Als die Exzellenzinitiative zur Exzellenzstrategie wurde, schafften Bund und Länder eine Förderlinie ab. Ging es nach Willen des SPD-Wissenschaftskoordinators Konrad Wolf, könnte bald wieder eine dritte hinzukommen. Doch wäre es eine völlig andere: Wolf will die besten Exzellenzcluster verstetigen.
DIE UNIVERSITÄTEN HABEN in Sachen Exzellenzwettbewerb erstmal ein paar Jahre Pause. Doch während die Gewinner mit der Umsetzung ihrer Projekte beschäftigt sind, arbeitet die Politik schon an den Regeln für die Zukunft der Exzellenzstrategie. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat eine Arbeitsgruppe zur Exzellenzstrategie eingesetzt, und der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) hat ein Konzeptpapier vorgelegt, das es in sich hat. Darin schlägt er eine neue, zusätzliche Förderlinie für die nächste ExStra-Runde vor.
Das Konzept, datiert bereits auf den 27. November, ist so intern und inoffiziell, dass Wolf es demonstrativ mit "Non-Paper" überschrieben hat. Der Minister ist seit vergangenem Herbst Koordinator der SPD-Wissenschaftsminister und außerdem GWK-Ko-Vorsitzender; beide Aufgaben hat er von Eva Quante-Brandt übernommen, die nach der Wahl zur Bremer Bürgerschaft vergangenes Jahr nicht erneut als Wissenschaftssenatorin aufgestellt worden war. Auf Anfrage möchte Wolf seine Vorschläge nicht öffentlich kommentieren.
Was für die Exzellenzuniversitäten gilt, fordert Wolf,
müsse auch für die Exzellenzcluster möglich sein
Die ehemalige Exzellenzinitiative hatte drei Förderlinien. Doch die Exzellenzstrategie, die sie ablöste, wurde auf zwei Linien begrenzt. Die erste fördert international wettbewerbsfähige Forschungsverbünde an deutschen Universitäten, allerdings nur projektbezogen. Die aktuelle Cluster-Förderperiode läuft seit Anfang 2019 und geht bis Ende 2025. Laut Bund-Länder-Vereinbarung ist eine Verlängerung um noch einmal sieben Jahre möglich, allerdings müssen sich die bestehenden Cluster dafür genau demselben Wettbewerb stellen wie Neuanträge.
Im Gegensatz zu den Clustern, die nach der gegenwärtigen ExStra-Logik eine begrenzte Laufzeit haben, kennt die zweite Förderlinie ("Exzellenzuniversitäten") keine Höchstdauer bei der Förderung, kann sie auch nicht, denn, wie Wolf betont, sie dient der "Stärkung der Universitäten… auf Grundlage langfristiger gemeinsamer strategischer Ziele in einer dauerhaft ausgerichteten Kooperation".
Und genau hier setzt Wolfs Vorschlag nun an. Das, was für die Universitäten als Ganzes gilt, sollte seines Erachtens auf für besonders erfolgreiche Exzellenzcluster möglich sein: die dauerhafte Förderung. Konkret regt der Minister an, dass Forschungsverbünde nach "mindestens 13-jähriger, nicht unterbrochener Förderung in Exzellenzinitiative und Exzellenzstrategie" unter bestimmten Voraussetzungen in die dritte Förderlinie – Wolf nennt sie "Profilcluster" – wechseln würden.
Bedeuten würde dies zweierlei: Es gäbe wie bei der Linie "Exzellenzuniversitäten" keine Höchstdauer mehr bei der Förderung, und die Entscheidung über eine Weiterförderung würde nicht mehr auf der Grundlage immer neuer Wettbewerbsanträge erfolgen, sondern, ähnlich wie bei Instituten der Leibniz-Gemeinschaft, auf der Basis von Evaluationen. Die neue dritte Förderlinie der Exzellenzstrategie, die Wolf vorschwebt, hätte also inhaltlich nichts mit der abgeschafften dritten Förderlinie der Exzellenziniative, den Graduiertenschulen, zu tun.
Tatsächlich wurde die Option, ob es dauerhaft geförderte Cluster geben sollte, schon in der Vorphase der ExStra-Bund-Länder-Vereinbarung von den damaligen Wissenschaftsministern intensiv diskutiert – dann aber erstmal ad acta gelegt. Dieser Debatte will Wolf nun offenbar neuen Schwung geben. Als Voraussetzungen für die Aufnahme langjähriger Cluster in die neue Förderlinie nennt er: Das durch sie abgedeckte Forschungsfeld müsse "über einen längeren Zeitraum für die Universität struktur- und profilbildend" sein und ein "strategisches Entwicklungskonzept" verfolgen, das sich in die universitäre Gesamtstrategie integriere.
"Alleinstellungsmerkmal von überregionaler
bzw. internationaler Bedeutung"
Außerdem müssten die aus den Clustern hervorgegangenen "Initiativen" seit vielen Jahren "herausragende und national wie international beachtete Beiträge" in seinem Forschungsfeld leisten, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Cluster-Forscher und die Bedeutung des Forschungsfeldes müssten durch mehrere Exzellenzcluster-Begutachtungen belegt sein. Die Initiativen müssten ihre interne inhaltliche und personelle "Erneuerungsfähigkeit" über mehrere Jahre nachgewiesen haben, und: Sie müssten über ein "Alleinstellungsmerkmal von überregionaler bzw. internationaler Bedeutung an einer Universität" verfügen, das es international noch sichtbarer zu machen gelte. So ein Alleinstellungsmerkmal könne etwa der Zugang zu seiner bedeutenden Forschungsinfrastruktur sein.
Insgesamt, fordert der GWK-Ko-Vorsitzende, müssten die Cluster-Auswahlverfahren weiterentwickelt werden, um die "Auswahl gegenüber den Antragstellenden nachvollziehbar zu gestalten". Als Beispiel hierfür nennt Wolf die "Begutachtung und Auswahl in der Skizzenphase".
Soweit Wolfs Vorstoß. Wie viele der zurzeit 57 Cluster kämen denn potenziell von 2026 für die neue Förderlinie in Frage? Der SPD-Politiker hat auch das nachgerechnet und nennt 23 Förderfälle, die zusammengerechnet derzeit rund 159 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Womit die finanzielle Dimension des Vorstoßes offensichtlich wird, denn müsse, betont Wolf, zugleich die "Dynamik im Wissenschaftssystem" erhalten bleiben und weiter gefördert werden durch den "dynamischen Zu- und Abgang neuer bestehender Initiativen". Und neue Cluster und bisher nicht geförderte Universitäten müssten auch künftig faire Förderchancen erhalten, ergo müsse das "Programmbudget insgesamt (deutlich) erhöht werden".
Wolfs Vorschlag passt übrigens zu einem weiteren Vorstoß der Länder, die den Qualitätspakt Lehre um ein Jahr bis Ende 2021 verlängern wollen, damit die bisherigen QPL-Projekte potenziell nahtlos durch die neue, gerade erst im Aufbau befindliche Organisationseinheit "Innovationen in der Hochschullehre" weitergefördert werden könnten. Auch wenn diese noch namenlose Organisationseinheit eigentlich ganz andere Ziele als der QPL verfolgen sollte: neue Ideen und die Vernetzung fördern. Womit noch deutlicher wird: Für die Wissenschaftsminister, die in einigen Ländern mit den Finanzministern derzeit um ihre Hochschulbudgets kämpfen, haben die Bund-Länder-Programme neben den strukturbildenden immer auch eine schlichte finanzpolitische Dimension.
Wolfs Vorschlag würde die
Wissenschaftslandschaft verändern
Doch stellen sich auch so angesichts von Wolfs Vorschlag eine Reihe von Fragen.
Erstens: Wer würde die neue Förderlinie eigentlich administrieren? Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist für die bestehende Exzellenzcluster-Linie zuständig, doch handelt es sich bei der ja auch um die klassische Projektförderung, wie sie Aufgabe der DFG ist. Würden ihr auch die Profilcluster übertragen, wäre die Forschungsgemeinschaft plötzlich de facto für einen Teil der Grundfinanzierung an den Universitäten zuständig. Ein wissenschaftliches Novum, das die Aufgabenzuschreibungen im Wissenschaftssystem (Forschungsorganisationen versus Forschungsförderer) neu verteilen und die DFG noch mächtiger machen würde, als sie es ohnehin schon ist.
Zweitens: Wie würde die Evaluation genau laufen? Wie ergebnisoffen wäre sie tatsächlich? Müsste nicht, wenn es eine Finanz-Obergrenze bei den Profilclustern gäbe, doch jedes Mal wieder eine gewisse Zahl von Initiativen herausevaluiert werden, damit neue auf Dauer gestellt werden könnten? Wie groß wäre dann noch der Unterschied zum bestehenden Wettbewerb? Die Alternative wäre, dass diejenigen Cluster, die 2026 in die neue Förderlinie kämen, einen dauerhaften Vorteil gegenüber jüngeren Clustern hätten, weil ihnen der Zugang leichter gemacht wurde.
Und drittens: Wie wird der Bund die Idee finden? Offiziell hat er sich noch nicht dazu positioniert, allerdings kann man sich denken, dass sich die Begeisterung in Karliczeks Ministerium, mehr Geld in die Dauerförderung von Universitäten an die Länder zu schieben, in Grenzen halten dürfte. Darüber hinaus dürfte der Vorschlag auch zwischen den Ländern Debatten auslösen: Vor allem diejenigen, die viele der besagten 23 Langzeit-Cluster an ihren Universitäten haben, werden ihn begrüßen; jene, die auf ein besseres Abschneiden in künftigen ExStra-Runden hoffen, um die Finanzierung der neuen Cluster fürchten. Weshalb Wolf ja das mit der Erhöhung des Programmbudgets als Voraussetzung so betont – und dabei den Bund automatisch mit in die Pflicht nimmt.
Mitte April setzen sich die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern das nächste Mal in der GWK zusammen, dann könnte es spannend werden. Zumal die eingangs erwähnte "Adhoc-Arbeitsgruppe", die auf Arbeitsebene der Ministerien tagt, für die Minister noch zu einer Reihe weiterer Fragen Vorschläge erarbeiten soll. Wie genau sollen zum Beispiel die jährlichen Berichte zur "Umsetzung der gemeinsamen Förderung" aussehen, die Sitzland und Bund für jede der elf Exzellenzuniversitäten vorlegen müssen? Wie genau will man darin den erreichten Fortschritt beschreiben und messen, welche Auflagen an die Exzellenzuniversitäten daraus ableiten?
Noch eine Rechnung
mit Bund offen
Und noch wichtiger: Wie soll die "regelmäßig alle sieben Jahre" geplante Evaluation der Exzellenzuniversitäten ablaufen, die unabhängig und extern sein und einen "selektiven Charakter" haben soll? Derzeit ist unklar, ob die Tatsache, dass Exzellenzuniversitäten seit Beginn der ExStra dauerhaft gefördert werden können, auch bedeutet, dass die Evaluatoren ihnen – trotz des "selektiven Charakters" – mit Geduld begegnen, was die Umsetzung der bewilligten Konzepte angeht – mit mehr Geduld, als das bei der ExIni der Fall war. Im Zweifel also für die Exzellenzuniversität und gegen den Abstieg aus der erlauchten Runde? Ähnlich wie bei Wolfs Vorschlag zu den Profilclustern? Ist das ein weiterer Unterschied zur ehemaligen Exzellenzinitiative?
2026 wäre das vielleicht noch nicht so schlimm, weil die ExStra-Verwaltungsvereinbarung ja vorsieht, dass dann "bei Erfolg im wettbewerblichen Verfahren" in jedem Fall bis zu vier zusätzliche Exzellenzuniversitäten aufgenommen werden müssen. Hier läge das Problem eher bei der Politik, die sie (zusätzlich) finanzieren muss. Jedenfalls stellt auch Minister Wolff in seinem Non-Paper fest: In der Verwaltungsvereinbarung sei "bezüglich der bis zu vier weiteren Förderfälle ab 2026 keine Vereinbarung getroffen". In den folgenden Auswahlrunden allerdings würde die Geduld mit den Einen auf jeden Fall zu schlechteren Aufnahmebedingungen für die Anderen führen. Es sei denn, es gäbe wiederum mehr Geld. Auch vom Bund.
Ohne einen Seitenhieb auf Karliczek kommt Wolf in seinem Papier freilich nicht aus. Es sei der Vorschlag des Bundes gewesen, 57 Cluster zu fördern, womit er die Cluster-Linie "über die vereinbarten und budgetierten 40-50 Förderfälle hinaus ausgeweitet" habe. Die Länder hätten ja schon in den Verhandlungen zur Verwaltungsvereinbarung "stets eine noch höhere Anzahl an Förderfällen" vereinbaren wollen – allerdings "bei entsprechendem Budget". Nach der Cluster-Entscheidung hätten die Ministerpräsidenten der Länder dann "mit Blick auf die 25%-Kürzung beim Fördervolumen der Exzellenzcluster bei der Bundeskanzlerin eine Erhöhung des Bundesanteils gefordert". Klingt fast so, als sei da nach Meinung Wolfs ohnehin noch eine (Finanz-)Rechnung offen.
Ganz sicher wird die Arbeitsgruppe der Ministerialbeamten länger brauchen als bis April, um all diese und weitere Fragen zu beantworten. Aber ihre Minister werden schon über Wolfs Vorschlag zu den Profilclustern genug zu diskutieren haben.
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