist Mathematiker und im Hauptamt seit 2018 Präsident der Freien Universität. Alexandra-Gwyn Paetz ist seit 2022 Geschäftsführerin der BUA. Vorher leitete sie die Strategische Entwicklung und Kommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Foto: BUA.
Herr Ziegler, der Geschäftsführer der Einstein-Stiftung, Thorsten Wilhelmy, hat in der FAZ ein Moratorium der Exzellenzstrategie nach der kommenden Förderphase vorgeschlagen. Die Hochschulen litten unter dem überhitzten Wettbewerb, argumentiert Wilhelmy. Über die Einstein-Stiftung finanziert der Berliner Senat die Berlin University Alliance (BUA) mit. Bezieht sich Wilhelmys Diagnose also vor allem auf die vier BUA-Partnerinnen Freie Universität, Humboldt-Universität, Technische Universität und Charité?
Günter M. Ziegler: Ich verstehe den Vorstoß von Herrn Wilhelmy so, dass er auf das strukturelle Problem aufmerksam machen wollte, das alle Universitäten in Deutschland haben: Sie erhalten eine zu geringe Grundfinanzierung aus den Landeshaushalten, und oben drauf kommt dann die Drittmittelfinanzierung unter anderem durch den Bund, und um die gibt es einen aufwändigen Wettbewerb. In der Kombination von beidem entsteht eine ungute Abhängigkeit von Projektmitteln. Die Schlussfolgerung muss sein: Wir brauchen eine deutliche Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen, und zwar in einer Größenordnung, die bei Weitem die derzeitige Ausstattung der Exzellenzstrategie übersteigt. Dann haben wir eine starke Basis für einen echten Wettbewerb um Exzellenzprojekte. Und den nehmen wir ernst, und dazu muss auch die Begutachtungspraxis passen. Wenn für einen Exzellenzcluster-Antrag weniger Zeit zur Verfügung steht als bei der Begutachtung eines Sonderforschungsbereichs, dann stimmt etwas nicht.
Läge nicht eine andere Schlussfolgerung noch näher: das Geld aus der Exzellenzstrategie direkt in die Grundfinanzierung zu stecken, zum Beispiel über den Bund-Länder-Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken"?
Ziegler: Das funktioniert doch nicht. Als Universitäten wissen wir genau: Wenn die Politik das Geld aus dem Wettbewerb abzieht, ist es weg und kommt niemals bei uns an. Dann landet es im Verteidigungshaushalt oder in anderen Löchern des Bundeshaushalts. Außerdem ist die Dotierung der Exzellenzstrategie so gering, dass Sie damit die Unterfinanzierung der Hochschulen nicht im Ansatz lösen könnten.
Wollen Sie sagen, dass die Bundeswehr eine bessere Lobbyarbeit macht als die Hochschulen?
Ziegler: Ich will damit sagen, dass es sich um eine gesellschaftliche Grundsatzfrage handelt: Wieviel sind wir als Gesellschaft bereit, in unsere Zukunft zu investieren? Die Entscheidung kann nicht lauten: Exzellenzwettbewerb oder Grundfinanzierung. Die Entscheidung muss lauten: Die Zukunft unseres Landes erfordert mutige Investitionen, angefangen mit der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zum Transfer von Technologie und Wissen. Bereiche, die man nicht mehr voneinander trennen kann. Die großartigen Innovationen von BionTech, die viele Leben in der Coronakrise gerettet haben, hatten ihren Anfang vor vielen Jahren in DFG-Sonderforschungsbereichen zu einem völlig abstrakten biochemischen Erkenntnisinteresse. Eine kluge Politik wird also in das investieren, was Deutschland am besten kann und womit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg reich geworden ist. In die Wissenschaft.
Bei aller Sympathie für diese Antwort: Trotz aller bereits getätigten Investitionen in Forschung, Wissenschaft und auch in die Exzellenzstrategie fällt die Bundesrepublik im internationalen Standortvergleich weiter zurück. Beim BDI-Innovationsindikator etwa reichte es zuletzt nur noch für Platz zwölf von 35. Wenn Sie mehr Ressourcen für die Wissenschaft fordern, müssen Sie erstmal nachvollziehbar den Impact belegen, den Sie mit dem Geld erzielen, das Sie bereits bekommen. Nehmen wir die BUA, den Exzellenzverbund, dessen Sprecher Sie sind. Wo ist dessen Effekt – abgesehen davon, dass die BUA der Selbstfindung der beteiligten Universitäten helfen mag?
Ziegler: Sinn und Zweck der zweiten Förderlinie im Exzellenzwettbewerb…
…aus der die BUA als einziger Exzellenzverbund in Deutschland erfolgreich hervorging…
Ziegler: …ist die Stärkung der Strategiefähigkeit der Universitäten. Entsprechend der Größe unseres Verbundes ist auch unser diesbezüglicher Anspruch ein großer: Wir wollen nicht nur die beteiligten Universitäten, sondern die Wissenschaft in Berlin insgesamt voranbringen und Berlin zu einem wirklich integrierten Wissens- und Innovationsraum entwickeln. Unsere Aufgabe für die anstehende Evaluation am Übergang zwischen der ersten und zweiten Förderphase besteht darin, zu zeigen, wie weit wir auf diesem Weg gekommen sind, und zwar ganz konkret: Welchen Impact leisten wir gemeinsam für die Zukunftsfähigkeit Berlins? Gelingt es uns zum Beispiel, die Förderung von Unternehmensgründungen gemeinsam noch erfolgreicher zu gestalten? Wie funktioniert beim Transfer die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten mit den vielen Akteuren im Berliner Ökosystem?
"Ist es so ungewöhnlich, dass es eine Weile
braucht, bis man in einer neuen Gemeinschaft
Vertrauen zueinander entwickelt?"
Ich behaupte mal: Säßen Sie hier nicht in Ihrer Rolle als BUA-Sprecher, sondern als Präsident einer einzelnen Exzellenzuniversität, die die Freie Universität ja vor dem BUA-Antrag war, würden Sie exakt dasselbe sagen zur Bedeutung von Innovation, Transfer und Co. Nur dass Sie nicht den ganzen Overhead und den Abstimmungsaufwand eines komplizierten Universitätsverbundes hätten.
Alexandra-Gwyn Paetz: Das sehe ich etwas anders. Natürlich trägt das Potenzial jeder einzelnen Universität zur Innovationsfähigkeit des Landes insgesamt bei. Aber erst aus der Zusammenarbeit entsteht etwas Neues, eine andere Art von Impact, ein Mehrwert, der über eine bloße Konkurrenz der einzelnen BUA-Partnerinnen nicht zu erzielen wäre. Genau das ist unser Anspruch. Die BUA bringt komplementäre Disziplinen und Kompetenzen zusammen, und gemeinsam finden wir dann nachhaltige sowie verantwortungsvolle Lösungen für die tiefgreifenden Transformationsprozesse, durch die unsere Stadt und unser Land gerade gehen.
Manche sagen: Das Wichtigste, was die BUA-Partnerinnen in den ersten Jahren zusammengebracht hat, war die gemeinsame Aussicht auf viel Geld und die gegenseitige misstrauische Kontrolle bei dessen Verteilung – um sicherzugehen, dass keiner zu kurz kommt. Sie werden die Gutachter davon überzeugen müssen, dass sich das geändert hat. Was werden Sie ihnen sagen?
Paetz: Ich antworte jetzt als eine der Personen, die am Anfang nicht dabei war, und jetzt die Weiterentwicklung der BUA mit moderiert. Ich kann darum nicht bewerten, wie es ganz am Anfang war. Aber ich will eine Gegenfrage stellen: Ist es so ungewöhnlich, dass es eine Weile braucht, bis man in einer neuen Gemeinschaft Vertrauen zueinander entwickelt? Wenn bei jeder BUA-Runde die entsprechenden Vertreter*innen aller vier Partner am Tisch sitzen, dazu jemand aus der BUA-Geschäftsstelle, dann müssen die sich jeweils erst finden. Aber ich stelle fest, dass wir genau dank all dieser Runden jetzt nicht mehr darüber sprechen, wieviel Geld proportional bei welcher BUA-Partnerin ankommt, sondern darüber, wer welche Kompetenzen für die gemeinsamen Vorhaben einbringen kann. Darüber wie wir bei den großen Themen substanziell vorankommen. Und wie wir das, was wir schon geschafft haben, noch besser machen bis hin zu neuen Standards setzen können. Dazu kommt die Erkenntnis, dass nicht alles gleichzeitig passieren muss, sondern wir gemeinsam priorisieren und relevante Meilensteine in Blick nehmen. Nehmen Sie das BUA-Ziel "Advancing Research Quality and Value": Die Krise, die wir in der BUA Ende 2021, Anfang 2022 hatten…
…als die BUA Dutzende Stellenbesetzungen stoppte und dafür die Berliner Hochschulpolitik und das neue Hochschulgesetz verantwortlich machte, tatsächlich aber auch in sich selbst blockiert wirkte…
Paetz: …hat die vier Partnerinnen in der Folgezeit so sehr zusammengeschweißt, dass ich in der Runde der Präsident*innen ein echtes Vertrauensverhältnis und einen neuen Spirit spüre. Das strahlt dann auch weiter in die Einrichtungen und die Stadt aus, wenn wir gemeinsam abgestimmt auftreten.
Das ging mir jetzt etwas schnell mit dem Versöhnungsnarrativ.
Ziegler: Natürlich war das am Anfang auch ein gegenseitiges Beäugen. Wer kriegt welchen Teil vom Kuchen ab, und wie stelle ich sicher, dass ich nicht über den Tisch gezogen werde? Diese Fragen waren unterschwellig da – und das ist jetzt weg. Das liegt am neuen Spirit unter den Präsident*innen, was zudem durch die Schärfung unserer Governance gestützt wird. Im ursprünglichen BUA-Antrag war zum Beispiel nur ein Board of Directors vorgesehen: die vier Präsidenten, die alles machen und entscheiden sollten. Ein Executive Board, bestehend aus den Vizepräsident*innen für Forschung, haben wir später eingeführt. Und ich gebe zu: Als die Idee dazu aufkam, war ich skeptisch. Inzwischen weiß ich: Das war eine wichtige Nachsteuerung, wir sind deutlich effektiver aufgestellt und strukturell näher am Wissenschaftsalltag.
"Hätten wir so ein Thema als FU
allein in den Mittelpunkt gestellt, wären
wir dafür verprügelt worden."
Wieder die Bitte um Konkretisierung: Woran machen Sie das fest?
Ziegler: Für mich ist unsere Zusammenarbeit mit der University of Oxford ein gutes Beispiel. Als BUA sind wir ein ebenbürtiges Gegenüber, und erst durch die BUA funktioniert der Austausch so gut über alle Fächer hinweg bis hin zu den Bibliotheken und Sammlungen. Nur müssen sie diesen Austausch dann auch praktisch auf die einzelnen Institutionen herunterbrechen. Oder nehmen wir nochmal das Beispiel "Research Quality": Hätten wir so ein Thema als FU allein in den Mittelpunkt gestellt, wären wir dafür verprügelt worden, erst recht in einer Phase, als wir wegen einer bestimmten Doktorarbeit im Feuer standen…
…der Dissertation der damaligen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, der die FU erst nach einem zweiten Prüfverfahren Mitte 2021 den Doktorgrad entzog. Giffey war kurz zuvor wegen der Plagiatsaffäre zurückgetreten, wurde aber Ende 2021 Regierende Bürgermeisterin von Berlin.
Ziegler: Als BUA aber konnten wir das Thema "Qualität von Wissenschaft" vorantreiben, gerade weil es sich um ein Anliegen handelt, das weit über eine einzelne Universität hinausgeht. Wir haben als Verbund unter anderem die Berlin Science Survey etabliert, die Ergebnisse der neuen Umfragerunde kommen in wenigen Tagen raus.
Die Berlin Science Survey befragt Berliner Wissenschaftler, wie sie selbst den Forschungsprozess wahrnehmen und an welchen Zielen sie ihre Arbeit ausrichten. Um Trends abzubilden, wird sie regelmäßig wiederholt.
Ziegler: Das kann nicht aus einer einzelnen Universität kommen, und nur als Verbund sind wir in der Lage, aus den Ergebnissen die nötigen strategischen Schlussfolgerungen zu ziehen und auch in die wissenschaftspolitische Debatte einzubringen. Wie weit wir dank der BUA in der Debatte über das Wesen von Wissenschaft gekommen sind, sehen Sie auch daran, wenn mit Ulrich Dirnagl und mir zwei BUA-Wissenschaftler öffentlich über die Zukunft des wissenschaftlichen Publikationswesens streiten.
Paetz: Um ein anderes Beispiel aus dem Bereich "Talents" zu nennen. Im Verbund haben wir gemeinsam die BUA Postdoc Academy gegründet – unsere gemeinsame Struktur, in der wir die Postdocs aller BUA-Partnerinnen in ihrer frühen Karrierephase begleiten, ihnen Orientierung geben und überfachliche Qualifikationen ermöglichen. Vor allem aber steht ihnen so die gesamte Berliner Wissenschaft als Netzwerk offen. Keine Partnerin hätte die Academy in vergleichbarer Geschwindigkeit und Größe oder mit demselben Impact aufbauen können Die ersten Kurse waren fast ohne Werbung innerhalb von zwei Stunden ausgebucht.
Wenn Sie den Spirit der BUA so beschwören, verwaltet dann demnächst auch der Exzellenzverbund selbst seine Millionen? Das wäre doch der wahre Boost für die Institution. Oder erledigt das weiterhin eine der Universitäten, in dem Fall die FU?
Paetz: Das war ein Ausschreibungskriterien der Exzellenzstrategie, dass das Geld bei einer verwaltenden Universität liegen muss. Wir entscheiden aber gemeinsam im Verbund, was mit dem Geld passiert. Allerdings haben Sie recht: Die bereits erwähnte Governance der BUA haben wir weiterentwickelt. So hat das Land Berlin etwa die sogenannte Kooperationsplattform der Berlin University Alliance als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet – mit eigenem Stellenplan und eigenem Haushalt, was künftig stärker nutzen können und wollen. Solche Strukturen stärken natürlich das Selbstverständnis der BUA.
Ziegler: Das ist genau das, was ich meine: Wir hatten bei der Gründung der BUA noch nicht diese Strukturen. Jetzt könnten die Fördergelder direkt auf unsere Kooperationsplattform überwiesen und durch die BUA abgerechnet werden. Genau das streben wir für die nächste Förderphase an.
"Ehrlicherweise habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr darüber nachgedacht, welcher Anteil der BUA-Gelder tatsächlich bei der FU landet."
Die entscheidende Frage ist: Wird die BUA in der Lage sein, strategische Schwerpunkte auch dann festzulegen, wenn sie zu einer anderen Geldverteilung führen als der Proporz bislang?
Paetz: Bei der Postdoc Academy läuft es genauso. Alle Partnerinnen bringen sich ein, aber es gibt keinen Schlüssel, der beispielsweise eine bestimmte Anzahl von teilnehmenden Postdocs pro Institution festlegt.
Ziegler: Ehrlicherweise habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr darüber nachgedacht, welcher Anteil der BUA-Gelder tatsächlich bei der FU landet.
Paetz: Angesichts des konsequenten Controllings bis auf Einzelprojektebene wäre es zwar möglich nachzurechnen, auf welchen Anteil die Partnerinnen jeweils kommen. Aber ob das jemand tut, weiß ich nicht – es ist in unseren Diskussionen kein Steuerungskriterium.
Ziegler: Wir fragen uns das eher inhaltlich. Bei Berlin Quantum zum Beispiel, wo Wirtschaft, Forschungsinstitute und Universitäten zusammenwirken, interessiert uns, welche Themen und Potenziale die Charité einbringt oder die Freie, die Technische oder die Humboldt-Universität. Unser gemeinsames Ziel ist, Berlin zu einem internationalen Hotspot für die Quantentechnologie zu machen, und an diesem Ziel richten wir uns aus, nicht an der Geldverteilung.
Es besteht also keine Gefahr, dass die BUA mit einem Verbundkonzept in die anstehende Evaluation geht, das thematisch-strategisch einem fein ausgehandelter Gemischtwarenhandel entspricht?
Paetz: Wir sind noch mitten in der Diskussion über das Konzept. Aber leitend in dem gesamten Prozess ist die Priorisierung nach Themen, zu denen wir gemeinsam im Verbund Relevanz, Impact und Benefit erzeugen können – sowohl für die Gesellschaft als auch für jede BUA-Partnerin.
Ziegler: Die BUA ist ja kein Forschungsprojekt wie ein Exzellenzcluster, sondern ein Strategieverbund. In der aktuellen Förderphase hatten wir die sog. Grand Challenges in den Mittelpunkt gestellt…
…die großen gesellschaftlichen Herausforderungen für Gesellschaft und Wissenschaft inmitten der Transformation…
Ziegler: …und da ging es ganz stark darum, erstmal die richtigen Leute der unterschiedlichen BUA-Partnerinnen zusammenzubringen. In der nächsten Förderphase werden wir logischerweise intensiver an unseren Antworten auf diese großen Herausforderungen arbeiten – an den Antworten, die der Wissens- und Innovationsraum Berlin liefern kann. Die thematisch-disziplinären Schwerpunkte ergeben sich ziemlich natürlich aus unseren gemeinsamen Forschungsstärken, wie sie sich aus den erfolgreichen Exzellenzclustern und Sonderforschungsbereichen ablesen lassen. Wie etwa beim Cluster MATH+: Da hängen die betreffenden Fachbereiche der Universitäten drin, aber über den Forschungscampus, über die gemeinsame Infrastruktur und den Technologietransfer wird das zu einem Schwerpunkt der Berliner Wissenschaft insgesamt.
Paetz: Alle Disziplinen an den Berliner Universitäten sind wichtig und gut – das steht völlig außer Frage. Unsere Aufgabe im Verbund ist viel konkreter, nämlich regelmäßig gemeinsam zu analysieren, wo wir die Berliner Spitzenforschung strategisch-strukturell fördern können und wie sich das Berliner Forschungsprofil entwickelt. Genau dafür haben wir uns die letzten Jahre aufgestellt und sind so zum Beispiel viel besser in der Lage mit Dritten, etwa der University of Oxford darüber zu sprechen, wo wir in Kooperation world-leading werden. Das ist das Gegenteil ist vom bloßen Ausgeben von Forschungsgeldern, bei dem man erst hinterher schaut, was rauskommt, sondern es geht um gemeinsame Steuerung von (Infra-) Strukturen, damit diese zu den kompetitiven Anforderungen der Spitzenforschung passen.
Müssen Sie sich überhaupt all die Mühe machen? Es gibt gewichtige Beobachter in der Wissenschaftsszene, die sagen: Die BUA ist "too big to fail". Mit anderen Worten: Die Gutachter aus Wissenschaft und Politik hätten ohnehin nie den Mut, den gesamten Forschungsstandort Berlin aus der Förderung als Exzellenzverbund zu kicken. Selbst wenn die BUA es verdient hätte.
Ziegler: Das sehe ich anders. Wir stehen als Wissenschaftsraum unter dem Druck zu demonstrieren, dass wir gemeinsam Synergien realisieren können, die es vorher nicht gab. Wir müssen nicht mit allen BUA-Vorhaben fertig sein, aber dass wir nachweisbar große Schritte vorangekommen sind, das wird von uns erwartet. Im Übrigen ist es auch mein Anspruch, die Gutachter zu überzeugen. Mein Anspruch ist nicht, der Politik zu sagen: Sorgt dafür, dass wir nicht rausfliegen. Mein Anspruch ist, dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Recht behält mit seiner Aussage vor einigen Jahren, es sei bedenklich, dass die Berliner Universitäten sich zusammentäten und gemeinsam solche Erfolge feierten.
Die Bewunderung der Bayern ging jedenfalls nicht so weit, dass von den Münchner Universitäten, die beide einzeln den Exzellenzstatus errungen haben, ein Verbund eingefordert wurde. Das war lange schon wegen persönlicher Antipathien des damaligen Spitzenpersonals undenkbar.
Ziegler: Bei allem Respekt auch als Alumnus der Ludwig-Maximilians-Universität: Wir reden hier über Berlin und nicht über München. Jeder Standort verfolgt die Strategie, die zu ihm passt. Deshalb sehe ich uns auch nicht in Konkurrenz zu irgendwem, bin zugleich aber von unserem Weg überzeugt.
Paetz: Unser erfolgreicher Verbundantrag 2019 trug den Titel "Crossing boundaries toward an Integrated Research Environment". Nach fünf Jahren kann ich sagen: Da sind wir in Berlin weiter. Ich freu mich schon darauf, wenn wir unsere Entwicklung nächstes Jahr auch den Gutachter*innen vorstellen werden.
Ziegler: Die Gründung der Berlin Research (BR) 50 zählt für mich zu den großen Erfolgen unserer Strategie. Da haben wir sicherlich eine Menge Grenzen überschritten bei der weiteren Integration des Berliner Wissenschaftsraums. Jetzt geht es darum, den Wissens- und Innovationsraum weiter zu bewegen. Da bleibt viel zu tun und das macht auch jede Menge Spaß.
Und das neue Konzept heißt dann "Beyond the boundaries"?
Paetz: Wie gesagt, wir sind noch in der Entwicklung des Konzepts. Auf jeden Fall liegt das Selbstverständnis der Berlin University Alliance inzwischen stärker auf "Berlin" als auf "University".
"Tue Gutes und rede drüber" scheint auch das neue Motto der BUA zu sein. Wie berichtet investieren Sie 900.000 Euro in eine Marketingkampagne. Was sagen Sie Kritikern, die finden, Sie hätten das Geld lieber in die Wissenschaft gesteckt?
Ziegler: Die Nachfragen, die aus der BUA selbst kamen, hatten nie unsere Kampagne an sich zum Gegenstand, sondern die Gewichtung ihrer einzelnen Bestandteile. Für die allermeisten sichtbar waren die stadtweiten Plakate in der ersten Phase der Kampagne. Das war ja auch Ihnen aufgefallen. Hier war das Ziel, den Verbund und Berlin als Das Offenes Wissenslabor zunächst sichtbar zu machen, in der zweiten Phase stellen wir derzeit die Rolle und Themen der Exzellenzcluster in den Vordergrund. Dazu organisieren wir Formate, bei denen wir die verschiedenen erforderlichen Perspektiven auf die großen Transformationsprozesse in Austausch bringen, beispielsweise zu ethischen Fragen im Kontext der KI.
Paetz: Die BUA braucht die Identifikation ihrer Mitglieder mit dem großen Ganzen, sie braucht auch die Unterstützung der Stadtgesellschaft, und dafür muss sie eine gewisse Wahrnehmungsschwelle überschreiten. Es findet so viel statt in Berlin, wir haben so viele niedrigschwellige Angebote für die Bevölkerung, Spitzenforschung kennenzulernen. Aber nicht jeder bekommt das mit bislang. Insofern ist ein gewisses Maß an „Bewerbung“ unumgänglich, um Wissenschaftskommunikation auch in seinem modernen Verständnis zu ermöglichen. Dazu suchen wir bewusst Wege aus unserer "Bubble", beispielsweise zeigen wir Forschungsexponate nicht nur auf Konferenzen, sondern auch auf Berliner Wochenmärkten. Unsere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kunst haben wir im Rahmen der diesjährigen Berlin Art Week vorgestellt – Teile davon kann derzeit jeder beim Festival of Lights erleben. Und wir planen weitere Highlights im kommenden Jahr sowohl im Stadtraum als auch im Humboldt-Forum. Das ist übrigens auch schon in der von Ihnen genannten Summe budgetiert.
Ziegler: Am Ende muss so eine Kampagne für sich selbst sprechen, aber wenn wir damit Diskussionen über die Rolle und Inhalte der Berliner Spitzenforschung lostreten, umso besser.
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Tobias Denskus (Donnerstag, 10 Oktober 2024 10:09)
Ein spannendes Interview-aber vielleicht nicht so, wie es die Teilnehmerinnen gerne hätten. Die Antworten schrammen sehr oft am kompletten Sprechblasensalat vorbei den man mittlerweile aus fast allen Teilen von Politik und Gesellschaft kennt-da sind Unis keine Ausnahme. Impact und Mehrwert und Innovation und Spirit und alle Disziplinen sind wichtig und irgendwas mit boundaries...fast schon ironisch, das keine einzige Zahl ausser der 900k Kommunikationskampagne fällt-in einer durchmetrisierten Uni hätte ich erwartet, dass Publikationen, Promotionen, erfolgreiche Anträge und Workshops nur so heraussprudeln...aber klar, ein Offenes Wissenslabor muss man erstmal sichtbar machen...ich mache der BUA gar keinen Vorwurf-so sprechen ja alle guten, grossen, globalen Unis-nur darf man eben nicht nur fuer LinkedIn kommunizieren, sondern auch fuer echte Forscherinnen und Menschen ausserhalb der BUA...
Exzellenz-Kritiker (Donnerstag, 10 Oktober 2024 10:20)
Bei aller Wertschätzung für die Berliner Kollegen, der m.E. entscheidende Punkt ist doch, daß die Exzellenz-Initiative die Kraft und Zeit so vieler Kolleg(inn)en verschlingt, die sie für andere Förderformen (wie SFB, SPP und GRK) brauchen. Man hat das gerade wieder an der Uni Göttingen gesehen, wo vor allem in den Naturwissenschaften aufwändig geplante und wirklich gute Cluster-Projekte scheiterten.
Laubeiter (Freitag, 11 Oktober 2024 12:24)
Ich finde auch, dass das Interview vielleicht klar macht, warum Berlin gern am ExStra-Wettbewerb teilnimmt. Den Sinn der ExStra für alle Wettbewerber, auch für die, die rausfliegen, erklären die Berliner damit weniger. Wenn man als Beispiel für Verschwendung von Resourcen die U Göttingen nehmen will: keine der Skizzen zu cognition, landscapes, ethics, energy und editing kam weiter. Wie soll Göttingen, falls die ExStra in der jetzigen Form beendet wird, dann Exzellenzförderung einwerben?
Lilly Berlin (Sonntag, 13 Oktober 2024 16:39)
Die BUA ist ein Lehrbuch-Beispiel für einen Pingpong aus Sprechblasen, Politik und einen aufgeblähten Wasserkopf. Mögliche Synergien und Verbesserungen werden nicht genutzt. Statt dessen werden zusätzliche unproduktive Stabsstellen besetzt und Strategien zur Weiterführung des Exzellenzverbundes ausgetüftelt. Letztlich ließen sich die Forschungsideen genauso oder besser auch in Anderen Formen der Verbundforschung realisieren. Allerdings würden dann die Fördermillionen eben woanders versenkt.