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Vielleicht gibt es im Juni noch Geld

Die Corona-Überbrückungshilfe für Studierende kann von morgen an beantragt werden – doch ob wie geplant vom 25. Juni an ausgezahlt werden kann, ist offenbar noch nicht sicher.

VON MORGEN AN können notleidende Studierende die Corona-Überbrückungshilfe beantragen. Abhängig von ihrer finanziellen Situation bedeutet das: bis zu dreimal bis zu 500 Euro, die nicht zurückgezahlt werden müssen, und zwar für die Monate Juni, Juli und August.

 

Nachdem Opposition, Gewerkschaften und Studierendenverbände in den vergangenen Wochen die Höhe der Zuschüsse als unzureichend, die Auszahlungsbedingungen als zu rigide und das Paket insgesamt als viel zu spät kritisiert hatten, bemühte sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Pressekonferenz heute Mittag, einen anderen, aus ihrer Sicht entscheidenden Punkt in den Vordergrund zu stellen.

 

Die Zuschüsse seien Teil eines Gesamtpaketes, das junge Menschen an den Hochschulen in der Corona-Krise unterstützen solle, sagte sie, und zwar unabhängig von Herkunftsland, Alter oder Semesterzahl: "Ein solch breites Paket eines Bildungsministeriums für Studierende ist im europäischen, vielleicht ja sogar im internationalen Vergleich einzigartig". Und sie betonte: Ein solches Paket in so einer umfassenden Art und Weise habe es noch nicht gegeben, aber vielleicht müsse man dazu sagen: "So eine Zeit wie Corona haben wir halt auch noch nie erlebt." 

 

Insgesamt 100 Millionen Euro stellt die Bundesregierung für die Überbrückungshilfe zur Verfügung. Was allerdings im internationalen Vergleich dann offenbar doch nicht zwangsläufig ein Spitzenwert ist. So genehmigte etwa laut dem Online-Magazin Sumikai die japanische Regierung im Mai zusätzliches Notfall-Zuschüsse für durch Corona in Not geratene Studierende, bis zu 1693 Euro sind für bis zu 430.000 Studierende vorgesehen. Studenten, die in einem Haushalt mit niedrigen Einkommen mit Steuerbefreiung leben, erhalten die Höchstsumme von 1.693 Euro. Alle anderen, die nicht als besonders schwere Fälle gelten, bekommen demnach einen Betrag von umgerechnet 846 Euro.

 

Der DSW-Generalsekretär spricht
von "Operation am offenen Herzen"

 

Ob international einzigartig oder nicht: Die aus Sicht der Studierenden entscheidendere Botschaft war heute ohnehin eine andere. Karliczek und der neben ihr stehende Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, lieferten sie nur leicht verklausuliert: Wann genau die ersten Gelder ausgezahlt werden können, wissen sie immer noch nicht. Immerhin haben sie eine Hoffnung. 

 

Die 57 regionalen Studierendenwerke sind für die Abwicklung der Anträge und für die Auszahlung der Nothilfen zuständig, und DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde sagte wörtlich: "Wir haben jetzt das Antragstool, wir brauchen aber noch ein paar Tage, um das Bearbeitungstool zu entwicklen." Und etwas später ergänzte er: "Wir fangen am 25 Juni, voraussichtlich, wenn das Tool steht damit an, (die Anträge) zu  zu bearbeiten, und hoffen natürlich, noch im Juni auszahlen zu können." Das Ganze sei aber "eine Operation am offenen Herzen".

 

Damit setzt sich die Unsicherheit der vergangenen Monate für die Studierenden voraussichtlich noch einige Tag fort. Zumal Meyer auf der Heyde offenbar technische Probleme nicht für ausgeschlossen hält. Indirekt rief er die Studierenden auf, nicht alle gleich am ersten Tag ihre Anträge zu stellen. Da diese ja ohnehin erst in voraussichtlich anderthalb Wochen bearbeitet werden könnten, sollten sich die Studierenden ruhig Zeit lassen. "Sonst besteht die Gefahr, wir wissen das aus allen Starts mit IT-Lösungen, dass möglicherweise alle auf einmal den Antrag stellen wollen und das System zusammenbricht. Unser Interesse ist, dass sie das in Ruhe machen."

 

Ob das auch das Interesse der Studierenden ist, bleibt dahingestellt, denn die Überbrückungshilfe wird nach geltender Rechtsanlage nur solange ausgezahlt, bis die 100 Millionen Euro erschöpft sind. Ob und wann das passieren wird, weiß keiner. Genau das könnte aber den von Meyer auf der Heyde befürchteten Run befördern.

 

Die Hilfe ist allein gedacht für die am ärgsten von der Krise und zugleich von Jobverlust geplagten Studierenden. Wie viele das sind, ist unklar. Eine vielfach zitierte Studie des Personaldienstleisters Zenjob ergab, dass 40 Prozent aller Studierenden bundesweit ihre bezahlte Arbeit eingebüßt hätten – doch ist diese Zahl vermutlich nicht repräsentativ für die Gesamtheit der deutschen Studierenden. Zenjob hatte 1800 Studierende per App befragt, offenbar vor allem Studierende, die sich in Zeitarbeitsverhältnissen befanden – was nicht der Normalfall des Studentenjobs ist. Offenbar sind internationale Studierende besonders häufig von finanziellen Notlagen betroffen.

 

Der DSW-Generalsekretär sagte, er könne keine Prognose abgeben, ob das Geld für die Überbrückungshilfe reiche oder nicht. Karliczek sagte auf Nachfrage aber, dass sie, falls der Topf leer sei, erneut mit dem Finanzministerium "in den Disput gehen" werde für einen "Nachschlag". Sie hoffe aber, dass die Wirtschaft wieder rechtzeitig anspringe und die verloren gegangenen Jobs der Studierenden zurückkehrten. Mehrere Bundesländer, darunter Brandenburg, haben zudem beschlossen, die Notfonds der Studierenden aufzufüllen, falls die Bundesgelder erschöpft sein sollten – allerdings längst nicht alle Bundesländer.

 

Der lange Weg
zur Soforthilfe

 

Erstmals hatte Karliczek am 12. April ein Corona-Nothilfeprogramm für von der Corona-Krise besonders betroffene Studierende angekündigt, zunächst allerdings lediglich als zinsloses Darlehen. Nach wochenlangen Verhandlungen mit den Ländern und dem Koalitionspartner SPD kam Ende April dann der 100-Millionen-Euro-Zuschuss hinzu. Die von großen Teilen der Opposition, Landeswissenschaftsministern und der SPD-Bundestagsfraktion geforderte vorübergehende Öffnung des BAföG lehnte Karliczek allerdings weiter ab.

 

Im Mai warnten einige Landeswissenschaftsminister intern, bis zur Auszahlung könne es Juli werden, während das BMBF noch bekräftigte, man arbeite "mit Hochdruck daran, dass alle 57 Studentenwerke die Überbrückungshilfe zum 1. Juni 2020 anbieten" könnten.

 

Als nächstes nannte der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Michael Meister, vor dem Bundestagsbildungsausschuss dann den 8. Juni – und erntete dafür etwas später sogar Widerspruch vom Kooperationspartner DSW. Auf die per Twitter gestellte Frage, ob der 8. Juni absehbar gehalten werden könne, antwortete das DSW am 4. Juni: "Ehrlich gesagt: nein – haben wir auch nicht kommuniziert..." DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde sagte auf Nachfrage, man strebte weiter "die erste Junihälfte an", was jetzt immerhin fast geschafft wurde. 

 

Angesichts des Termin-Geschiebes wird klar, warum Meyer auf der Heyde sich heute so zurückhaltend äußerte. Denn so, wie es beim Beantragungs-Software zu Verzögerungen kam, könnte es erneut beim Bearbeitungstool laufen. Womit sich dann unmittelbar die Befürchtungen der Landeswissenschaftsminister von vor über einem Monat, dass es bis zu den ersten Auszahlungen Juli werden könnte, erfüllen würden.

 

Was übrigens, da hat Meyer auf der Heyde Recht, bei einem neuen System und der dafür nötigen Software-Neuentwicklung alles Andere als ungewöhnlich wäre. Ungewöhnlich ist dagegen, wie lange das BMBF gebraucht hat, um angesichts der Notlage eine Lösung zu entwickeln. Wodurch der übergroße Zeitdruck – vor allem für das Studentenwerk – überhaupt erst entstanden ist.

 

Grüne legen eigenen
Sechspunkteplan vor

 

Nach der heutigen Pressekonferenz erneuerten Opposition und Studierende ihre Kritik. Der Studierendenverband fzs kritisierte,  der von Ministerin Karliczek vorgelegte Nothilfefonds sei "an Dreistigkeit nicht zu überbieten und helfe Studierenden kaum". Der fzs rief gemeinsam mit Studienvertretungen aus ganz Deutschland für den 20. Juni zu einer Demonstration in Berlin auf.

 

Der FDP-Bildungspolitiker Jens Brandenburg sagte, Karliczek halte hilfesuchende Studierende seit Monaten in einer "nervtötenden Warteschleife. Vier Monate nach den großen Nebenjobverlusten soll die erste Überbrückungshilfe fließen. Von einer Soforthilfe kann schon längst keine Rede mehr sein. Ob die Späterhilfe überhaupt noch hilft, bleibt abzuwarten." Auch das KfW-Darlehen sei eine Mogelpackung. Schon in einem Jahr würden wieder Zinsen von über vier Prozent fällig.

 

Die hochschul- und bildungspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, forderte: "Um diesen Irrweg zu stoppen und Bildungsgerechtigkeit in Taten umzusetzen, brauchen wir umgehend eine Reform des BAföG, damit es zu einem existenzsichernden Instrument wird, das viel mehr Menschen erreicht."

 

Grünenchef Robert Habeck und seine Bundesvorstandskollegin Ricarda Lang legten unterdessen einen Sechspunkteplan als Alternative zur Studierendenhilfe der Bundesregierung vor, berichtet der SPIEGEL auf seiner Website. Habeck und Lang regen unter anderem eine Nothilfe-BAföG von bis zu 450 Euro im Monat für alle Studierenden an unabhängig von ihrem Kontostand. Zudem sollten Studierende, die vor der Krise mehr als 450 Euro im Monat verdienten und ihren Job verloren haben, zeitweise die Grundsicherung, also Hartz IV, in Anspruch nehmen können. 

 

Das Online-Portal zur BMBF-Überbrückungshilfe soll morgen um 12 Uhr unter der Adresse www.ueberbrueckungshilfe-studierende.de ans Netz gehen. 



NACHTRAG AM 16. Juni: 13.15

Es häufen sich Berichte von Studierenden, dass das Online-Portal nicht erreichbar sei. Die Befürchtungen von DSW-Generalsekretär Meyer auf der Heyde scheinen vorerst eingetroffen zu sein. Die parallel geschaltete BMBF-Hotline sei zudem durchgehend besetzt, ist zu hören. Das DSW twitterte: "An alle Studis, die gerade ihren Antrag nicht stellen können: Es tut uns sehr leid, dass die Seite down ist, wir sind dran, das zu beheben. Bitte nutzen Sie auch die kommenden Tage für die Antragstellung ."


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Kommentare: 1
  • #1

    Bregalnica (Donnerstag, 18 Juni 2020 13:43)

    Das Antragstool war die ersten Stunden völlig überlastet, man konnte zeitweise nicht Mal die Seite aufrufen geschweige denn Dokumente hochladen. Der Support empfahl, man solle es später probieren, aber gleichzeitig wissen wir: wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
    Was mich besonders ärgert: ausländische Studis, die ihren Aufenthaltstitel nicht gefährden wollen, müssen dauerhaft einen Kontostand von über 1500€ Nachweisen, das war schon immer so und ist nichts neues. Das BMBF hat das aber überhaupt nicht bedacht, sodass diese internationalen Studierenden nicht von der Hilfe profitieren, obwohl diese genauso in der Gastro und im Eventbereich gearbeitet und ihren Job verloren haben. Wer bereits Hilfe von privaten Nothilfefonds oder Stiftungen bekommen hat (die ja Mangels der Tätigkeit vom BMBF allerorten gegründet wurden) darf auch nicht auf Bewilligung des Antrages hoffen, unabhängig davon, wie hoch die Hilfe tatsächlich war. Beurlaubte Studierende kriegen auch kein Geld, da ei haben sich viele dieses Semester beurlauben lassen weil im Digitalsemester gar nicht klar war, ob alle Prüfungen regulär angeboten werden, zumal die weltweite Pandemie und der enorme Rückgang von sozialkontakt in beispielsweise Bayern und Sachsen auch psychisch an manchem nagt. Im Antragstool muss man einen der folgenden Gründe für die Armut angeben: entweder man hat seinen Job verloren, man war selbstständig und hat keine Aufträge mehr oder die Eltern können einen nicht mehr in der Höhe finanziell unterstützen. Das war's. Diese drei Sachen. Alle anderen Szenarien haben Pech gehabt.
    Ganz grundsätzlich finde ich es fatal, dass niemand Mal hinterfragt, warum eigentlich so viele Studierende existenziell auf Nebenjobs angewiesen sind. Unser System der Studienfinanzierung hat es nicht geschafft, dass Studierende sich Vollzeit auf ihr Studium konzentrieren können und selbst Bafög-Empfänger*innen (von denen es eh nur so wenige gibt) müssen nebenbei arbeiten, weil das Geld einfach nicht reicht.
    Wir brauchen eine existenzsichernde Studienfinanzierung und vorallem eine Bildungsministerin, die die Bildungskatastrophe erkennt und abwendet. Denn wenn alle stricke reißen und man einfach nicht mehr weiter weit bleibt nur noch eine Option: Studienabbruch und Hartz iv beantragen, denn eine Grundsicherung für Studierende gibt es nicht.