Es war ein großartiger Plan: Lehrer an Brennpunktschulen mit mehr Geld zu belohnen. Was jetzt aus der Idee werden könnte, verkehrt sie ins Absurde.
IRGENDWIE IST ES doch wieder typisch. Was es nicht weniger enttäuschend macht. Anfang Dezember hatte ich mich in meiner Tagesspiegel-Kolumne darüber gefreut, dass die rot-rot-grüne Koalition in Berlin Lehrer an Brennpunktschulen für ihre so wichtige Arbeit besonders belohnen wollte. Mit einer Zulage von im Schnitt 300 Euro im Monat. "Ein Schmerzensgeld?", schrieb ich damals: "Nein. Keine Lehrkraft, die weg will, wird wegen 300 Euro im Monat bleiben. Aber jene, die jeden Tag das Beste geben, aus Überzeugung, aus Leidenschaft, die trotzdem oft zu kämpfen haben, für die sind die 300 Euro ein Einstieg. Und zwar in die lange überfällige Anerkennung für jene Schulen, an denen sich der soziale Zusammenhalt unserer Gesellschaft entscheidet."
Nun berichtete meine Kollegin Susanne Vieth-Entus ebenfalls im Tagesspiegel: "Mit dem Geldsegen wird es wohl nichts." Statt den zusätzlichen Hunderten werde es womöglich auf eine "pauschale Arbeitsentlastung" hinauslaufen. Der Landeslehrerausschuss habe mitgeteilt, dass vielen Lehrern eine Stundenermäßigung wichtiger sei als mehr Geld, sagte Maja Lasic, die Initiatorin der Prämie, die bildungspolitische Sprechern der SPD-Abgeordnetenhausfraktion.
Jetzt könnte man sagen: Na, dann ist doch alles okay, wenn dann die Lehrer zufriedener sind. So einfach ist die Sache aber nicht. Erstens würde ich gern wissen, welche Lehrer der Landeslehrerausschuss eigentlich wie nach ihrer Meinung gefragt hat. Vor allem aber erscheint es angesichts des herrschenden Lehrermangels geradezu absurd, ausgerechnet an den Problemschulen die Vollpädagogen weniger unterrichten zu lassen. Zumal man mithilfe der Prämie doch gerade den dort ohnehin geringeren Anteil an Vollpädagogen steigern wollte. Die Alternative Stundenermäßigung würde dazu führen, dass die Lücke im Zweifel, wie Vieth-Entus zu Recht anmerkt, durch noch mehr Seiteneinsteiger gefüllt werden müsste. Die 8,6 Millionen Euro, die der rot-rot-grüne Senat im Berliner Doppelhaushalt für die Initiative eingeplant hat, wird – so umgesetzt – die Schulen schlechter machen, nicht besser.
Die Logik des Landeslehrerausschusses, der sich die rot-rot-grüne Koalition anzuschließen scheint, ist einmal mehr die der Stelleninhaber. Dabei ginge es um viel mehr. Es ginge darum, den Lehramtabsolventen künftiger Jahre zu signalisieren: Wenn ihr euch freiwillig an den vermeintlich schwierigsten Schulen engagiert, dann bleibt das nicht unbeachtet. Ihr werdet besser bezahlt, weil ihr an diesen Schulen besser sein müsst als anderswo, wenn ihr dasselbe erreichen wollt. Es mag ja sein, dass viele Lehrer sich nicht durch mehr Geld motivieren lassen. Aber gerade die ehrgeizigen schauen sehr genau hin, denn für sie ist das Gehalt auch Distinktionsmerkmal. Und womöglich ist es ja genau das der Grund, weswegen der Landeslehrerausschuss und zuvor schon die Gewerkschaft für Erziehung Wissenschaft (GEW) so kritisch mit der Prämien-Idee war. Schade. Aber wie gesagt: irgendwie auch typisch.
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Ulf Neumann (Freitag, 23 Februar 2018 22:20)
Ja, irgendwie könnte der Schuss auch nach hinten losgehen. Muss er aber nicht. Auch eine Deputatsermäßigung kann eine Anerkennung sein. Ich frage mich nur, was denn eine Schule zur Brennpunktschule macht? Vielleicht die Anzahl der Gewalttaten? Ist dann eine Schule, die es geschafft hat, mit viel Engagement des Personals die Rate gering zu halten, keine Brennpunktschule mehr und damit nicht förderungswürdig? Ist in jedem Fall nicht leicht und birgt Unruhepotential.