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Was macht Özdemir?

Diese Woche noch will der neue BMBF-Chef die neuen beamteten Staatssekretäre benennen. Was plant er außerdem, um die Arbeitsfähigkeit im Ministerium wiederherzustellen? Eine Analyse.

Aus dem aktuellen Internetauftritt des BMBF. 

DASS DIE BMBF-PERSONALPOLITIK im Monat 1 nach Bettina Stark-Watzinger eine diffizile Sache ist, bekam ihr Nachfolger Cem Özdemir bereits am Ende seiner ersten Woche im Amt zu spüren. 

 

Denn dass er die bisherigen beamteten Staatssekretäre Judith Pirscher und Roland Philippi von ihren Aufgaben entbinden würde, hatte der Grünen-Politiker vertraulich halten wollen – bis zur Kür ihrer Nachfolger. Doch dann kam die Nachricht, dass Pirscher und Philippi gehen sollten, schon am Freitagmittag bei Table.Media an, ein paar Minuten später war sie auf "X", die Aufregungskurve im BMBF schnellte hoch, und Özdemir musste reagieren.

 

Um 14.30 Uhr verschickte der neue Chef eine hausinterne Mail an alle BMBF-Mitarbeiter. Er könne sich vorstellen, schrieb Özdemir mit Blick auf die Table-Meldung, "dass sich für Sie daraus viele offene Fragen ergeben." Ja, er werde Pirscher und Philippi von ihren Aufgaben entbinden. "Gerne hätte ich dies getan und Ihnen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zeitgleich die Nachfolger präsentiert, damit Sie in den gewohnten Abläufen und mit klar benannten Ansprechpartnern Ihre tägliche Arbeit fortsetzen können. Vor dem Hintergrund der Medienberichterstattung hat sich die Situation nun aber verändert, so dass es mir als Ihr Bundesminister wichtig war, Sie umgehend zu informieren."

 

Er dankte den beiden vor der Ablösung stehenden Staatssekretären für die Zusammenarbeit der vergangenen Tage, sie hätten loyal und pflichtbewusst "weiterhin ihre Aufgaben erfüllt und der Bundesrepublik Deutschland in diesen turbulenten Tagen ihren Dienst erwiesen". Er habe die beiden gebeten, ab Montag Urlaub zu nehmen. Zugleich bestätigte er, dass seine parlamentarische Staatssekretärin aus dem Landwirtschaftsministerium, Claudia Müller, die Aufgaben der Parlamentarischen Staatssekretärin im BMBF zusätzlich übernehmen werde.

 

Alles Andere als die Benennung neuer BMBF-Staatssekretäre wäre kaum zu verantworten gewesen

 

Mit seiner ebenfalls in der Hausmitteilung enthaltenen Ankündigung, er werde in der kommenden Woche die Nachfolger für Pirscher und Philippi benennen, wählte Özdemir allerdings ein anderes Wording als die Table-Meldung. In der hatte es mit Berufung auf "Regierungskreise" geheißen, nach einem tagelangen Prozess, den federführend das Bundeskanzleramt an sich gezogen habe, sei "jetzt klar, dass die beiden Positionen nicht vor der Bundestagswahl nachbesetzt werden". Womöglich handelt es sich um eine ungewöhnliche oder gar nur vorübergehende Benennung, um die langfristigen Kosten kurz vor der Wahl gering zu halten?

 

Er werde sich in Kürze wieder "an Sie wenden", schloss der Minister seine Hausmitteilung, bat um Verständnis und Geduld und "darum, Ihre Arbeit wie gewohnt fortzuführen".

 

Fest steht jedenfalls: Alles Andere als die Bestimmung von Nachfolgern für die BMBF-Staatssekretäre hätte dann doch auch sehr gewundert, mehr: wäre kaum zu verantworten gewesen für eine Übergangszeit, die mindestens ein halbes Jahr, womöglich deutlich länger dauern wird. Ein Ministerium, das vom Chef eines anderen Ministeriums mitgeführt und von dessen parlamentarischer Staatssekretärin mitvertreten wird; dessen Führungspositionen an über einem Dutzend Stellen mit Gefolgsleuten einer Ministerin besetzt wurden, einige davon wegen ihrer Bundeswehr-Vergangenheit als "Soldateska" bezeichnet, von denen jetzt, nach dem unrühmlichen Koalitionsbruch und Abgang der Ministerin, viele noch mehr wie Fremdkörper wirken als zuvor: Ein solches Ministerium wäre kaum noch arbeitsfähig ohne die zumindest teilweise Rekonstruktion eigener Führungsstrukturen.

 

Nicht nur muss es nach innen heilen und nach außen, Stichwort Fördermittelaffäre, seine Reputation wiederherstellen. Seine Arbeitsfähigkeit ist auch deshalb dringend nötig, um erstens wie vom neuen BMBF-Chef angekündigt den Digitalpakt 2.0 schleunigst fertigzuverhandeln und zweitens die unter Stark-Watzinger auf Tiefpunkten angekommenen Bund-Länder-Beziehungen in Bildung und Wissenschaft zu reparieren. Drittens sollte das Haus vorbereitet sein, falls zwischen Minderheitsregierung und Opposition in den nächsten Monaten doch noch für Bildung oder Wissenschaft relevante Gesetzesvorhaben in Angriff genommen werden sollten (wonach es derzeit allerdings nicht wirklich aussieht).

 

Hält sich Özdemir an seinen eigenen Zeitplan, müsste er bis zum Wochenende Vollzug in Sachen Staatssekretärs-Nachfolge melden. Zumal der Umgang mit weiteren Personalentscheidungen Stark-Watzingers kaum Aufschub dulden. Was etwa wird aus dem Leiter der BMBF-Grundsatzabteilung Jörn Hasler, zuvor FDP-Fraktionsdirektor "Zentrale Angelegenheiten"? Bleibt Daniel Rudolf, vor seiner BMBF-Zeit Bereichsleiter in der Parlamentarischen Geschäftsführung der FDP-Fraktion, Chef der Leitungsabteilung? Wird die Unterabteilung Kommunikation weiter von Michael Zimmermann geführt, bis Anfang 2024 FDP-Bundesgeschäftsführer? Und was ist dem Leiter der BMBF-Zentralabteilung, FDP-Mann Dirk Schattschneider, der immerhin mehrere Jahre Erfahrung in anderen Bundesministerien vorweisen kann?  


BMBF und BMEL halten sich bei Fragen nach
weiteren Personalplänen noch bedeckt

 

Und dann sind da noch Leute wie Stefan Müller, Leiter der Abteilung für "Zukunftsvorsorge ­– Forschung für Grundlagen und nachhaltige Entwicklung", der vorher stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender in Hessen war, wo Stark-Watzinger selbst bis heute Partei-Landesvorsitzende ist. Als Müller, im Landtag Sprecher für Innenpolitik, Sport und Verwaltungsreform, ohne jegliche Erfahrung in der Wissenschaftspolitik Ende 2022 berufen wurde, hoben viele Beobachter erstmals die Augenbrauen. Weil die Besetzung einer Fachabteilungsleitung mit einem gerade noch aktiven parteipolitischen Mandatsträger auf die Abteilungsleiterebene im BMBF zu dem Zeitpunkt noch als ungewöhnlich galt.

 

Gefragt, ob alle bisherigen Abteilungsleiter weiter im Amt seien, bei welchen Positionen es Pläne für Veränderungen gebe und wann das vor Tagen offline gegangene BMBF-Organigramm wieder abrufbar sein wird, hielten sich die Pressestellen von BMBF und BMEL am Montag noch bedeckt, ganz offensichtlich spielt man auf Zeit. Klar ist: Man kann und darf nicht den Fehler machen, FDP-Parteigänger mit wiederum parteinahen – diesmal grünen – Leuten zu besetzen.

 

Hinzu kommt, dass die BMBF-Pressestelle ihr ganz eigenes Leitungsproblem hat. Sie wird wie berichtet geführt von Kathrin Mendorf, erst Anfang Oktober von Stark-Watzinger ins Amt befördert als Nachfolgerin des inmitten der Fördermittelaffäre auf einen Referatsposten weggelobten FDP-Mann Nils Droste. Vorher war Mendorf Pressesprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Den Zugang zu Özdemir haben aber dessen BMEL-Leute, bei ihnen landen derzeit auch alle politisch relevanten Anfragen ans BMBF. 

 

"Es sind die kleinen Schritte, die die Hoffnung zurückbringen", kommentierte der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer am Freitag auf "X", als die Ablösung Philippis bekannt wurde. Zimmerer gehörte zu den Wissenschaftlern, die Stark-Watzinger in der Fördermittelaffäre immer wieder lautstark kritisiert hatten. Viele warten nun gespannt darauf, ob Özdemir bald den nächsten macht – und aktiv die Aufklärung der Vorgänge im Ministerium angeht. 

 

Vorboten für eine aktivere
Aufklärungsrolle der Grünen?

 

Manche sehen in Äußerungen des einflussreichen Grünen-Politikers Kai Gehring bereits Vorboten dafür. Seit dem Frühjahr dieses Jahres sei zunehmend spürbar gewesen, wie sich das Engagement der FDP-Hausspitze verlangsamte und unmotivierter wurde, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Forschungsausschusses Table Media. "Zuletzt entstand der Eindruck, dass im BMBF unter FDP-Leitung Ambitionslosigkeit statt Innovationsfreude herrschte. Zusätzlich lähmte der massive Vertrauens- und Ansehensverlust von Ministerin a.D. Stark-Watzinger wichtige Projekte des Hauses."

 

Töne, die man so bislang von Gehring nicht gehört hatte; im Gegenteil hatten die Grünen nach Stark-Watzingers erneuter Ausschussbefragung im September die Aufklärung faktisch für erledigt erklärt.

 

Denkbar wäre, dass die im Zuge der Fördermittelaffäre geschasste Philippi-Vorgängerin Sabine Döring die Sache beschleunigt. Sie könnte einen erneuten Antrag auf Aufhebung ihrer Verschwiegenheitspflicht stellen, den Stark-Watzinger abgelehnt hatte. Auf Anfrage sagte Döring am Dienstag, dazu wolle sich "zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern".



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