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Der steinige Weg zu einem anderen Bildungsföderalismus

Die Bildungsminister starten ihre neue Konferenz in der KMK, veröffentlichen ein bemerkenswertes Gründungspapier, eine Empfehlung zum Umgang mit KI – und kämpfen mit den Widersprüchen ihres Aufbruchs.

Die Illustration wurde mit Hilfe einer generativen KI erstellt.

MANCHMAL KANN schon eine Sitzung an sich Ausdruck großer Veränderungen sein. Am Donnerstag war das so, als sich in Berlin erstmals die neue Bildungsministerkonferenz, kurz Bildungs-MK, traf. 

 

Seit ihrer Gründung 1948, sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig bei der anschließenden Pressekonferenz, habe die Kultusministerkonferenz (KMK) keine so grundlegenden Reformen erlebt, wie sie derzeit abliefen. Und das, fügte die Koordinatorin der SPD-Seite hinzu, dank der eigens eingesetzten Strukturkommission derart einvernehmlich und geräuschlos, dass viele fälschlicherweise dächten, da sei gar nicht viel passiert.

 

Die Gründung einer Bildungs-MK ist, wenn aus Sicht etlicher Bildungsminister auch zunächst nicht ganz freiwillig, die Konsequenz einer seit Jahren laufenden Entwicklung. Traditionell waren in den meisten Ländern die Zuständigkeiten für Schule/Bildung, Wissenschaft/Hochschulen und Kultur in einem Ressort vereint: dem Kultusministerium. Insofern war ihre länderübergreifende Koordinierung in einer Kultusministerkonferenz stimmig. 

 

Doch über die Jahrzehnte haben sich die Zuständigkeiten für die drei Teilbereichen fast überall aufgeteilt, neue Kombinationen wie "Bildung, Jugend und Familie" oder "Wissenschaft und Wirtschaft" entstanden. Mit dem Ergebnis, dass die Minister weite Teile der KMK-Sitzungen als Zeitverschwendung empfanden, weil Themen abgehandelt wurden, für die sie gar nicht mehr zuständig waren. Viele Ressortchefs schwänzten, andere zeigten sich genervt über die Fließband-Abarbeitung unzähliger Tagesordnungspunkte, die von der Verwaltung hochgespült wurden und strategisch-politische Debatten in der Ministerkonferenz weitgehend verdrängten.

 

Gleichzeitig erschien die KMK Kritikern mit ihrem Gremiendickicht und den starren Entscheidungsabläufen bei gleichzeitig geringer Verbindlichkeit immer weniger in der Lage, auf die modernen Herausforderungen im Bildungssystem adäquat zu reagieren – von der Bildungsbenachteiligung über die Digitalisierung bis hin zu den Forderungen nach bundesweit vergleichbaren Bildungsabschlüssen, deren Fehlen sogar vom Bundesverfassungsgericht attestiert wurde.

 

Um das 70. KMK-Jubiläum
herum begann die Reformdebatte

 

Um das 70. Gründungsjubiläum 2018 begann deshalb eine Reformdebatte, die bis heute nicht zu Ende ist. Zu den ersten sichtbaren Zeichen gehörte 2019 die Einrichtung einer eigenen Kulturministerkonferenz unter dem Dach der KMK, die zur Blaupause wurde für die Ambitionen der Wissenschaftsminister, sich jetzt ebenfalls von der Bildungsseite abzulösen. Die Gründungssitzung der "Wissenschafts-MK" ist für den 21. November geplant.

 

Denn auch das gehört zur Wahrheit: Die Bildungsminister verspürten von allen das geringste Verlangen, eine eigene Konferenz zu gründen. Warum auch. Ihre Themen machten einen Großteil der Sitzungen der Kultusministerkonferenz aus, als deren Kern sie sich definierten. So weit, dass die Bildungsseite bislang wie selbstverständlich den oder die KMK-Präsidentin stellte. 


Erster Lackmustest für die neue KMK-Struktur

Mit der Gründung der separaten Konferenzen für Kultur, Bildung und Wissenschaft hat der Begriff "Kultusministerkonferenz" keineswegs ausgedient. Denn alle drei Konferenzen bleiben unter dem Dach der KMK organisiert; eine Totalablösung, mit der zwischendurch zumindest einige Wissenschaftsminister liebäugelten, wurde abgewendet. Alle Konferenzen teilen sich die gemeinsame Verwaltung, das KMK-Sekretariat. Und einmal im Jahr kommen die Bildungs-, Kultus- und Wissenschaftsminister zur gemeinsamen Konferenz zusammen, "zur Behandlung gemeinsamer politisch-strategischer Themen". 

 

Wer in der neuen Struktur nichts Halbes und nichts Ganzes erkennt, der tut ihr womöglich Unrecht. Denn wirklich widersprüchlich sind die öffentlichen Erwartungen an den Föderalismus. Einerseits soll er agil sein, er soll schnellere und zielgenaue Entscheidungen ermöglichen, was für eine Aufspaltung der KMK in die einzelnen Politikbereiche spräche. Andererseits soll er länderübergreifende Standards setzen, die für die auch untereinander eng verschränkten Bereiche Bildung, Wissenschaft und, mit Abstufungen, Kultur als besonders dringlich erscheinen.

 

Was die von der KMK selbst als "strategische Neuausrichtung" bezeichnete Reform ihrer

Strukturen tatsächlich bringt, dürfte sich jetzt schnell zeigen. Der erste Lackmustest: Wesentliche Details des Vorhabens hatte man zunächst offen gelassen. So hieß es im Juni: "Die gleichberechtigten Vorsitzenden der drei Ministerkonferenzen werden eine gemeinsame Spitzenstruktur bilden, die für die übergreifende politisch-strategische Koordination der KMK zuständig ist." Und unter dem Stichwort "Stärkung der institutionellen Administration der KMK“ wurde angekündigt: "Ein auf Amtschefsebene angesiedeltes Verwaltungsgremium wird die operative und administrative Koordinierung und Steuerung des Sekretariats übernehmen“, also der KMK-Verwaltung. 

 

Auf welche Konkretisierungen werden sich die die drei Teilkonferenzen bis zu Dezember in beiden Punkten einigen? Haben sie schon ein gemeinsames Verständnis dessen, was an "politisch-strategischer Koordinierung" nötig bleibt? Wird es weiter eine übergreifende KMK-Präsident/in geben? Wenn nicht, was bedeutet das für die Sichtbarkeit des Bildungsföderalismus nach außen? Und schließlich, Stichwort Stärkung der institutionellen Administration der KMK: Machen die Minister nach der Reform der Gremien nächstes Jahr ernst mit der Reform des KMK-Sekretariats? Der nächste logische Schritt wäre es jedenfalls.



Eine der letzten ihrer Art ist Karin Prien, Schleswig-Holsteins Ministerin für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur – und damit noch Kultusministerin im klassischen Sinne. Die KMK gehöre zu den wenigen politischen Institutionen in Deutschland, die sich offen eingestünden, dass sie in ihrer bisherigen Verfasstheit ihren Aufgaben nicht mehr gerecht würden – "und daraus auch Konsequenzen ziehen", sagt Prien, die die Politik der CDU-Bildungsminister koordiniert. Das sei sehr aufwändig.

 

Ländervereinbarung, Ständige Wissenschaftliche Kommission und die Pflicht zur Einstimmigkeit

 

Mit ihrer Beschreibung der grundsätzlich geringen Reformbereitschaft im politischen System der Bundesrepublik liegt Prien richtig – ebenfalls mit der Einschätzung, dass ein solcher Prozess für eine Institution wie die KMK äußerst mühsam ist.

 

Ein paar der übrigen Teilschritte seit 2018: 2020 vereinbarte die KMK eine neue "Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen" und daraus abgeleitete "Politische Vorhaben" wie eine weitere Angleichung des Abiturs. Ein weitergehender und stärker verbindlicher Staatsvertrag fiel allerdings flach. 2021 startete die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) als eigenes wissenschaftliches Beratungsgremium der KMK. Der ursprünglich von der Großen Koalition geplante Bildungsrat von Bund, Ländern, Kommunen und Wissenschaft scheiterte am Widerstand mehrerer Länder. 

 

Und erst kürzlich beschloss die KMK, eines ihrer Leitprinzipien anzubohren: die von vielen Bildungsexperten als lähmend kritisierte Einstimmigkeitspflicht bei allen wesentlichen Entscheidungen. Die fiel allerdings am Ende doch nur für Fragen, die den Haushalt der KMK selbst und ihrer Einrichtungen betrifft.

 

Woran die KMK derzeit sitzt: eine Reduktion ihrer Gremien, von denen das Gutachten einer von den Kultusministern beauftragten Unternehmensberatung unglaubliche 177 zählte. Laut Prien sollen beim im Dezember geplanten Reformbeschluss davon maximal zwei Hände voll übrig bleiben, man wolle sich auf wenige Gremien, die politisch gesteuert würden, konzentrieren. Wieder einmal eine ehrgeizige Ansage. Mal schauen, wie viele es am Ende tatsächlich werden, wenn es statt der einen großen jetzt gleich drei Fachministerkonferenzen unter dem Dach der KMK gibt.

 

Das Spannungsfeld dem Willen zum Aufbruch
und dem Beharrungsvermögen des Eingefahrenen

 

So zeigt der Umgang der Bildungsminister mit der Einrichtung ihrer Bildungs-MK genau wie der geplante Gremien-Schnitt exemplarisch das immer gleiche Spannungsfeld zwischen dem ehrlichen Willen der Minister zum Aufbruch und dem Beharrungsvermögen des Eingefahrenen. 

 

Auf der Habenseite: Die Minister haben in der konstituierenden Sitzung am Donnerstag eine Gründungserklärung verabschiedet, in der sie Neustrukturierung der KMK als Chance bezeichnen, "die Leistungsfähigkeit, die Qualität und die Wettbewerbsfähigkeit des Bildungswesens in ganz Deutschland weiter zu erhöhen. Mit der Konstituierung der eigenständigen Bildungsministerkonferenz leisteten wir, die Bildungsministerinnen und -minister, Bildungssenatorinnen und -senatoren der Länder, unseren Beitrag dazu, dass die für die Zukunftsgestaltung länderübergreifend notwendigen bildungspolitischen Weichenstellungen in leistungsfähigen Strukturen und agilen Prozessen getroffen werden können."

 

Der Anspruch, den die Minister für die Wirkung ihrer neuen Konferenz formulieren, ist weitreichend:

 

o die Sicherstellung der Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit von Zeugnissen und Abschlüssen, die wechselseitige Anerkennung, die Sicherung von Qualitätsstandards in Schule und Berufsbildung, die Beförderung der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.

 

o ein Bekenntnis zum evidenzbasierten politischen Handeln, denn die Bildungsminister geben sich überzeugt, "dass eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung des Bildungssystems die Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Expertise benötigt, um gezielt und dauerhaft wirken zu können".

 

o das Wirken entlang der gesamten Bildungskette, und weil die Zuständigkeiten dafür bei unterschiedlichen Fachministerkonferenz innerhalb und außerhalb der KMK liegen, an den Schnittstellen zu anderen Politikfeldern "eine enge und konstruktive Zusammenarbeit", namentlich mit der Jugend- und Familienministerkonferenz. Auch das zeigt die bildungspolitischen Verschiebungen: Während in den vergangenen Jahren immer weniger Minister für Bildung und Wissenschaft, zwei KMK-Themen, zuständig waren, wurden zahlreiche gleichzeitig für Bildung und Jugend (und damit auch die frühkindliche Bildung) verantwortlich. 

 

o  Entsprechend lautet das Ziel der Bildungs-MK: "beste Bildung von Anfang an". Es sei ihre gemeinsame Überzeugung, beschwören die Minister, "dass das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf Bildung und dessen Umsetzung entlang der gesamten individuellen Bildungsbiographie (frühkindliche Bildung, Schule, berufliche Bildung, Hochschule, Weiterbildung) die Grundvoraussetzung für bestmögliche Teilhabe- und Aufstiegschancen jeder und jedes Einzelnen darstellt". Und die Minister betonen: Bildungseinrichtungen seien auch Orte der Vermittlung von Demokratie und demokratischen Verhaltensweisen

 

Eine KI-Handlungsempfehlung
zwischen alter und neuer KMK

 

Soweit die in Teilen schon an Pathos grenzende Gründungserklärung der Bildungs-MK, die vor allem deshalb so erfreulich ist, weil sie den neuen Glauben an die eigene Selbstwirksamkeit widerspiegelt, den die Minister im Laufe des sechsjährigen (und längst nicht abgeschlossenen!) KMK-Reformprozesses entwickelt haben. Ein anderes Papier, das die Bildungs-MK am Donnerstag beschloss, zeigt unterdessen die andere Seite des erwähnten Spannungsfelds. 

 

Die Minister selbst bezeichnen sie als "wegweisend", die "Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) in schulischen Bildungsprozessen". Tatsächlich ist die Offenheit bemerkenswert, mit der sich die Bildungsminister, aufgeschlüsselt in fünf Themenbereiche, den Potenzialen der neuen Technologien für das Lernen und Lernen öffnen. Von der Unterstützung der Lehrkräfte und der Schaffung personalisierter Lernumgebung für die Schüler dank KI bis zur nötigen Veränderung der Prüfungskultur. Die Prüfungsformate müssten angepasst werden, um die Kompetenzen zur Nutzung von KI zu berücksichtigen und die Leistungsbewertung transparent und fair zu gestalten. 

 

Ist die Offenheit der Politik, was den Einsatz schon in den Grundschulen angeht, sogar größer als der Wissenschaft, die ihre Position Anfang 2024 in einer Stellungnahme der SWK formuliert hatte? Nein, sagt KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot, im Hauptberuf SPD-Bildungsministerin im Saarland, sie können den von manchen konstruierten Widerspruch zwischen der Handlungsempfehlung und der Stellungnahme der SWK "so nicht erkennen". 

 

Auch die SWK bestreite nicht, dass schon Grundschüler in ihrem Alltag mit KI-Anwendungen oder deren Auswirkungen konfrontiert seien. "Die Kinder leben ja nicht in einer Blase. Darum ist es so wichtig, früh ihre Medienkompetenz zu stärken, indem sich die Kinder schon in der Grundschule mit dem Wesen und der Bedeutung von KI auseinandersetzen." Das heiße nicht, dass sie mithilfe von ChatGPT ihre Aufsätze schrieben oder ihr Referat vorbereiten sollen, sondern es gehe immer um die Frage, wie wir die Kinder auf die Welt, in der sie leben, angemessen vorbereiten. "Mit KI-Verboten in der Grundschule zu arbeiten, ergibt insofern keinen Sinn, denn das Leben von Grundschulkindern findet zu einem großen Teil außerhalb der Schule statt."

 

In anderer Hinsicht ist aber der Widerspruch nicht wegzudiskutieren. Während sich die Bildungsminister in ihrer Gründungserklärung so empathisch zur Sicherstellung einheitlicher Standards bekennen, ist die Empfehlung in weiten Teilen nur Appell. Die Länder steckten mit dem Papier "für die ländergemeinsame sowie länderspezifische Arbeit einen thematischen Rahmen ab, der als Orientierung für die mündige, altersangemessene und versierte Nutzung von KI in schulischen Bildungsprozessen insbesondere für die Bildungsadministration der Länder dienen soll", heißt es darin.

 

Vertraute KMK-Sprech, neue Ambitionen
und immerhin ein Weg

 

Das klingt stark nach der alten, unverbindlichen KMK-Sprech, kombiniert mit wenig konkreten Absichtserklärungen. Beispiel Prüfungen. "Die Länder überprüfen ihre bestehenden Leistungsüberprüfungsformate daraufhin, inwieweit sie die Kombination verschiedener fachlicher und überfachlicher Kompetenzbereiche sowie die 4K bereits abdecken, und entwickeln diese dahingehend weiter."

 

Beispiel Regulierung: "Die Länder vereinbaren, Schulen und Schulträgern Hinweise zur rechtskonformen Nutzung von KI-Anwendungen an die Hand zu geben und mittelfristig durch eine länderübergreifende Empfehlung zur didaktischen Qualität von unterrichtlich nutzbaren KI-Anwendungen zu ergänzen." Mittelfristig. Und weiter: "Die Länder benötigen ein innovationsoffenes Regulierungs- und Gestaltungskonzept. Die Länder prüfen in diesem Zusammenhang, in welchen bestehen- den oder ggf. weiterzuentwickelnden Strukturen dies erfolgen kann." Prüfen.

 

Beispiel Zugang zu generativen KI-Anwendungen (LLM): "Die Länder streben daher an, zeitnah eine ländergemeinsame Schnittstellenlösung zum datenschutzkonformen und kostenfreien Zugang zu LLM im schulischen Bereich bereitzustellen." Streben an. Und nachhalten, wie die Ministerien und Bildungsverwaltungen die Handlungsempfehlung umsetzen oder nicht, wird die KMK auch nicht. 

 

So kann all die Aufbruch-Rhetorik nach der ersten Bildungs-MK doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weg zu einem schlagkräftigen Bildungsföderalismus trotz der bereits zurückgelegten Strecke weiter weit ist. Aber immerhin nicht mehr unmöglich. Denn genau das, die Unmöglichkeit ihrer Selbstreform, hatten viele Kritiker der KMK noch 2018 unterstellt. Sie hat sie eines Besseren belehrt.



Bildungsminister bekennen sich zum Kampf gegen
den Antisemitismus/Durchbruch bei den Digitalpakt-Verhandlungen bis Dezember?

Zum Jahrestag der des Überfalls auf Israel veröffentlichte die Bildungsministerkonferenz eine Erklärung. Unverhohlener Antisemitismus und Gewaltakte führten auch in Deutschland dazu, dass sich Jüdinnen und Juden bedroht fühlten, "sei es in der Schule, in Universitäten, in Kultureinrichtungen oder auf der Straße". Antisemitismus, der auch in Form des israelbezogenen Antisemitismus auftrete, dürfe in unserer Gesellschaft "und damit auch in unseren Schulen keinen Platz haben". Benennung, Aufklärung und konsequente Bekämpfung antisemitischer Vorfälle im schulischen Umfeld seien oberstes Gebot.

 

"Alle Schülerinnen und Schüler müssen sich in unseren Bildungseinrichtungen sicher fühlen können. Wenn es zu antisemitischen Äußerungen kommt, muss entsprechend reagiert werden – unabhängig davon, ob jüdische Schülerinnen und Schüler anwesend sind oder nicht." Der Schutz der Jüdinnen und Juden in Deutschland sowie das Eintreten für das Existenzrecht Israels als deutsche Staatsräson dürften keine leeren Vokabeln sein. 

 

Ein starkes bildungspolitisches Signal war auch, dass der israelische Botschafter Ron Prosor gleich im ersten Treffen der Bildungs-MK zu Gast war.

 

In einer weiteren Erklärung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 2025 mahnten die Bildungsminister, die Erinnerung an die Verbrechen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft dürfe nicht verblassen. Sie wachzuhalten, sei eine Aufgabe, die von Generation zu Generation weitergegeben werden müsse. Die Bildungs-MK rief alle Schulen dazu auf, sich anlässlich des 80. Jahrestages "intensiv mit diesen Themen zu beschäftigen".

 

"Der brutale Angriff der Hamas am 7. Oktober ist eine Zäsur für Israel - und auch für uns", sagte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot. "Seitdem erleben wir eine Eskalation der Gewalt und einen zunehmenden Antisemitismus mitten in unserer Gesellschaft, der mich sehr besorgt und der leider auch vor unseren Schulen nicht haltmacht." In den Gesprächen mit verschiedenen Bildungsstätten sei sehr deutlich geworden, dass antisemitische Inhalte heute über soziale Medien wie Tiktok verbreitet würden, "was wiederum zeigt, wie wichtig ist, dass Bund und Länder bei der digitalen Bildung nicht nachlassen".

 

Zu den laufenden Verhandlungen mit dem Bund um die Digitalpakt-Fortsetzung sagte Streichert-Clivot: "Um unser gemeinsames Ziel, Anfang 2025 starten zu können, noch zu erreichen, müssen wir bis Dezember eine Einigung erzielen."

BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) traf die Bildungsminister am Donnerstag zu einem Gespräch. Es sei gut gewesen, sich wieder einmal persönlich ausgetauscht zu haben, sagte Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien danach. "So richtig viel weitergekommen sind wir aber nicht." Man sei sich aber einig gewesen, dass Bund und Länder in den nächsten Wochen Ergebnisse schaffen müssten. Anfang Dezember wolle man die letzten Punkte dann in einem weiteren Spitzengespräch klären. Bis dahin sollen noch drei Treffen der verhandlungsführenden Staatssekretäre von Bund und Ländern stattfinden.

 

KMK-Präsidentin Streichert Clivot sagte, sie begrüße es "als ersten Schritt, dass der Bund anerkennt, dass wir Länder auch abseits der 90-10-Finanzierung beim Digitalpakt Schule große Leistungen erbracht haben, um die digitale Bildung nach vorn zu bringen." Das Saarland etwa statte alle Schüler ab Klasse 3 mit einem digitalen Endgerät aus. "Die Bundesministerin nimmt das durchaus wahr, und darum glaube ich nicht, dass der Bund ein Interesse daran hat, die Verhandlungen über der Frage der Kofinanzierungsanteile zum Scheitern zu bringen. Verhandlungen bedeuten immer die gegenseitige Bereitschaft zur Annäherung."

 

Der finanzielle Gesamtumfang des Digitalpakts 2.0 gehöre ebenso wie die Aufteilung der Finanzierung zwischen Bund und Ländern zu den Dissenspunkten. Die KMK werde in dem Hinblick von der Ministerpräsidentenkonferenz unterstützt, sie habe sich der Sichtweise der Kultusminister angeschlossen. "Wir sehen, dass im Bundeshaushalt keine explizite Vorsorge für die Pakt-Fortsetzung getroffen wurde. Wir brauchen aber auch eine Gewissheit, dass die mittelfristige Finanzierung Bestand hätte, falls es im Bund nächstes Jahr zu einem Regierungswechsel kommen sollte."

 

Die Modernisierung der digitalen Infrastruktur sei nichts, was nur eine staatliche Ebene zu verantworten habe. "Eine Kreidetafel zum Beispiel hält viele Jahre oder Jahrzehnte, eine digitale Tafel muss regelmäßig modernisiert werden. Diese zusätzlichen Kosten können wir auf Dauer nur tragen, wenn alle Ebene zusammenarbeiten."

 

Sie könne daher nur an den Bund appellieren, die Finanzierung der digitalen Infrastruktur in den Schulen als gemeinsame Daueraufgabe zu akzeptieren, sagte Streichert-Clivot. "Die Handlungsempfehlung zur KI zeigen: Wir müssen dringend in die digitale Infrastruktur investieren, sonst laufen wir in eine noch tiefere digitale Spaltung hinein, die letztlich eine soziale Spaltung ist."



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Kommentare: 3
  • #1

    tutnichtszursache (Freitag, 11 Oktober 2024 19:22)

    Danke für die laufende KMK-Berichterstattung in diesem Blog. Das weiß ich auch deshalb zu schätzen, weil die KMK - und damit bin ich bei einem nicht erwähnten Punkt - eines der intransparentesten politischen Konstruktionen in Deutschland ist. Leider scheint, soweit man es denn von außen sagen kann, dieser Aspekt in der Reformdiskussion nicht zur Sprache gekommen sein.
    Etwa: Hat die KMK eine Meinung zu, sagen wir, KI? Dem Dualen Studium? Der Hochschulpolitik der Europäischen Kommission? Man kann nur ahnen, dass es dazu KMK-Gremien gibt (von deren Existenz und Zusammensetzung man nichts weiß, die auch länderexklusiv sind und tendenziell keine Stakeholder einbeziehen), aber man kann nicht bei der KMK anrufen und fragen, wie ist der Diskussionsstand zu diesem und jenem. Irgendwann erscheint dann mal ein KMK-Beschluss oder auch nicht. Wesentliche Teile der Schul-, Hochschul- und Kulturpolitik in Deutschland werden also KMK-intern, ohne Öffentlichkeitsbeteiligung, ohne Diskussionsprozesse, ohne “white papers”, ohne parlamentarische Behandlungen diskutiert, rein auf Ministeriumsebene.
    Hier anzusetzen, wäre gut. Aber wohl leider illusorisch…

  • #2

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 12 Oktober 2024 22:56)

    "... man wolle sich auf wenige Gremien, die politisch gesteuert würden, konzentrieren. Wieder einmal eine ehrgeizige Ansage."

    Vielleicht ist ja die "politische Steuerung" selbst eine Ursache vieler Übel? Ob wohl die SWK auch "politisch gesteuert" wird? Nach dem oberflächlichen Anschein könnte es so sein.
    Die typisch deutsche Bürokratie mit ihrer Neigung, sich aufzublähen, verbindet sich mit einer Tendenz, durch die "politische Steuerung" eine CDU-Bildung und eine SPD-Bildung voneinander abzugrenzen. Das Resultat ist ein Leerlauf, der niemandem nützt. Angesichts der gegenwärtigen Probleme beim Thema Bildung ist jede parteipolitische Profilierung nur kontraproduktiv.

  • #3

    Franka Listersen (Montag, 14 Oktober 2024 10:14)

    "Schlagkräftiger Bildungs-Föderalismus" würde die föderale Ausrichtung der staatlichen Bildung stärken, also den Wettbewerb um Qualität und Zuspruch, immer mit Blick auf die Abnehmer der Bildungsleistung: Schüler, Betriebe, Hochschulen. Wenn Zentralisierung nicht der richtige Weg für eine evolutive und explorative Entwicklung ist (und obendrein verfassungswidrig), dann ist es letztlich egal, ob jene über den Bund oder eine Ländergemeinschaft (KMK) erfolgt. Verantwortung für Bildung gehört da gebündelt, wo sie organisiert wird: in den jeweiligen Ländern.