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Exzellenzstrategisches Harakiri

Bis vor kurzem galt die Berliner Wissenschaftsförderung bundesweit als Vorbild. Mit seinem Sparhaushalt reißt der CDU-SPD-Senat ein, was seine Vorgänger mühsam aufgebaut haben.

Bild: Hans / Pixabay.

ES IST DIE SELBSTDEMONTAGE eines Forschungsstandortes, die man nur mit einem Gefühl faszinierter Fassungslosigkeit verfolgen kann. 

 

Es ist nicht lange her, da erlebte Berlins Wissenschaftsszene ein goldenes Zeitalter. Die Hochschulen erhielten seit 2018 jedes Jahr 3,5 Prozent mehr Geld. 2021 beschloss der Senat gar, bis 2036 jedes Jahr 250 Millionen Euro in die Sanierung der Gebäude zu stecken. Es gab hunderte Millionen für ein neues Herzzentrum, für die Sanierung des Naturkundemuseums. Dann die strategisch-großzügige Art, mit der das Land die Bewerbung der Berliner Universitäten um Exzellenzcluster und den Status als Exzellenzuniversität kofinanziert hatte über das bundesweit einzigartige Konstrukt der landeseigenen Einstein-Stiftung.

 

Als die neuen Hochschulverträge für die Jahre 2024 bis 2028 geschlossen wurden, gab der neue CDU-SPD-Senat gar die Losung "Fünf mal fünf" aus: Fünf Prozent mehr für die Hochschulen, fünf Jahre lang. Was die Hochschulen hoffen ließ, dass sie mittelfristig auch die Inflationsverwerfungen der Energiekrise-Jahre finanziell verwinden würden.

 

Als die Berliner University Alliance (BUA) im Februar 2024 ins Humboldt-Forum lud, beschwor der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), die Positionierung Berlins als Wissenschaftsstandort sei "das entscheidende Zukunftsthema für Berlin" und fügte mit Blick auf die BUA-Pläne für die Exzellenzstrategie hinzu: "Wir können mit Optimismus in die Zukunft schauen, wenn das alles hier umgesetzt wird." Angesprochen auf die "Fünf mal fünf", antwortete Wegner, nachzulesen im Tagesspiegel, die neuen Hochschulverträge seien nicht ohne Grund gerade erst unterzeichnet worden, trotz der Sparankündigungen des Finanzsenators. "Das zeigt, dass es hier Verlässlichkeit gibt." 

 

Gesamthaushalt: -7,4 Prozent,
Wissenschaft: -9,1 Prozent

 

Szenenwechsel in die Gegenwart. Am Mittwoch beschloss der Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses ein drei Milliarden Euro schweres Sparpaket für das kommende Jahr. Der Wissenschaftsetat soll gegenüber den bisherigen Planungen um 250 Millionen Euro gekürzt werden, das entspricht 9,1 Prozent. Man kann also nicht einmal sagen, dass die Wissenschaft im Vergleich zu anderen Ressorts geschont würde, im Gegenteil. Insgesamt sinkt der Berliner Haushalt nur um 7,4 Prozent ab. 

 

Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) und ihre Beamten haben offenbar alle Register gezogen, um 2025 die Folgen für die Hochschulen abzumildern. Trotzdem sollen von den Einsparungen 106,7 Millionen Euro direkt aus deren Budgets kommen. Ein Minus im Vergleich zu den Vereinbarungen der Hochschulverträge um 5,7 Prozent. Weitere 10,7 Millionen Euro sollen bei den Investitionen wegfallen. Und die Einstein-Stiftung, die explizit die Spitzenforschung besonders der BUA fördern soll, muss weitere vier Millionen abgeben.

 

Da hilft wenig, dass Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) nach dem Beschluss des Hauptausschusses am Mittwoch per Pressemitteilung betonte: So schmerzhaft "die erforderlichen Einsparungen" seien, freue es sie, "dass wir gegenüber der Einsparliste des Koalitionsausschusses heute für zentrale Bereiche meines Hauses Finanzierungen aufrechterhalten konnten". Zum Beispiel soll die Berlin Quantum Alliance nach massiven Protesten aus der Wissenschaft nun doch eine laut Czyborra "beträchtliche Fördersumme" erhalten, auch das Hochleistungsrechnen soll verschont bleiben, die starken Kürzungen bei den Studierendenwerken kleiner ausfallen.  

 

Fakt ist: Allein 106,7 Millionen Einsparungen bei den Hochschulverträgen übertreffen bereits deutlich das jährliche Fünf-Prozent-Plus, so dass die Hochschulen tatsächlich nächstes Jahr mit knapp 17 Millionen Euro weniger haushalten müssen. Real ist das Minus aber weitaus größer, weil gleichzeitig Preise und Gehälter steigen.

 

Die nächste Sparrunde wird den
Hochschulen noch viel mehr wehtun

 

Und wer glaubt, damit sei das Schlimmste überstanden, irrt. Denn Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hat bereits angekündigt, dass 2026 weitere zwei Milliarden Euro im Gesamthaushalt eingespart werden sollen. Ausgehend vom 2025 erreichten Sparlevel. Rechnet man – angesichts der aktuellen Erfahrungen optimistisch – damit, dass die Wissenschaft nur durchschnittlich zur Kasse gebeten wird, wäre das nochmal ein Minus von 5,3 Prozent.

 

Und hier dürfte das äußerste Bemühen der Senatsverwaltung, 2025 möglichst wenig der Einsparungen auf die Hochschulen umzulegen, zum Boomerang werden. Wo alles Bewegliche in der Wissenschaft schon weggekürzt ist, bleibt ein großer Brocken: die Hochschulzuschüsse. Doch selbst wenn die "nur" um weitere 5,3 Prozent runtergehen sollten, wäre das ein Verlust von 134 Millionen Euro. Und diesmal nicht von einer fiktiven "plus fünf Prozent"-Hochschulvertragstreppe, sondern von der Nulllinie aus.

 

Die Senatsverwaltung bestätigt auf Anfrage die Spar-Zahlen für 2025. Senatorin Czyborra sagte am Mittwoch, die beschlossenen Einsparungen bei den Hochschulverträgen stellen "uns vor große Herausforderungen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir unter Nutzung der hohen Rücklagen der Hochschulen den Sparzwang auf die kommenden Jahre verteilen können." Ihr Ziel sei auch, "unter strukturellen Anpassungen ein auskömmlich finanziertes und leistungsstarkes Hochschulsystem in Berlin zu haben. Hierzu stehen wir mit den Hochschulleitungen in einem engen und konstruktiven Austausch."

 

Konkret gefragt nach dem Haushalt für die Jahre 2026/27 wollte sich Czyborras Verwaltung allerdings nicht äußern, "da diese Jahre Gegenstand zukünftiger Beratungen von Regierung und Parlament sind". 

 

Mit hoffentlich ein wenig mehr Einsicht, als derzeit zu erkennen ist. Gespart wird an den Hochschulen aktuell auch in etlichen anderen (aber längst nicht in allen!) Bundesländern. Was die Berliner Situation allerdings besonders macht, sind einerseits der hohe Absturz innerhalb weniger Monate und der politische Vertrauensverlust, der sich im Gegenschnitt zu Wegners noch vor kurzem gemachten Versprechungen ergibt. Hinzu kommt die einzigartige Dimension, die sich da abzeichnet: Eigentlich hätten die Hochschulen 2025 und 2026 inklusive Charité 180 Millionen Euro mehr bekommen sollen. Jetzt dürften es mindestens 150 Millionen weniger werden. Macht eine Differenz von 330 Millionen Euro. Was ziemlich genau dem Grundhaushalt der Berliner Humboldt-Universität entspricht.

 

Innerhalb von zwei Jahren eine
große Forschungsuniversität weggekürzt

 

Mit anderen Worten: Der Regierende Bürgermeister, der noch Anfang 2024 von Wissenschaft als dem entscheidenden "Zukunftsthema" sprach und "Verlässlichkeit" beschwor, führt eine Landesregierung, die innerhalb von zwei Jahren das Äquivalent einer großen Forschungsuniversität wegkürzen will. Und die verantwortliche Wissenschaftssenatorin hat, Stand heute, nicht das politische Standing, um das auch nur in Ansätzen zu verhindern.

 

Was schon in normalen Zeiten katastrophal wäre für ein immer noch armes Bundesland, das zu Recht seit mindestens anderthalb Jahrzehnten vieles auf die Karte Wissenschaft gesetzt hat. Und in der Zeit trotzdem die Pro-Kopf-Hochschulfinanzierung nur auf gut 90 Prozent des Hamburger und knapp 75 Prozent des bayerischen Niveaus gehievt hat.

 

Doch sind nicht normale, sondern ExStra-Zeiten. Der 22. Mai 2025 ist ein Datum, auf das die Hochschulleitungen überall in der Bundesrepublik hinfiebern. An dem Tag entscheidet die sogenannte Exzellenzkommission, zusammengesetzt aus Wissenschaft und Politik, welche Exzellenzcluster weiter und neu gefördert werden. Darauf aufbauend folgt 2026 die Evaluation der BUA als Exzellenzverbund – und der Beschluss, ob sie ihren Exzellenztitel behalten darf. 

 

Gerade die Entscheidung in der sogenannten zweiten Förderlinie "Exzellenzuniversitäten" ist eine, bei der es nicht nur um wissenschaftliche Exzellenz geht, sondern auch um den wissenschaftspolitischen Gesamteindruck. Dazu gehört eine zentrale Frage: Haben die Bewerberuniversitäten die Unterstützung der Landespolitik im Rücken? Beschwört man die Bedeutung der Exzellenzförderung nicht nur rhetorisch, sondern handelt man auch entsprechend? Niedersachsen zum Beispiel wendet nächstes Jahr laut Wissenschaftsministerium für die Hochschulkapitel im Haushalt gut neun Prozent mehr auf, hier schlägt die Porsche-Sonderdividende durch. 

 

Das, was Berlins CDU-SPD-Regierung durchzieht, ist die Antwort, die aus der Hauptstadt bei den Gutachtern ankommen wird. Wir reden also von mehr als "schmerzhaften Einsparungen". Was Berlin gerade macht, sollte man als das benennen, was es ist: exzellenzstrategisches Harakiri. 

 

Anmerkung: Ich habe die Angabe zur niedersächsischen Hochschulfinanzierung genauer gefasst. Die Steigerung von gut neun Prozent bezieht sich auf die Hochschulkapitel im Haushalt zusammen.



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Kommentare: 11
  • #1

    Edith Riedel (Donnerstag, 12 Dezember 2024 12:42)

    Für die Exzellenz ist das ziemlich schnuppe. In der zweiten Förderlinie müssen bestehende Exzellenzuniversitäten noch nicht mal einen Antrag einreichen, da gibt es einfach nur eine Evaluation. Die Grundvoraussetzung hinsichtlich der Anzahl der Cluster ist leicht zu erfüllen. Die BAU bleibt also auf jeden Fall bestehen. Ob da nun ein bisschen mehr oder weniger Geld reingeht, ist bei der Höhe der Fördersumme herzlich egal.

  • #2

    Gerhard Zwenzig (Donnerstag, 12 Dezember 2024 17:38)

    Das alles spricht doch dafür, die (sogenannte - O-Ton Wiarda) Exzellenz-Initiative endlich abzuschaffen.

  • #3

    Anika Rehder (Donnerstag, 12 Dezember 2024 22:20)

    Sehr geehrte Edith Riedel, Kenner:innen erfassen es sofort, für alle anderen halte ich fest: Ihr Kommentar ist nicht zutreffend.

    Beste Grüße aus der BUA,
    Anika Rehder

  • #4

    Steffen Prowe (Donnerstag, 12 Dezember 2024 22:30)

    Danke für die klare Überschrift!!
    Nicht nur bei der sogenannten Exzellenz ist das Harakiri!
    Gerade und im besonderen bei Grundleistungen der Bildung an Schulen oder an anwendungsorientierten HAW brechen uns bei ca 10% Kürzungen essenzielle Elemente unserer Ausbildung in kleinen Kurses für Studierende (= Menschen!!) weg. Auch weil 2026 statt 3 Mrd mit 5 Mrd „Sparen“ zu rechnen sein wird. Für 2025 bedeutet das, dass 1 HAW weggekürzt wird (100 Mio €).
    Nicht nur bei Kultur legen hier CDU Berlin und SPD Berlin die Axt an, anstatt sinnvoll mit Investitionen in Nachhaltigkeit durch Bildung und Wissenschaft auch die Demokratie zu stärken. Die Wissenschaftslandschaft Berlin ist auch weiter laut: https://www.bht-berlin.de/3888/article/9601 in einer gemeinsamen Erklärung der Berliner Hochschulen, denn derlei "falsche" Versprechungen der Vergangenheit sind heute nur ein Hohn und fördern nicht die Glaubwürdigkeit von Aussage der Akteure.

  • #5

    Lilly Berlin (Freitag, 13 Dezember 2024 14:04)

    Eine aktuelle Meldung, die hier gut ins Bild passt: das bisherig 29-Euro-Ticket wird in ein Deutschlandticket umgewandelt und der Berliner Senat zahlt "aus Kulanz" die Differenz: 46 Millionen bereits im 1. Halbjahr 2025. Politiker aller Farben wissen eben wie es mit der Wiederwahl klappt. Die Universitätsleitungen wissen das wohl auch und machen sich mit ein bisschen Kürzung hier und da (ohne realistische Planung über das nächste Jahr hinaus) die Hände nicht mehr schmutzig als unbedingt nötig.

  • #6

    Frage (Samstag, 14 Dezember 2024 18:36)

    Kommentiert hier eigentlich auch irgendein an der Exzellenz initiative aktiv beteiligter Wissenschaftler? Habe den Eindruck, dass nicht. Nur ne Frage.

  • #7

    Michael (Montag, 16 Dezember 2024 20:54)

    Hier ist man sich wohl des wieder zu erreichenden Exzellenzstatus zu sicher und denkt, dass die Einsparungen schon aus der EXStra kommen...

  • #8

    Regenbogen (Dienstag, 17 Dezember 2024 12:42)

    Pro-Tip: Professoren sind gehaltstechnisch teuer. Forscher im Mittelbau arbeiten für weniger und leisten in der Regel mehr. Sie können Aufgaben von Professoren übernehmen, Institute leiten etc. Die Zahl der Professoren in Berlin lässt sich kürzen.
    Entfristet die Forscher im Mittelbau, behaltet ein paar Professoren, und weiter geht es. Professoren finden bestimmt eine Weiterbeschäftigung woanders.

  • #9

    Selten so gelacht (Donnerstag, 19 Dezember 2024 10:41)

    wie beim Lesen von Beitrag #8

  • #10

    R. Mautz (Donnerstag, 26 Dezember 2024 11:10)

    ad#9: #8 war ernst gemeint.

  • #11

    Selten so gelacht (Freitag, 27 Dezember 2024 18:44)

    # R. Mautz:

    Schon klar. Mein Eintrag war auch ernst gemeint.