US-Forschungsförderer verschicken übergriffige Fragebögen an Forschende in aller Welt. Wie die Hochschulen in Deutschland jetzt reagieren sollten. Ein Kommentar.
DIE NZZ berichtete schon vor zwei Wochen von übergriffiger Post aus den USA, die an der bekanntesten Schweizer Universität eingegangen sei. "Die ETH Zürich hat in Bezug auf ein Projekt, für das wir US Federal Funds erhalten haben, einen ‹questionnaire› von der US-Administration erhalten", zitierte die Zeitung die Pressestelle der Hochschule. Um welches Projekt es sich handelt, wolle die ETH nicht sagen, um die Betroffenen zu schützen. Den Fragebogen wolle man auch nicht herausgeben, da dieser von US-Seite als "vertraulich" kategorisiert worden sei. Doch handle es sich hauptsächlich um Fragen zur Einhaltung politischer Vorgaben der neuen US-Regierung. Die Devise sei offenbar, bloß die Amerikaner nicht verärgern, folgerte die NZZ. "Schließlich geht es um viel Geld und Prestige."
An der niederländischen Universität Leiden eierte man weniger herum: "Wissenschaftler, die einen Fragebogen mit politischen Fragen von der United States Geological Survey (USGS) oder anderen staatlichen US-Forschungsförderern wie NIH oder ARPA erhalten haben, wird empfohlen, nicht darauf zu antworten", schrieb die Hochschule vorvergangene Woche auf ihrer Website. Eine E-Mail mit 36 aufdringlichen Fragen sei kürzlich bei Forschern verschiedener Einrichtungen, darunter der Wageningen University & Research (WUR) eingegangen. Ob auch schon in Leiden, sein unbekannt. Doch: "Wir wollen unsere Wissenschaftler vor diesem Fragebogen warnen, weil er unsere Wissenschaftsfreiheit und die unabhängige Forschung verletzt – Werte, an die wir fest glauben", sagte Rektor Hester Bijl.
Inzwischen häufigen sich die immer gleichen Berichte aus Hochschulen und Forschungsinstituten verschiedener Länder. Forschende, die US-Fördergelder beziehen, sollen zum Beispiel bestätigen, dass ihre Projekte nichts mit Diversität, Gleichstellung, Inklusion oder Klimaforschung zu tun haben. Und sie werden gefragt, ob ihre Einrichtung mit Organisationen zusammenarbeitet, die Verbindungen zu "kommunistischen, sozialistischen oder totalitären Parteien" hätten. Und ob ihr Projekt der US-Wirtschaft von Nutzen sei.
Auch Wirtschaftsunternehmen sind betroffen, und zwar weltweit. "Die US-Botschaft in Spanien, wie alle unsere Botschaften weltweit, kommuniziert die neuen Regeln, die US-Präsident Donald Trump per Erlass in Kraft gesetzt hat, mit unseren lokalen Zulieferern von Produkten und Dienstleistungen", zitierte am Montag der Spiegel einen Sprecher der US-Botschaft in Madrid. Das spanische Arbeitsministerium reagierte demzufolge mit dem Statement, die US-Vorgabe sei eine "ungeheuerliche Verletzung" der strengen spanischen Antidiskriminierungsgesetze. Unternehmen, die sich an die neuen US-Vorgaben hielten, riskierten Ermittlungen der spanischen Behörden.
Und in Deutschland?
Keiner hat etwas gehört
Und was ist mit Deutschland? "An welchen deutschen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen sind US-Fragebögen zu Diversitätsmaßnahmen etc. eingegangen?", wollte ich am Montag in einer über 600mal reposteten Umfrage auf der Plattform "Bluesky" wissen. Die Ausbeute: gleich null. Keiner hat etwas gehört. Auch Nachfragen bei verschiedenen Hochschulleitungen blieben bislang ohne Ergebnis.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) spricht derweil von einer "zutiefst besorgniserregenden Entwicklung". Beantwortete die Frage, ob ihr bekannt sei, an wie vielen Hochschulen in Deutschland derartige Schreiben aufgetaucht seien, jedoch auch nur mit dem Satz: "Die HRK steht zu dieser Frage im Austausch mit ihren europäischen Partnern."
Kann das wirklich sein, dass die Fragebögen um deutsche Forschende bislang einen Bogen gemacht haben? Einen Vorteil hätte das. Dann könnten die deutschen Hochschulen die Zeit nutzen, um sich auf eine gemeinsame Empfehlung an alle Forschenden zu einigen. Die könnte eigentlich nur so lauten wie die der Niederländer: Gar nicht antworten. Sich nicht einschüchtern lassen.
Freilich wäre es gut und überfällig, dass die HRK diese Linie proaktiv in die Community hineinkommunizierte, anstatt sich auf allgemein-abwartende Statements zu beschränken. Und dass den Forschenden zugleich Rat und Beratung zur Verfügung gestellt würde. Parallel müssen HRK, BMBF, DFG und andere in Gespräche darüber einsteigen, wer einspringen kann, falls Forschungsprojekten daraufhin wirklich die US-Gelder gestrichen werden sollten.
Vielleicht passiert all das längst, und es wäre gut. Denn eine Gefahr ist in der Zwischenzeit nicht von der Hand zu weisen: Dass erste Forschende aus Sorge, die Förderung zu verlieren, die Fragebögen längst beantwortet haben, ohne dies an die große Glocke zu hängen. Ein Sieg auf Kosten der Wissenschaftsfreiheit, den Deutschlands und Europas Wissenschaft Trump nicht gönnen darf.
Nachtrag: Hier nun ein Link zu dem Fragebogen, wie er auf der Seite der Association auf American Universities dokumentiert ist, inklusive der Anweisungen, wie damit zu verfahren ist.
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Detlef Müller-Böling (Mittwoch, 02 April 2025 15:20)
Die Entwicklung ist erschreckend. Die Trump-Administration geht nicht nur radikal, sondern auch extrem schnell vor.
Allerdings ist auch die mangelnde oder gar angepasste Reaktion der Universitäten in den USA und nun auch bei uns alarmierend. Man wird erinnert an die "Übernahme" der Universitäten durch die Nazis, die sich ja bei nur wenigen individuellen Widerständen schnell haben vereinnahmen lassen.
Natürlich denken die Forschungsgeldnehmer auch an ihre Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Dabei dürfen sie aber nicht von den Hochschulleitungen und den Regierungen allein gelassen werden, auch wenn weder die Universitäten in den USA noch bei uns auf dieses Szenario vorbereitet waren. Auch bei uns ist Schnelligkeit gefragt.
Insofern sind die Mahnungen von Wiarda völlig am Platze und notwendig. Hoffentlich folgen aufeinander abgestimmte Reaktionen!
Günter-Ulrich Tolkiehn (Freitag, 04 April 2025 11:12)
Vielen Dank für den Link zum Fragebogen! Was man hier Schwarz auf Weiß sieht, hatte ich mir vorher nicht einmal entfernt vorgestellt. "Übergriffig" finde ich dafür fast verharmlosend ausgedrückt. Ich hoffe ebenfalls sehr, dass unsere Wissenschaftsorganisationen die Betroffenen hiermit nicht alleinlassen werden.
Falls aber doch: Wer nicht zum Einzelkämpfer für die Wissenschaftsfreiheit werden möchte, aber auch nicht zu "Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'" geneigt ist, könnte im laufenden Projekt noch mit dem Argument "Es wird nicht nachverhandelt" Widerstand leisten.