· 

Gläserne Decke für deutsche Spitzenunis

Warum sich die besten Hochschulen der Bundesrepublik international im Aufwind befinden, es im Times Higher Education Ranking aber nicht unter die Top 10 schaffen. Ein Gastbeitrag von Jeanne Rubner.

TUM-Erstsemester mit Unipräsident Thomas Hofmann. Foto. Andreas Heddergott, TUM.

MEIN LIEBLINGSFOTO DER TUM zeigt ein Meer blauer Kappen mit dem weißen TUM-Logo. Es sind Erstsemester auf dem großen Platz vor dem Gebäude der School for Computation, Information and Technology in Garching. Tausende haben sich zur traditionellen Feier am ersten Vorlesungstag Mitte Oktober versammelt. Schätzungsweise 15.000 haben gerade ein Studium an der TUM begonnen. Das sind nur ein paar Tausend mehr als am Massachusetts Institute of Technology, kurz MIT, insgesamt studieren, nämlich etwa 11.000. 

 

Für diese 11.000 Studierenden - und natürlich auch für viele Forschungsprojekte - leistet sich das MIT gut 1000 "faculty", also Lehrende - in der Regel Professorinnen und Professoren. Zum Vergleich: An der TUM sind es etwa 670. Das ist zwar ein Rekord, aber genauso rekordverdächtig ist die Studierendenzahl von circa 53.000 (genaue Zahlen gibt es erst gegen Weihnachten).


Jeanne Rubner ist Vizepräsidentin Globale Kommunikation und Public Engagement an der Technischen Universität München (TUM). Davor war sie unter anderem Leitende Redakteurin Außenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung und leitete die Redaktion "Wissen und Bildung aktuell" beim Bayerischen Rundfunk.
Foto: Astrid Eckert, TUM.


Diese Zahlen sind einer der wesentlichen Gründe, warum die TUM (und übrigens jede andere deutsche Uni) es beim Ranking von Times Higher Education, kurz THE, nicht  unter die 10 Top-Unis schaffen. Es ist mehr als – wie Jan Martin Wiarda schreibt – die Abhängigkeit von "staatlicher Finanzierung und eine oft komplexe Gremienstruktur, die strategisches Handeln meist dem Interessenausgleich der sogenannten Statusgruppen unterordnet".

 

Vielmehr macht die Kapazitätsverordnung, also der Zwang, eine bestimmte Zahl von Studierenden zuzulassen, den deutschen Unis einen Strich durch die Rechnung. Sie führt zu einem hohen, also ungünstigeren Betreuungsverhältnis. Und das trägt beim THE Ranking zu etwa einem Achtel zur Bewertung bei. Es korreliert zwar nicht linear mit der Rangfolge, aber die 25 Erstplatzierten haben eine Betreuungsrelation von maximal 25 (University of Toronto), die TUM kommt auf 42.


Ein weiterer Faktor zieht die deutschen Unis im Ranking nach unten. Wir leisten uns ein starkes außeruniversitäres Forschungssystem. Alle Nobelpreis-dekorierten Forschenden arbeiten ei der Max-Planck-Gesellschaft. Würde sie beim THE-Ranking antreten, läge sie locker unter den Top zehn weltweit. 

 

Bei aller berechtigten Kritik an der Methodik der Rankings ist es tatsächlich bemerkenswert, dass die TUM (und ein paar andere deutsche Unis) sich in den vergangenen Jahren systematisch nach oben gearbeitet haben. Bei der TUM zahlt sich jetzt aus, dass die Spitzenforschung strategisch ausgebaut worden ist, dass sie sich mit der Industrie und anderen Spitzenuniversitäten international vernetzt hat und Entrepreneurship – also Ausgründungen und Start-ups – seit langem fördert. 

 

Übrigens: Trotz der bestehenden Betreuungsrelation bewerten Studierende die Lehre an der TUM als sehr gut, wie das letzte CHE-Ranking attestiert. Schon jetzt werden sie durch digitale Lehrformate, Tutorien, und Mentoren unterstützt. Und das dürfte sich in Zukunft weiter verbessern: Die Studiengebühren, die seit diesem Semester internationale, nicht-EU Studierende zahlen müssen, fließen ausschließlich in weitere Verbesserung der Lehre. Dennoch ist die Zahl der Bewerbungen nicht gesunken. Ein schöner Vertrauensbeweis. Wir werden auch in Zukunft viele blaue Kappen bei der Erstsemesterfeier sehen.



In eigener Sache: Journalismus kostet

Vielen Dank für Ihre Unterstützung meiner Arbeit! Wie steht es um den Blog? Ein aktueller Überblick und eine Bitte.

 

Mehr lesen...


Kommentar schreiben

Kommentare: 11
  • #1

    Th. Klein (Dienstag, 22 Oktober 2024 08:13)

    Zum Ranking leider kein Neuigkeitswert, die Systematik ist lange bekannt und diskutiert worden und in diesem Zusammenhang auch die Passung zum dt. System (MPG etc.).

    "... ist es tatsächlich bemerkenswert, dass die TUM ..." und ein bißchen Selbstlob platziert. Auf andere "deutsche Spitzenunis" wird gar nicht eingegangen.

  • #2

    Edith Riedel (Dienstag, 22 Oktober 2024 09:13)

    Der Beitrag mag keinen Neuigkeitswert haben. Es ist jedoch extrem wichtig, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, DASS es so ist und WARUM deutsche Universitäten strukturell bedingt in diesem Rankings nicht besser abschneiden (können). Es gibt da ganze Strategieabteilungen und Rektorate, die das regelmäßig vergessen / ignorieren, und extremen Arbeitsaufwand generieren mit Aktionen, die das Standing der Universität in diesen Rankings verbessern sollen.

  • #3

    Karla K. (Dienstag, 22 Oktober 2024 09:14)

    Hm - und was ist der Informationsgehalt dieses Beitrags der TUM?

    Und: Auf das einleitende "Warum sich die besten Hochschulen der Bundesrepublik international im Aufwind befinden" wird dann leider gar nicht eingegangen. Ja warum denn? Geschicktes Datenmanagement? Eine vermeintlich gute THE-Platzierung bedeutet "international im Aufwind"? Also bezogen auf das internationale Rankingwesen? Scheint dann bereits als Wert an sich zu gelten.

    Dass bei den schätzungsweise 15.000 Studienanfänger*innen auch all diejeingen mitgezählt sind, die bspw. ihr Studium an der TUM im Master fortsetzen und die Zahl der Neueinschreibungen in einen grundständigen Studiengang mit 7.570 bei der Hälfte liegt, wird nicht erwähnt, Hauptsache, man kann wieder eine große Zahl raushauen, die man dann für die weitere Argumentation benötigt.

  • #4

    Peter Bannert (Dienstag, 22 Oktober 2024 10:16)

    Kleiner Hinweis: An der TU München ist neben Medizin und Lehramt Schulpsychologie für Berufsschullehrer derzeit KEIN Studiengang zulassungsbeschränkt. Das Argument, die Kapazitätsverordnung wäre schuld, ist also irreführend.

  • #5

    Wolfgang Kühnel (Dienstag, 22 Oktober 2024 11:22)

    FRAGEN:
    1. Wie viele der vielen Studenten der TUM wären denn wohl am MIT zugelassen worden, wenn sie sich dort beworben hätten?
    2. Wie sind bei den obigen Zahlen die nicht-professoralen Lehrenden berücksichtigt, also der akad. Mittelbau?
    3. Wie ist am MIT das Anliegen von "IchBinHanna" verwirklicht, dass die Leute nach der Promotion oder nach ein paar Jahren Postdoc eine Dauerstelle bekommen?
    4. Stimmt es, dass die bekannten exzellenten Universitäten in USA nicht deswegen exzellent sind, weil sie staatliche Exzellenzgelder ausgeben dürfen, sondern weil sie exzellente (handverlesene) Studenten haben, während deutsche Universitäten jeden nehmen müssen, dem man ein Abiturzeugnis ausgehändigt hat (außer bei einem genehmigungspflichtigen NC) ?

  • #6

    David J. Green (Dienstag, 22 Oktober 2024 12:24)

    Vielen Dank für diesen informativen Beitrag. Ich ahnte zwar, dass die Erklärung für die gläserne Decke ungefähr so aussehen würde – und in gewissen Fachkreisen scheint das auch hinlänglich bekannt zu sein, s. #1 –, aber bisher schien dieses Thema fast vollständig zu fehlen in jenen hochschulpolitischen Quellen, denen ich folge.

  • #7

    Wolfgang Wallis (Dienstag, 22 Oktober 2024 16:26)

    @1: Die Dame von der TUM ist eben gelernte Journalistin. Wer wundert sich da über diese Selbstbespiegelung.

  • #8

    Ruth Himmelreich (Mittwoch, 23 Oktober 2024 10:06)

    Es ist leider in der bundesdeutschen DNA drin, dass Zulassungsbeschränkungen von Übel sind und man lieber Studienabbrüche in Kauf nimmt, als weniger Studierende besser betreut zum Abschluss zu bringen. Das geht hierzulande nur in der Medizin.

    Und für die "Hannas" ist es am MIT übrigens auch nicht zwingend besser - hier in D wird immer gerne behauptet, in den USA rutsche man als Postdoc quasi stressfrei in eine unbefristete Position:

    "Postdocs join the MIT community soon after receiving the doctorate, and their length of stay varies depending on area of interest and individual circumstances. Since the postdoctoral position is not intended to be long-term, MIT limits the postdoctoral period to four years, with promotion to the rank of senior postdoctoral associate possible after three years. Extension for a fifth year or promotion to research scientist requires a dean’s or VPR approval."
    https://postdocs.mit.edu/postdoctoral-position

    Infos über Tenure am MIT sind etwas schwieriger zu beschaffen, aber nach älteren Informationen haben es mindestens früher lediglich unter 50 Prozent der assistant professors geschafft, tatsächlich Tenure zu erhalten. Und die aktuellen Infos, die keine Zahlen enthalten, zeigen mindestens, dass Tenure kein Selbstläufer ist. Bei uns hätte man es gern etwas einfacher, habe ich den Eindruck...

  • #9

    Wolfgang Kühnel (Mittwoch, 23 Oktober 2024 13:08)

    Zum Beitag #8: ... wobei in USA ein assistant professor mit tenure track nach meinem Eindruck viel eher unserem Juniorprofessor entspricht als einem Postdoc auf einer befristeten, drittmittelfinanzierten Projektstelle. Und es gibt auch Positionen für einen assistant professor ohne tenure track. Das ist dann befristet. In jedem Fall gehört ein assistant professor zur "faculty", also zum regulären Lehrkörper, und wird zusamen mit den Professoren aufgelistet, gewissermaßen als die unterste von mehreren Rangstufen. Das ist eigentlich nicht die Zielgruppe von "IchBinHanna".

  • #10

    Laubeiter (Donnerstag, 24 Oktober 2024 09:43)

    Dieser Beitrag ist in mehrfacher Hinsicht paradox. Überschrift und Text behandeln unterschiedliche Fragen und ein fishing for compliments wird neben eine Betrachtung von Hindernissen gestellt. Es geht im Beitrag um eine der beiden Münchner Universitäten, und zwar die technische der beiden. In global rankings schneiden technische Universitäten wie MIT, Standorf, Caltech, ETH, EPFL prinzipiell etwas besser ab als Vollunis oder, das gibt es ja auch, Universitäten ohne Technik. Ich fände es gut, wenn sich die deutschen Universitäten in erster Linie mit Schweiz, Österreich, Frankreich und Großbritannien messen würden und dann erst mit denen in USA oder NUS oder Fudan.

  • #11

    Udo Michallik (Freitag, 25 Oktober 2024 10:10)

    Einmal weg von Ivy-League Universitäten in den USA. Die Arizona State University in Tempe, AZ hat sich in den letzten 30 Jahren zu einer der größten und erfolgreichsten Universitäten in den USA entwickelt. Ihr Präsident Michael Crow ist in meinen Augen ein exzellenter Hochschulmanager, der wissenschaftspolitisch und strategisch die Universität entwickelt hat und in puncto Innovation vor MIT, Harvard und Stanford liegt und das seit einigen Jahren. Ein Blick dorthin nutzt uns vielleicht mehr als der Blick auf MIT wenn es um strategische Hochschulentwicklung geht: https://www.asu.edu/about/facts-and-figures