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Mehr Investitionen in Studierende: Sichert die Erfolge des Hochschulpakts!

Das Bund-Länder-Programm für mehr Qualität in Studium und Lehre droht in den Sog von Sparzwängen zu geraten. Dabei ist die Bilanz seit 2007 in vielen Punkten sehr gut.

Foto: Pxhere, CCO.

ÜBER DEN HOCHSCHULPAKT, dieses über 14 Jahre laufende Mega-Programm, ist viel geschrieben worden. Viel Kritisches. All die Milliarden hätten nicht gereicht, um den Verfall der Betreuungsrelationen an den Hochschulen aufzuhalten. Bei weitem nicht genug dauerhafte Professorenstellen seien dadurch entstanden, sondern meist nur prekäre Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter auf Zeit. Und ob die Länder ihre Pflicht zur Kofinanzierung der Bundesgelder erfüllt, nur das Erlaubte dann bezahlt oder doch eher getrickst haben? Unklar aufgrund der intransparenten Finanzströme

 

Man kann die Geschichte aber auch anders erzählen: als großen Erfolg. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat es vergangene Woche in ihrem Pakt-Abschlussbericht getan: 39 Milliarden Euro extra für die Hochschulen zwischen 2007 und 2020, dank derer 1,63 Millionen junge Menschen zusätzlich in ein Studium starten konnten. Und die 30 Prozent mehr Professoren bis 2020 sind zwar weniger als das 40-Prozent-Plus bei den WiMis – und erst recht unzureichend im Vergleich zu den 48 Prozent mehr Studierenden. Aber immerhin.

 

Dass der massive Stellenausbau nebenbei geholfen hat, den Frauenanteil an den Professuren schneller steigen zu lassen, von 14 auf 26 Prozent, hat der Hochschulpakt ebenfalls auf der Habenseite. Auch wenn es bei gleichbleibendem Tempo noch zwei weitere Hochschulpakte bis zur Gleichstellung bräuchte.

 

Zudem hat der Hochschulpakt das Hochschulsystem so verändert, wie es Hochschulexperten seit Jahrzehnten gefordert hatten: Statt einem Drittel geht inzwischen fast die Hälfte der Erstsemester an eine Hochschule für angewandte Wissenschaften.

 

Mehr Wege führen
an die Hochschule

 

Dass Bund und Länder vor drei Jahren ebenfalls in der GWK verabredet haben, den Hochschulpakt von 2021 an durch den Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" zu ersetzen, war insofern so folgerichtig wie gerechtfertigt. Und unverzichtbar. Denn dachte die Politik Mitte der 2000er Jahre noch, sie habe es mit einem vorübergehenden "Studentenberg" zu tun, wurde in den 2010er Jahren immer deutlicher: Es handelt sich um ein Hochplateau.



Weil immer mehr junge Menschen Abitur machen. Weil auch ohne Abitur immer mehr Wege an die Hochschule führen. Und weil sich in einer Gesellschaft, deren wirtschaftliche Zukunft allein von Wissen, Technologie und Innovationen abhängt, das Gerede von einer angeblichen "Akademikerschwemme" längst als absurd erwiesen hat. Jede Hochschulabsolventin und jeder Hochschulabsolvent ist ein Gewinn.

 

Umso mehr besorgt, dass die Finanzen der Hochschulen in den vergangenen Monaten in einem Tempo unter Druck geraten sind, wie sich das kaum einer hat vorstellen können. Es droht eine Verdopplung oder Verdreifachung der Energiekosten, eine Inflationsrate von zehn Prozent und Tarifabschlüsse, die sich demnächst auf einem ähnlichen Level bewegen dürften. Dramatisch genug, wenn die Hochschullehre bislang schon auskömmlich finanziert gewesen wäre.

 

Tatsächlich aber zeigt, bei allem Lob, gerade die Historie des Hochschulpakts, dass der Abstand zwischen Soll und Ist immer größer wird. Und zwar in jenen Jahren, auf die man in den meisten Hochschulleitungen schon jetzt als die "guten Zeiten" zurückblickt.

 

Derweil sieht die Wissenschaftspolitik zwar die aufziehende Misere, weiß aber keine Antwort. Hochschulen haben nicht die gesellschaftliche Bedeutung und die für sie zuständigen Minister meist nicht die Macht, um im derzeit laufenden brutalen Verteilungskampf der Ressorts die Stellung halten zu können. Entsprechend alarmieren sollte die Nachricht, dass der Wissenschaftsrat die geplante Verabschiedung eines Positionspapiers zu künftigen "Strukturen der Forschungsfinanzierung an deutschen Hochschulen" vertagt hat.

 

Exzellenz gesichert, Aufschlag
für Zukunftsvertrag wackelt

 

Genauso sollte verstören, dass eine als "Fortschrittskoalition" gestartete Bundesregierung ihre Forschungsministerin so kurz hält, dass sie den Sommer über mit fahrig wirkenden Sparaktionen irritierte.

 

Demnächst kommt es, wiederum in der GWK, zum vorläufigen Showdown. Die Aufstockung von Exzellenzstrategie und Zukunftsvertrag werden gleichzeitig verhandelt. Das Plus für die Exzellenzstrategie, gut 160 Millionen Euro pro Jahr für zusätzliche Cluster, scheint eine ausgemachte Sache zwischen Bund und Ländern zu sein.

 

Anders steht es um die im Ampel-Koalitionsvertrag versprochene jährliche Erhöhung des Zukunftsvertrages um drei Prozent von 2022. Die wollen die Beamten von Bettina Stark-Watzinger (FDP) aufschieben. Die Länder wehren sich, der Bund sagt: Die Alternative ist gar keine regelmäßige Erhöhung.

 

Um knapp 110 Millionen Euro mehr geht es im ersten Jahr. Klingt nach hohlem Zahn angesichts der rechnerisch gut drei Milliarden Euro Kaufkraftverlust, die die Hochschulbudgets wegen der Inflation innerhalb auch nur eines Jahres erleiden. Schon anders sieht die Rechnung auf zehn Jahre aus. Da bedeutet nur ein Jahr Verschiebung in der Summe, wird sie nicht nachträglich aufgeholt, bereits fast 1,3 Milliarden weniger für die Hochschullehre. Wenn es denn bei dem einen Jahr bleibt.

 

Nein, der Bund ist nicht in erster Linie für die Finanzierung der Hochschulen zuständig. Der Bundesanteil am Zukunftsvertrag macht keine sechs Prozent an deren Gesamtbudgets aus. Selbst wenn er doppelt und dreimal so schnell stiege, könnte er nicht kompensieren, was die Länder als Hauptverantwortliche ihren Hochschulen an Finanzierung vorenthalten. Insofern ist das Geheule all jener Landeswissenschaftsminister nicht glaubwürdig, deren Finanzministerkollegen ihren Hochschulen weniger als drei Prozent pro Jahr drauflegen.

 

Trotzdem: Bliebe es bei der Verschiebung, wäre das wissenschaftspolitische Signal verheerend. Die Finanzierung der Spitzenforschung, so wichtig sie ist, ginge einmal mehr vor der Breitenförderung der Lehre. Und das in einer Krise, die die Hochschulen in ihrer Gesamtheit trifft. Die Exzellenzstrategie wäre diskreditiert, und das Vertrauen der Hochschulen in die Ampel wäre noch schwerer beschädigt als ohnehin schon.

 

Am 4. November steht die finale Entscheidung der Minister von Bund und Ländern in der GWK an. Vielleicht lassen sie sich doch noch von ihrer eigenen Hochschulpakt-Erfolgsmeldung inspirieren?

 

Dieser Artikel erschien heute zuerst in meiner Kolumne "Wiarda Will's Wissen" im Tagesspiegel.

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Kommentare: 1
  • #1

    LSB (Dienstag, 18 Oktober 2022 08:54)

    Vielleicht ist es in Deutschland noch nicht angekommen, aber Investitionen in Studierende sind kein wohltätiges Opfer großzügiger Geber, sondern einer der entscheidenden Hebel in der Bewältigung der Zukunftsaufgaben für Deutschland und Europa, die im Kampf gegen die Umweltzerstörung, der Erhöhung der Resilienz demokratischer Gesellschaften und der Transformation des Wirtschaftssystems liegen. Dass in diesen Fragen in Deutschland nach wie vor jeder Euro umgedreht wird, ist eine Hinterlassenschaft einiger aus politischer Bequemlichkeit gepflegten Gründungsmythen der BRD und ihrer Institutionen, die bis heute zu einem völlig verqueren Verständnis geführt haben, wie Wohlstand geschaffen wird.