Eine Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, die keinen Antragsteller diskriminiert? Unbedingt! Aber bitte so, wie die DFG Diskriminierungsfreiheit versteht. Ein Gastbeitrag von Bastian Kaiser und Josef von Helden.
Symbolbild, KI-generiert.
DIE DEUTSCHE FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT diskriminiert niemanden. Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation sollte das auch nicht tun. Die DFG privilegiert aber sehr wohl, und zwar Antragstellerinnen und Antragsteller, deren persönliche Vita deutliche Hinweise darauf geben, dass sie geeignet und befähigt sein könnten, die Ziele der DFG zu unterstützen. Festgemacht wird die mutmaßliche Befähigung der Antragstellenden an erkennbar eigenen Erfahrungen und Erfolgen in der Grundlagenforschung. Diese Fokussierung basiert (noch immer) auf den ersten beiden Sätzen in Paragraph 1 der DFG-Vereinssatzung: "Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Forschung höchster Qualität. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Förderung von aus der Wissenschaft selbst entwickelten Vorhaben im Bereich der erkenntnisgeleiteten Forschung."
Spätestens seit der Novellierung der Satzung im Jahr 2021 und der damit verbundenen Voranstellung einer Präambel kann durchaus in Frage gestellt werden, ob die Privilegierung bewährter Grundlagenforscherinnen und -forscher in der skizzierten Form satzungsgemäß ist. DFG-Präsidentin Katja Becker und Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger verweisen gerne darauf, dass HAWs doch kurz davor stünden, ein Prozent der 3,9 Milliarden Euro Jahresfördervolumen der DFG einzuwerben. Das sei ein schöner Erfolg, stehe für die zunehmende Akteursoffenheit der DFG-Programme und zeige, dass die Tür nun für alle offen sei.
Spröder werdende Dichtungen,
keine offenen Türen
Abgesehen davon, dass dieser Anteil weniger ein Hinweis auf offene Türen als allenfalls auf langsam spröde werdende Dichtungen ist und dass sich unverändert die Frage stellt, ob auch die Begutachtungsausschüsse der DFG akteursoffen sind, kann man feststellen: Die DFG scheint ihr Geld – Entschuldigung! Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – recht treffsicher ins Ziel zu bringen. Warum sonst hält man im Bund und bei der DFG so hartnäckig an den alten "Zugangsvoraussetzungen" und "Erfolgsparametern" fest? Vermutlich weil es für eine treffsichere Beurteilung der Qualität eines Antrags nicht genügt, dass der Antrag exzellent ist, sondern es eben auch darauf ankommt, dass die Vita der Antragstellenden erwarten lässt, dass diese den Zielen der Zuwendungsgeberin möglichst gut dienen können.
Auch bei der DATI soll und wird es um die Förderung höchster Qualität gehen. Allerdings nicht um die der Grundlagenforschung, sondern um die des Transfers von Forschungsergebnissen und Erkenntnissen aller Forschungsdisziplinen und Forschungsarten in die Anwendung. In technischen Bereichen ebenso wie in geisteswissenschaftlichen und in den Disziplinen der Sozialwissenschaften. Die aktuellen Herausforderungen unserer Gesellschaft, der Wirtschaft, des Weltklimas und des Weltfriedens erfordern auch für den Transfer eine möglichst hohe Treffsicherheit – zumal bei absehbar (zu) knappen Mitteln.
Transfererfahrungen im
Lebenslauf privilegieren
Von der DFG lernen heißt also: Es spricht nichts dagegen, (auch?) die DATI und ihre Programme akteursoffen aufzustellen. Wichtig ist auch hier die hohe Qualität der Anträge, wobei diese mit Parametern "gemessen" und beschrieben sein müssen, die vor allem den Transfer im Blick haben. Und ebenfalls analog zur DFG und den von ihr geforderten persönlichen Voraussetzungen sollte bei der DATI gelten, dass die Antragstellenden eine persönliche und erfolgreiche Transfer- und Praxiserfahrung nachweisen können. Diese ist bei der Antragsbegutachtung maßgebend zu würdigen, um Fehlallokationen (zu!) knapper Mittel für den Transfer zu vermeiden.
Im Klartext: Solche Erfahrungen sind im Beurteilungsverfahren zu privilegieren. Das wäre akteursoffen und eben keine Diskriminierung zum Beispiel einer ausgewiesene Kompetenz in der Grundlagenforschung, des Vorhandenseins einer Habilitation oder einer Professur an einer Hochschulart, die nicht in erster Linie für ihre Transferleistungen steht.
DATI soll den dringend erforderlichen Transfer aus der Forschung in die Praxis verbessern und so zu einem wichtigen "Transformationsriemen" werden. Muss dieser Riemen erst über andere Rollen, Bänder und Zahnräder umgelenkt werden – um antragstellende Professorinnen und Professoren zunächst für die Belange der Praxis zu sensibilisieren, sie in der Praxis sprechfähig und verständlich zu machen– ,dann verlöre die Transformation an Energie und Zeit. Das können und sollten wir uns nicht leisten.
Bastian Kaiser ist Rektor der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Josef von Helden ist Präsident der Hochschule Hannover.
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Th. Klein (Dienstag, 05 November 2024 09:08)
Mich erinnert der Beitrag an die Kriterien zum HAW-Promotionsrecht, wo in der Regel Kennzahlen zu Drittmitteln und Publikationen erhoben und geprüft werden, aber im Regelfall nicht Transferleistungen bzw. andere HAW-spezifische Leistungen.
emob (Mittwoch, 06 November 2024 11:26)
Ja, das Problem des Wissenschaftsystems und inbesondere der Forschungsförderung ist immer noch die Orientierung der Universität als Normalfall und allem anderen als Ableitung davon. Das fängt schon bei der Verwirrung um der Fördermöglichkeit von Deputatsreduktionen an und geht weiter bis zur Bewertung der Leistungen. Wenn es der politische Wille ist, von Hochschulen Forschungs- und Transferleistungen zu erwarten, dann muss das System entsprechend umgebaut werden und damit auch die Kriterien der Bewertung, das kann nicht einfach analog von der Universität abgeleitet werden.