Wenn die zuständige Senatsverwaltung bis 10. März "keine substanziellen Verhandlungsvorschläge" mache, will die Hochschule auf "Leistungserfüllung der Hochschulverträge" klagen.

Hauptgebäude der TU Berlin. Foto: Fridolin freudenfett (Peter Kuley), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
ANGESICHTS DER SPARPLÄNE des Berliner Senats will die Technische Universität (TU) Berlin den Rechtsweg einschlagen. Am Mittwochnachmittag beauftragte der Akademische Senat einstimmig das TU-Präsidium, "falls die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege bis zum 10. März 2025 keine substantiellen Verhandlungsvorschläge unterbreitet, auf der Grundlage der Rechtsberatung auf Leistungserfüllung der Hochschulverträge zu klagen". Das wichtigste Selbstverwaltungsgremium folgte damit der Empfehlung von Präsidium und Kuratorium.
Dass irgendwann eine Hochschule in der Hauptstadt einen solchen Beschluss fassen würde, war zu erwarten. Die Landeskonferenz der Rektorinnen und Rektoren und der Präsidentinnen und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP) hatte bereits im November angekündigt, die rechtlichen Möglichkeiten einer Klage zu prüfen. Die Empörung in der Wissenschaft ist groß, seit der Berliner Senat erst mit viel Brimborium neue Hochschulverträge inklusive jährlichem 5-Prozent-Plus geschlossen hatte, um sie kurz darauf mit einem Riesen-Kürzungspaket faktisch wieder aufzukündigen. "Pacta sunt servanda" – auch für einen Vertragspartner Politik?
Ganz so einfach ist es natürlich nicht, das wissen auch die Hochschulen, denn eine über mehrere Jahre reichende, finanzwirksame Vereinbarung braucht für jede neuen Landeshaushalt die erneute Bestätigung durch den Landesgesetzgeber, also das Parlament. Wenn aber die Hochschulverträge schon von Anfang an eklatant missachtet werden, hat das eine besondere Qualität.
Dabei ist es kein Zufall, dass die TU, wie ihre Präsidentin Geraldine Rauch am Mittwochnachmittag es ausdrückte, "vorangeht". Denn die Finanzverwaltung droht offenbar einen Präzedenzfall zu schaffen, der die Zukunft von Lehre und Forschung an der Technischen Universität massiv beeinträchtigen würde.
Czyborra verbittet sich "Einmischungen und Querschläge
aus der Finanzverwaltung"
Am Dienstag sickerte durch, dass das Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) die Finanzierung des geplanten TU-Physikneubaus über Rücklagen der Hochschule offenbar nicht erlauben will. Obwohl der Bund seinerseits bereits 31,5 Millionen Euro an Förderung zugesagt hatte. Geld, das verfallen würde. Während die TU, ohnehin durch verschiedene Gebäudehavarien belastet, den Betrieb kaum noch gewährleisten könnte. Das bestehende Physikgebäude kann nicht bei weiterlaufender Nutzung saniert werden.
Eine offizielle Bestätigung, dass die Finanzverwaltung auch dieses Rücklagen-Geld anderweitig nutzen will, fehlt bislang, doch Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) lässt sich auf Anfrage öffentlich bereits wie folgt zitieren: "Innerhalb des vereinbarten Haushaltsrahmens habe ich als zuständige Senatorin das Budget der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege zu verantworten, nicht die Finanzverwaltung. Meine Aufgabe ist jetzt, gemeinsam mit den Hochschulen zu entscheiden, wie wir die enormen Herausforderungen durch die Haushaltskürzungen möglichst konstruktiv bewältigen. In dem Prozess können wir uns keinerlei Einmischungen und Querschläge aus der Finanzverwaltung mehr leisten."
Allein 2025 sollen die Berliner Hochschulen über 100 Millionen Euro weniger bekommen, als die Hochschulverträge vorsahen. 2026 und 2027, berichtete der Tagesspiegel über den am Dienstag vom Berliner Senat beschlossenen Sparplan, müssten weitere 1,5 Milliarden im gesamten Landeshaushalt eingespart werden – mit der absehbaren Folge weiteren Kürzungsdrucks auch für die Hochschulen. So ist zwar für 2027 immerhin ein Plus in Czyborras Wissenschaftsetat um 35 Millionen vorgesehen, doch würde allein die vereinbarungsgetreue Umsetzung der Hochschulverträge pro Jahr rund 90 Millionen zusätzlich kosten.
Insofern könnte man sogar zu dem Ergebnis kommen, dass eine Klage auf Vertragserfüllung ganz in Czyborras Sinne wäre, denn sie kämpfte in den vergangenen Wochen und Monaten oft auf verlorenem Posten gegen Evers' Finanzleute. War ihr deshalb so wichtig, dass die Hochschulverträge noch in voller Höhe abgeschlossen wurden, damit die Hochschulen jetzt etwas haben, das sie juristisch verwerten können?
"Hochschulbaublockade" statt
"Hochschulbauoffensive"?
Die Hängepartie ums Physikgebäude jedenfalls schien für die TU das Fass zum Überlaufen zu bringen. Wobei der Gremienbeschluss zunächst keine praktischen Auswirkungen hat, denn, wie der Akademische Senat ebenfalls festlegte: Die eigentliche Klage soll nur "in Abstimmung mit der Landeskonferenz der Rektor*innen und Präsident*innen Berlins erfolgen".
TU-Präsidentin Rauch gibt schon einmal die Tonlage für die nächsten Schritte nach dem 10. März vor, wenn das dem Land Berlin gestellte Ultimatum offiziell ablaufen wird. "Wir hätten es uns anders gewünscht. In den vergangenen Monaten sind aber zu viele Versprechen gebrochen und zu viele Bemühungszusagen ergebnislos verlaufen." Die vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner angekündigte "Hochschulbauoffensive" habe sich zu einer "Hochschulbaublockade umgewandelt". Spitzenforschung "auf Weltniveau" sei aber nur möglich, wenn es verlässliche Rahmenbedingungen gibt. "Die Berlin University Alliance ist exzellent aufgestellt, nun liegt es am Land uns die verdiente Rückendeckung zu geben."
Diesen Sommer entscheiden die Gutachter über Weiter- und Neuförderung von Exzellenzclustern. Nächstes Jahr steht dann die BUA als Ganzes auf dem Prüfstand, und hier wird das Commitment der Landesregierung eine gewichtige Rolle spielen: das nächste, finanziell noch viel schwerwiegendere Beispiel, wo die Einsparung von Landesmitteln den Wegfall umfangreicher Bundesgeldern provozieren könnte.
Hinweis: Ich habe die Passage zur Finanzierung des Physik-Neubaus angepasst, da es hierzu noch kein offizielles Statement der Finanzverwaltung gibt. Sobald dieses vorliegt, werde ich es ergänzen.
Nachtrag am 21. Februar
Finanzverwaltung rudert zurück: Entscheidung zu TU-Gebäude noch nicht gefallen
Nachdem es am Mittwoch aus der Berliner Wissenschaftsverwaltung geheißen hatte, das Haus von Finanzsenator Stefan Evers (CDU) habe der TU die Verwendung von Rücklagen für einen Physik-Neubau untersagt, bestreitet die Finanzverwaltung nun, dass bereits eine Entscheidung gefallen sei. "Grundsätzlich können die Hochschulen ihre Rücklagen auch für Bauvorhaben einsetzen", sagte ein Sprecher auf Anfrage. "Dies ist selbstverständlich abhängig von einem tragfähigen Gesamt- (und insbesondere Flächenkonzept). Der Senat befindet sich dazu derzeit noch in Abstimmung. Daher bitte ich um Verständnis, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht weitergehend äußern können."
Zeigt der öffentliche Protest von Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra Wirkung? Die SPD-Politikerin hatte dem Wiarda-Blog gesagt, es sei ihre Aufgabe, gemeinsam mit den Hochschulen zu entscheiden, "wie wir die enormen Herausforderungen durch die Haushaltskürzungen möglichst konstruktiv bewältigen. In dem Prozess können wir uns keinerlei Einmischungen und Querschläge aus der Finanzverwaltung mehr leisten."
An der TU wird man sich über das Zurückrudern von Evers Beamten freuen – doch geht die Hängepartie damit weiter. Am Mittwoch hatte der Akademische Senat der Hochschule angesichts der geplanten Kürzungen in der Hochschulfinanzierung beschlossen, auf Einhaltung der Hochschulverträge durch das Land Berlin zu klagen, "falls die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege bis zum 10. März 2025 keine substantiellen Verhandlungsvorschläge unterbreitet".
In eigener Sache: Massives Finanzierungsdefizit droht

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Alias (Donnerstag, 20 Februar 2025 07:51)
""Pacta sunt servanda" – auch für einen Vertragspartner Politik?"
Das Problem ist, dass es keine Verträge sind: Der Staat kann keine Verträge mit sich selbst abschließen, weil das die Haushaltshoheit des Parlaments untergraben würde. Deswegen handelt es sich bei den Pakten auch um "Bund-Länder-Vereinbarungen" und die Grundlage der Zuwendungen durch die DFG sind "Ausführungsvereinbarungen". Der Grundgedanke ist, dass die Haushaltshoheit des Parlaments erhalten bleiben soll: Wenn das Geld knapp wird (z.B. weil Steuereinnahmen zurückgehen), muss der Staat die Staatsausgaben kürzen können, um zu sparen. Verträge mit Privaten muss er dann immer noch erfüllen, damit bleibt nur der öffentliche Bereich, um zu sparen.
Lilly Berlin (Donnerstag, 20 Februar 2025 10:08)
Man kann den Kanzler und sowohl das letzte als auch das vorherige Präsidium nur "beglückwünschen" zu der Idee, die Bauunterhaltung an der TU auf deutlich unter die Schmerzgrenze abzusenken, um so die Rücklage für Neubauvorhaben verwenden zu können. Die Einstellung der Politik zu den Rücklagen ist seit sehr langer Zeit bekannt und es war sehr wahrscheinlich, dass diese Haushaltsakrobatik dann irgendwann schief geht.
Auf die massiven Einsparungen kann es eigentlich nur eine
Antwort geben, nämlich entsprechend Leistungen und Angebote zu kürzen (z.B. sofortige Schließung der Physik, die ja an allen drei großen Unis in Berlin zu finden ist + Umsetzung bzw. Entlassung des Personals - Erfahrungen damit gibt es an allen ostdeutschen Unis reichlich) und sich von teuren Prestigevorhaben zu verabschieden (z.B. Rückzug aus BUA und Exzellenzinitiative). Interessanterweise würde außer den unmittelbar betroffenen wohl niemand ein großes Problem damit haben. Das zeigen verschiedene historische Beispiele zum Stellenabbau an und der Schließung von Universitäten oder Fakultäten.
XYZ (Donnerstag, 20 Februar 2025 14:11)
"denn eine über mehrere Jahre reichende, finanzwirksame Vereinbarung braucht für jede neuen Landeshaushalt die erneute Bestätigung durch den Landesgesetzgeber, also das Parlament" ... das ist leider so nicht ganz richtig bzw vollständig.
Für mehrjährige Verträge gibt es das Instrument der so genannten Verpflichtungsermächtigungen im Landeshaushalt. Die ermächtigen eben das Land Verpflichtungen auch für mehrer jahre in die Zukunft einzugehen und eine aktuelle regierung auch verpflichtungen über Legilaturwechsel hinweg einzugehen. Diese Verpflichtuingsermächtigung gab es für die HSV im Landeshaushalt 2024. Die HSV sind insofern nichst anderes als ein Energielieferungsvertrag oder ein Mietvertag. Auch solche schließt das Land aufgrund von Verpflichtungsermächtigungen ab und würde nie im Leben auf die Idee kommen, sich einfach nicht daran zu halten.
Die Entscheidung, die HSV nicht einzuhalten, ist also eine rein politische und sie ist rechtswidrig.
Ruth Himmelreich (Donnerstag, 20 Februar 2025 14:50)
Ich hoffe doch, dass das BMBF nicht zu beschäftigt ist, um in die mit den Ländern geschlossene Verwaltungsvereinbarung zum ZSL zu gucken, in der in § 6 Abs. 4 folgendes steht:
"Hat ein Land weniger eigene Mittel bereitgestellt, als es Bundesmittel erhalten hat, oder unterschreitet
in einem Land die Grundfinanzierung der Hochschulen im Sinne der vorliegenden Vereinbarung den für das Land festgelegten Basiswert, so muss das Land die Differenz innerhalb der zwei folgenden Jahre
ausgleichen. Erfolgt dies nicht, so reduziert sich dessen Anspruch auf Bundesmittel entsprechend. Be-
reits zu viel gezahlte Bundesmittel werden im Rahmen der Zuweisung verrechnet. Hat ein Land mehr
eigene Mittel bereitgestellt als es Bundesmittel erhalten hat, so kann das Land diese Mehrleistung in
den beiden folgenden Jahren anrechnen, soweit diese noch nicht zum Ausgleich von Minderleistungen
angerechnet wurden."
Wenn das BMBF mehr Rückgrad hat als ein Bettvorleger, sollte es hier eigentlich massiv werden. Denn auf das schöne Bundesgeld verzichtet kein Land gerne...
Alias (Donnerstag, 20 Februar 2025 15:51)
@XYZ:
"Die Entscheidung, die HSV nicht einzuhalten, ist also eine rein politische und sie ist rechtswidrig."
Das würde dann aber bedeuten, dass nicht auf Vertragserfüllung geklagt werden kann, sondern ... ? Ich hab (oberflächlich) gesucht und keinen Fall gefunden, in dem eine Vereinbarung aufgekündigt wurde - sowas kommt wohl schlicht nicht vor? Nach meinem Verständnis könnten sich daher nicht Berliner Hochschulen darauf berufen, dass es eine Verpflichtungsermächtigung gegeben hat, weil die das Verhältnis vom Parlament als Haushaltsgesetzgeber zur Exekutive betrifft: Parlament als Haushaltsgesetzgeber erteilt der Wissenschaftsverwaltung die Ermächtigung, längerfristige Verpflichtungen einzugehen - wenn die Wissenschaftsverwaltung diese nicht nutzt, leitet sich daraus noch nicht ab, dass die Hochschulen in ihren Rechten verletzt wurden? Damit bliebe den Berliner Hochschulen nur die Wissenschaftsfreiheit: Die Kürzungen sind so einschneidend, dass Autonomie nicht mehr gewährleistet ist?
Nicht falsch verstehen: Ich halte die Klage für wichtig, damit die Hochschulfinanzierung in D insgesamt mal auf den Prüfstand gestellt wird. Nur wäre es problematisch, wenn sie scheitert: Die Länder könnten dann bei Sparzwängen das Wissenschaftsbudget so kurzfristig rauf- und runterfahren, dass die Wissenschaftsfreiheit nicht mehr gewährleistet ist.
Django (Donnerstag, 20 Februar 2025 18:39)
@ Alias: Mein Verständnis ist, dass das AGH auf dem Wege der Verpflichtungsermächtigung dem Senat den Spielraum gibt, eben genau die hier in Rede stehenden vertraglichen Vereinbarungen mit den Hochschulen zu schließen.
A. Nonym (Freitag, 28 Februar 2025 12:59)
Das Abgeordnetenhaus beschließt nicht nur über den Landeshaushalt, sondern auch über die Hochschulverträge (gemäß §2a BerlHG).