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Wann kommt der Masterplan Lehramtsstudium?

Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg, die Hochschulen stricken munter Studienmodelle – und wo bleibt die Koordination? Was für Ärzte möglich ist, sollte auch bei künftigen Lehrern funktionieren.

Sharon Hinchliffe: "teacher", CC BY-NC-ND 2.0

ZUGEGEBEN, AM ENDE der Verhandlungen hatte der Masterplan, der das Medizinstudium revolutionieren sollte, ein bisschen an Glanz eingebüßt. Schuld war ein ärgerlicher Streit zwischen Wissenschafts- und Gesundheitsministern über die ungesicherte Finanzierung des Großprojekts. Ärgerlich insofern, weil jede gute Idee nur so viel wert ist wie ihre Umsetzung, und die wird im Falle des „Masterplan Medizinstudium 2020“ nach ersten internen Schätzungen mit rund 250 Millionen Euro jährlich zu Buche schlagen.

 

Trotzdem war die Begeisterung über das Erreichte, die besonders Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bei der Präsentation Ende März zur Schau trug, mehr als die Selbstinszenierung von Politikern im Vorwahlkampfmodus. Wer weiß, wie vielfältig, wie unterschiedlich und häufig genug konträr die Interessen im Gesundheitssektor sind, der kann erst so recht einzuschätzen, was es bedeutet, das Ziel und die Inhalte der gesamten Ärzteausbildung von Grund auf neu zu formulieren (die Details finden Sie hier). Aber es ist möglich.

 

Warum diese Erkenntnis so wichtig ist: Es gibt einen zweiten Sektor öffentlichen Gemeinwohls, dessen Ausbildungsgrundlagen einer dringenden und nicht weniger grundlegenden Überholung bedürfen. „Wann wird es einen Masterplan Lehramtsstudium geben?“, fragte vorvergangene Woche jemand auf Twitter. Auf den ersten Blick mag man darüber schmunzeln. Und auf den zweiten fragen: Ja, wann eigentlich? Und warum redet keiner drüber?

 

Von der zielgenaueren (Selbst-)Auswahl künftiger Lehrer über ihre Beratung vor Studienbeginn und die Orientierung in den ersten Semestern bis hin zur richtigen Verknüpfung frühzeitiger Unterrichtspraxis mit den fachlichen Inhalten, den Fachdidaktiken und der allgemeinen Pädagogik: Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg. Und es mangelt an mutigen Ideen, die das Lehramtsstudium endlich ins 21. Jahrhundert (vielleicht sogar gleich ins Jahr 2020?) katapultieren. Ein Jahrhundert, in dem die Vielfalt der Schüler immer weiter wächst und die soziale Zusammensetzung der Elternhäuser genauso im Wandel begriffen ist wie die Gesellschaft, deren aktive Mitgestalter die Schulabgänger werden wollen.  >>



>> Es ist schon ein frappierender Gegensatz: Während Bildungsstandards für eine stärkere Vergleichbarkeit des im Unterricht Gelernten sorgen sollen, und zwar über ganz Deutschland hinweg, während landauf, landab über die zentrale Bedeutung des Lehrerberufs für die Zukunft unseres Landes schwadroniert wird, listet der „Monitor Lehrerbildung“ nach eigenen Angaben „mehr als 8000 relevante Daten und Fakten“ auf, um das Lehramtsstudium in Deutschland auch nur halbwegs erfassen zu können.

 

Wie viele weitere Daten wären wohl nötig, um auch die zweite Phase der Lehrerbildung (Referendariat) und danach die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte deutschlandweit beschreiben zu können?

 

Worauf sich die Kultusminister in den vergangenen 15 Jahren geeinigt haben, sind elf mit so genannten „Standards“ gekoppelte Kernkompetenzen für die Bildungswissenschaften, deren Verbindlichkeitsgrad schon aus den Formulierungen deutlich wird. Beispiel Kompetenz 1: „Lehrerinnen und Lehrer planen Unterricht unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und Entwicklungsprozesse fach- und sachgerecht und führen ihn sachlich und fachlich korrekt durch.“ Oder Kompetenz 10: „Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe.“

 

Auf die einzelnen Fächer heruntergebrochen gibt es die „ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“, aber die stammen schon von 2008. Darüber hinaus existiert lediglich eine Reihe kurzer Empfehlungen zur Inklusion oder zur „Eignungsabklärung“ von Studienanfängern.

 

Bei den Vorgaben zum Referendariat (Vorbereitungsdienst) und dem Staatsexamen wird es noch dünner, die diesbezüglichen „Ländergemeinsamen Anforderungen“ sind inklusive Titelblatt gerade mal vier Seiten lang, und in Bezug auf die Fort- und Weiterbildung findet sich auf der Website der Kultusministerkonferenz (KMK) nur ein Link zu den zuständigen Landesinstituten.

 

Zu wenig, zu zerfasert, zu allgemein: So lassen sich die bisherigen Anstrengungen der Kultusminister zusammenfassen, die Lehrerbildung, diese ewige, aber nie richtig umgegrabene Reformbaustelle, strategisch abzustimmen und auf die Zukunft auszurichten. Und selbst das Bisschen, was sie machen, wird mitunter von den Hochschulen konterkarriert, die sich dank ihrer (an sich sinnvollen) Autonomie jeweils ganz eigene Versionen des Lehramtsstudiums stricken können.

 

Immerhin: Angestoßen ausgerechnet von der eigentlich gar nicht zuständigen Bundesregierung, fördern Bund und Länder in der zeitlich befristeten „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ neue Studienmodelle. Ertrag: offen. Und sonst? Müssen Studenten, Lehrer und Schulen sich also hilflos seufzend dem Schicksal beugen, das der Föderalismus ihnen zugedacht hat? Werden die Kultusminister auch künftig entschuldigend mit den Händen ringen, wann immer die Rede auf die immer noch ausstehende grundsätzliche Reform des Lehramtsstudiums kommt?

 

Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ sagt: Nein. Groß denken lohnt sich. Die Entgegnung, dass sich dafür nicht nur die Wissenschafts-, sondern auch die Schulminister aus allen 16 Ländern einig werden müssten, überzeugt nicht wirklich. Denn auch wenn beim Masterplan am Ende vor allem über den Streit berichtet wurde, gehört zur Bilanz, dass sich über die inhaltliche Neuausrichtung des Medizinstudiums nicht nur 16 Wissenschaftsminister und 16 Gesundheitsminister, sondern sogar Bund und Länder einig geworden sind. Und beim Lehramt hat der Bund noch nicht einmal etwas zu sagen.   

 

Ein Masterplan Lehramtsstudium wäre mehr als ein Zusammenfassen verstreuter Einzelempfehlungen. Er wäre mehr als das Sammeln zukunftweisender Ideen aus Pädagogik und Bildungsforschung als Reaktion auf Inklusion, Digitalisierung und die Etablierung neuer Schulformen. Ein Masterplan Lehramtsstudium wäre ein Symbol, ein Signal der Bildungspolitik: Wir wollen nicht nur immer ein besseres Lehramtsstudium. Wir gehen es an. Und zwar gemeinsam.

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Kommentare: 4
  • #1

    Markus Pössel (Dienstag, 11 April 2017 09:46)

    Wie verhindert man denn, dass so ein Masterplan-Kompromiss gute lokale Modelle und Initiativen plattmacht? In Heidelberg zum Beispiel machen wir sehr erfolgreich eine Astronomieausbildung als Teil des Physik-Lehramtsstudiums. Das geht besonders gut, weil die lokalen Voraussetzungen gegeben sind: mit dem Haus der Astronomie (wo ich arbeite) haben wir eine Institution vor Ort, die diese Art von Ausbildung inklusive vieler praktischer Elemente gut anbieten kann – und sie wird von den Studierenden auch gut angenommen. Aber das ist vermutlich nichts, was man für alle Universitäten für das Lehramtsstudium verpflichtend machen kann bzw. sollte – bei einem Masterplan Lehramtsstudium würde dieser Teil also vermutlich gekippt werden, und unsere regionalen Stärken in dieser Richtung blieben ungenutzt. Es dürfte weitere Beispiele in diese Richtung geben – Ausbildungsteile, die aufgrund der lokalen Bedingungen funktionieren, die man aber nicht bundesweit verpflichtend machen kann. Fallen all diese Besonderheiten dann effektiv weg, wenn der Masterplan aufgestellt und mehr oder weniger verpflichtend eingeführt wird? Das fände ich fatal, und es wäre unterm Strich sicher ein Verlust für die Lehramtsstudierenden. Wie könnte man diese von der Struktur her naheliegende negative Nebenwirkung eines Masterplans verhindern?

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 11 April 2017 11:19)

    Lieber Herr Pössel,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie haben da natürlich einen Punkt. So, wie ich einen Masterplan verstünde, wäre seine Zielrichtung aber gerade nicht, gute Ideen zu verhindern, sondern im Gegenteil: sie zu fördern. Ich würde mir einen stärkeren gemeinsamen Rahmen wünschen, eine verbindlichere Struktur und darüber hinaus eine Art gemeinsames "Kernverständnis" dessen, was eine qualitativ hochwertige Lehrerbildung angeht. Das betrifft vor allem auch neue Prüfungsformate, Fortbildungsangebote und -strategien sowie die (Selbst)-Auswahl und Orientierung der Studierenden. All das ist sicherlich keine erschöpfende Liste, aber wie gesagt: Am Ende würde und dürfte sicherlich nicht jedes Lehramtsstudium überall gleich aussehen, die grundlegende Philosophie und Logik jedoch, die dürften meines Erachtens ruhig vergleichbarer werden. Am wichtigsten schließlich wäre ein anderer Punkt für mich: das länderübergreifende, gemeinsame Engagement aller Kultus- und Wissenschaftsministerien für dieses große gemeinsame Projekt "Masterplan" – bis hin zu einer finanziell besseren Ausstattung der lehramtsbezogenen Forschung und der administrativen Strukturen der Lehrerbildung.

    Viele Grüße,
    Ihr Jan-Martin Wiarda

  • #3

    Dr. Corinna M. Dartenne (Donnerstag, 04 Mai 2017 20:08)

    Lieber Herr Wiarda,
    zugegeben, eine verlockende Idee. Aber eine Frage müßte vorher geklärt werden: Wie kann ein Masterplan Lehrer(aus)bildung aussehen, wenn es 16 verschiedene Schulsysteme gibt, für die diese Lehrer/-innen ausgebildet werden sollen? Daher hier eine ergänzende Idee: Ein Masterplan für das Schulwesen. Man stelle sich vor, welche Summen und welche Arbeit gespart werden könnte, wenn es nur noch ein einziges Bildungsministerium gäbe (Konjunktiv II wohlgemerkt!).
    Also gibt es doch einen entscheidenden Unterschied zum Medizinstudium, dessen Leitcodierung nicht in 16 verschiedenen Ministerien verhandelt werden muss.
    Es grüßt
    Corinna M. Dartenne

  • #4

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 07:02)

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