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Deutschlands Wissenschaft glänzt nur auf den ersten Blick mit ihrer Internationalität

Auf den zweiten Blick ist sie unübersehbar: die gläserne Decke zwischen Einstiegspositionen und Führungsetage in Hochschulen und Forschungsinstituten. Ein Kommentar.

"DEUTSCHLAND IST DIE WELTWEITE NUMMER 2 für internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler", meldete der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) am vergangenen Donnerstag. Über 75.000 Forschende aus aller Welt arbeiteten in Deutschland. Nur in den viel größeren Vereinigten Staaten waren es mit 86.000 noch mehr. Bemerkenswert. Zudem seien 380.000 internationale Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben – ein neuer Höchststand. Die Zahlen stammen aus der DAAD-Veröffentlichung "Wissenschaft Weltoffen", der jährlichen Bestandsaufnahme zum Stand der Internationalisierung in der Wissenschaft. Sie ist so detailliert und umfassend, dass "Wissenschaft Weltoffen" selbst die DAAD-Erfolgsmeldung gleich wieder mit dicken Fragezeichen versieht.

 

Ja, der Anteil internationaler Wissenschaftler in deutschen Hochschulen und besonders in außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist extrem hoch – und in den vergangenen Jahren weiter gestiegen. An den Hochschulen über alle Karrierestufen hinweg auf 14,7 Prozent, wobei die Universitäten sogar auf 17,6 Prozent kommen (einzelne vor allem in den großen Wissenschaftsmetropolen natürlich auf noch deutlich mehr). Ganz zu schweigen von den Forschungsinstituten der Max-Planck-Gesellschaft: atemberaubende 52,5 Prozent. Helmholtz: 29,8 Prozent. Leibniz: 27,8 Prozent. Während die Fraunhofer-Gesellschaft mit nur 12,2 Prozent abfällt.

 

Aber was nützen die tollen Zahlen, wenn das deutsche Wissenschaftssystem bislang nur auf der Ebene der Doktoranden und Postdocs wirklich offen ist? Den 14,7 Prozent beim internationalen Hochschulpersonal stehen 7,7 Prozent bei den Professoren gegenüber. Und von letzteren stammen allein 1,4 Prozentpunkte aus Österreich. Vor allem die HAWs sehen bei der Internationalisierung schwach aus (6,8 Hochschulpersonal insgesamt versus 3,0 Prozent Profs). Der Schwund zwischen den Karrierestufen bei Helmholtz: von 29,8 auf 19,8 Prozent beim wissenschaftlichen Führungspersonal. Besonders mies erneut Fraunhofer: von 12,2 auf 6,0 Prozent. Die positive Ausnahme ist auch hier Max Planck: 42,5 Prozent internationales Führungspersonal ist immer noch ein sehr starker Wert. Bei Max Planck kann man zudem sicher sein, dass das internationale Spitzenleute sind.

 

Bei vielen Hochschulen und Forschungsinstituten stellt sich dagegen die Frage: Ist internationale Quantität bei den jungen Forschenden gleichbedeutend mit internationaler Qualität? Kann Deutschland auch in der Hinsicht mit Konkurrenten wie den USA und Großbritannien mithalten? Oder fehlt unserem Wissenschaftssystem, siehe Wissenschaftszeitvertragsgesetz und allgemein die unsicheren Aussichten auf eine Professur, dann doch die Wettbewerbsfähigkeit?

 

Derweil ist unklar, ob Deutschland trotz der Rekordzahl von 380.000 internationalen Studierenden 2023/24 als Gastland in den Top 3 geblieben ist. Die internationalen Vergleichszahlen geben das nicht her, sie stammen von 2022. Doch egal, ob Deutschland doch wieder von Australien von Platz drei verdrängt worden sein sollte: Hier ist die deutsche Erfolgsgeschichte eine ganz ungebrochene. 

 

Dieser Kommentar erschien zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.



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Kommentare: 4
  • #1

    Jeff Peck (Dienstag, 12 November 2024 12:24)

    Du hast völlig recht, Jan Martin, und die Lage hier sehr gut geschildert. Aber wie du schon angedeutet hast, muss das Wissenschaftssystem in Deutschland sich grundsätzlich ändern. Sind die Führungskräfte und Bildungspolitiker hier bereit, die notwendigen Veränderungen zu machen? Erstmal brauchen sie einen stärkeren Willen und eine Offenheit - besonders bzgl. festen Kategorien wie z.B.„Internationalisierung“ - Ihre Perspektiven zu wechseln. Then, lets see what can happen!

  • #2

    Edith Riedel (Dienstag, 12 November 2024 17:26)

    Das ist ein reines.Sprachproblem. Lehre wird immer noch übeewiegend auf Deutsch angeboten. Und die akademische Selbstverwaltung funktioniert ausschliesslich auf Deutsch. C1 ist eine sehr hohe Hürde. Und kein*e Professor*in möchte Kolleg*innen, die in der Lehre und der akademischen Selbstverwaltung nicht sofort voll einsatufähig sind. Simple as that.

  • #3

    Tobias Denskus (Mittwoch, 13 November 2024 10:45)

    Jedes Wissenschaftssystem ist national-es fällt nur gerade bei englischsprachigen Ländern weniger auf-natuerlich wird in Italien italienisch an Unis gesprochen und in Schweden schwedisch. Nicht-nationales Fuehrungspersonal ist in vielen OECD-Systemen unterrepräsentiert-und da wieder auf MPIs oder Oxford zu schauen hilft nicht-in der Breite gilt das nirgendwo.
    Das bringt mich zum nächsten Punkt: Race to the bottom. Deutschland schneidet vergleichsweise gut ab, weil viele andere Systeme *noch schlechter* sind und, gerade fuer Studierende und ECR, noch teurer. Fehlende Studiengebuehren, niedrige Lebenshaltungskosten (ja, auch Mieten in vielen Uni-Städten) sind wichtige pull-Faktoren. Deutschland ist weder besonders "gut" noch besonders "schlecht"-es profitiert von ein paar systemischen Vorteilen im Vergleich zu anderen grossen Wissenschaftssystemen

  • #4

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 16 November 2024)

    Glaubt irgend jemand, die große Lösung des Problems von "IchBinHanna" würde zu mehr ausländischen Wissenschaftlern in Deutschland führen? Das Gegenteil könnte der Fall sein. Viele Deutsche gehen deshalb nach England oder USA, weil sie dort leichter eine Dauerstelle an einer Universität bekommen können. Kaum einer wandert aus wegen Abenteuerlust. Mit mehr Dauerstellen in Deutschland würden die tendenziell hier bleiben. Warum ein hoher Ausländeranteil unter den Professoren per se besonders gut sein soll, ist in dem Artikel nicht begründet worden. Wichtiger sind doch wohl internationale Erfahrungen und Kontakte des Lehrpersonals. Und wenn bei Beamten schon ein Wechsel zwischen Bundesländern schwierig werden kann, so gilt das erst recht bei internationalen Wechseln, allein schon wegen der unterschiedlichen Systeme der Alterssicherung, der Krankenversicherung usw. Und die Vereinbarkeit mit Familien ist auch ein Thema.
    Die Max-Planck-Gesellschaft bietet eben auch reine Forschungsstellen bei gleichzeitig weit höheren Gehältern als etwa eine W2-Professur (vergleichbar der Endstufe von A14). Da kann man internationale Stars herlocken. Das aber kann man so nicht flächendeckend einführen.