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Landeswissenschaftsminister wollen Digitalpakt Hochschule

Alle 16 Ressorts haben sich auf eine gemeinsame Initiative geeinigt: 500 Millionen für die digitale Ausstattung der Lehre sollen als Teil des geplanten Konjunkturprogramms fließen. Schließt sich Bundesforschungsministerin Anja Karliczek der Forderung an?

Foto: piqsels.com.

DIE ANSAGE war mutig. Das geplante Konjunktur- und Investitionsprogramm der Bundesregierung müsse so gestaltet sein, dass es in die Zukunft weise und "Lust auf Zukunft" mache, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, als sie vergangene Woche den Bundesbericht Forschung und Innovation 2020 vorstellte. Und dann nannte die CDU-Politikerin konkrete Zahlen: Jahr für Jahr gebe der Bund 40 Milliarden Euro für Investitionen aus – in zukunftsbezogene Infrastruktur und Bildung und Forschung. "Ich stelle mir vor, dass wir in den Jahren 2021 bis 2023 noch einmal die Hälfte drauflegen."

 

20 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr und ein großer Teil davon für Bildung und Forschung. Um die Größenordnung von Karlizeks Forderung zu verdeutlichen: Der Gesamthaushalt ihres Ministeriums belief sich im 2020er-Haushaltsplan vor der Krise auf gut 18 Milliarden Euro. Doch im Vorfeld des für Anfang Juni versprochenen Multi-Milliarden-Pakets rangeln die Ressorts zunehmend um die Wahrnehmung vor allem von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Scholz. In die Hände spielt Karliczek, dass in der Großen Koalition die Skepsis gegenüber Abwrackprämie & Co wächst. Man müsse "etwas komplexer vorgehen und intelligenter werden", sagte zum Beispiel Unions-Fraktionsschef Ralph Brinkhaus vergangenen Freitag im Deutschlandfunk.

 

Klingt nach einer Steilvorlage für Forschungs- und Innovationspolitiker. Erstaunlicherweise stieg dennoch in der öffentlichen Debatte zunächst keiner von Karliczeks Länderkollegen auf ihren Vorstoß ein. Womöglich, weil ihnen die geforderte Zahl dann doch zu unrealistisch groß erschien. Oder weil sie schlicht und einfach noch nicht so weit waren.

 

Das Programm, das bloß nicht
Digitalpakt heißen soll

 

Hinter den Kulissen verhandelten die Wissenschaftsministerien in den vergangenen Tagen dafür umso engagierter. Und haben sich nach einigem Hin und Her nun auf eine zentrale Forderung geeinigt, die sie der Bundesregierung präsentieren wollen. "Programm 'Digitalisierung der Lehre' im Rahmen eines Konjunktur", steht über dem dreiseitigen Papier, das diese Woche offiziell ans Karliczeks Ministerium übersandt wurde und das mir vorliegt. 

 

Intern war schon mal von einem "Digitalpakt für die Hochschulen" die Rede, doch will man diesen Begriff nach außen tunlichst vermeiden. Eigentlich interessant – hat der "Digitalpakt Schule", aus dem bislang so wenig Geld in die Länder geflossen ist, einen so schlechten Klang für die Landeswissenschaftsminister? Offiziell äußern wollten sich verschiedene von mir angefragte Ressortchefs zu ihrem Vorstoß noch nicht. Der reichlich spät kommt – aber gerade noch rechtzeitig, weil die Finanz- und Wirtschaftspolitiker aus Bund und Ländern erst jetzt in die heiße Verhandlungsphase einsteigen. 

 

Ausgearbeitet hat das vorgeschlagene Hochschul-Ausstattungsprogramm eine Arbeitsgruppe von Wissenschaftsstaatssekretären, sogenannter Amtschefs, verschiedener Länder und Parteien – namentlich aus Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Die Initiative geht ursprünglich zurück auf Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD), der schon im März im Interview hier im Blog ein "Bund-Länder-Sofortprogramm" zur Digitalisierung der Hochschullehre in Zeiten von Corona gefordert hatte. 350 Millionen für die Jahr 2020 und 2021 hatte Krach gefordert – im von den sechs Ländern ausgehandelten und von allen 16 Wissenschaftsministerien vorgelegten Papier ist jetzt von 500 Millionen Euro die Rede, finanziert zu 100 Prozent vom Bund. Dazu später noch mehr.

 

Mit dem Programm, heißt es in dem jetzt ans BMBF geschickten Papier, solle die "Verfügbarkeit von digitalen Lehr- und Lernangeboten erhöht werden, die notwendige Infrastruktur geschaffen bzw. ausgebaut und die Kompetenzen und Qualifikationen der Lehrenden weiterentwickelt werden". Von den Investitionen in die Infrastruktur könnten auch Forschung, Transfer und wissenschaftliche Weiterbildung profitieren. 

 

Amtschefs schlagen Digitalisierungspauschale
pro Studierendem vor

 

Die 500 Millionen sollen im Zeitraum von Oktober 2020 bis Oktober 2022 fließen, und zwar in Form einer Digitalisierungspauschale pro Studierendem in der Regelstudienzeit plus zwei Semester. So haben es die Amtschefs ausgearbeitet. Die Länder sollen das Geld an die Hochschulen weiterverteilen und dabei "bezüglich regionaler Anpassungsbedarfe" steuern können. Alle staatlichen und staatlich anerkannten (also auch die privaten) Hochschulen sollen in den Genuss der Förderung kommen können, außerdem hochschulübergreifende Einrichtungen. Die Hochschulen sollen Anträge möglichst einfach stellen können "mit nachfolgender Verwendungsprüfung nach üblichem Verfahren".

 

Das Papier listet ausführlich "mögliche Maßnahmen, die gefördert werden können" auf, zum Beispiel "die Beschaffung elektronischer Lehrbücher und interaktiver Lernumgebungen", die "Förderung der digitalen Infrastruktur an den Hochschulen" wie Videokonferenz-Anlagen, digitale Lernplattformen, Server- und Speicherkapazitäten, leistungsfähigere Netzwerke, Softwarelizenzen oder auch die Digitalisierung von Studienservices. Anders formuliert: Eigentlich so ziemlich alles soll förderfähig sein, was irgendwie mit Lehre und mit Digitalisierung zu tun hat. Aber eben auch, für ein Konjunkturprogramm eher ungewöhnlich, die technisch-didaktische Weiterbildung der Lehrenden und Personal für die Entwicklung und Produktion digitaler Lehrformate.

 

Auch die "personelle Unterstützung für die Erarbeitung von Entwicklungsstrategien und für Change Management in den Einrichtungen" wird genannt – was immer das genau bedeuten mag. Wiederum wohl hauptsächlich, dass die Hochschulen nach Meinung der Landesministerien möglichst viel Freiraum in der Antragstellung bekommen sollen. Dies legt die letzte erwähnte Maßnahme ebenfalls nahe: "Investitionen für Bibliotheken sowie auf Studium und Lehre bezogene Serviceeinrichtungen und Verwaltungseinrichtungen", lautet sie – die ultimative Öffnungsklausel.

 

Läuft das am Ende auch auf Baumaßnahmen im klassischen Sinne hinaus? Das wohl am wenigsten – denn genau die dürften in einem Konjunkturprogramm ohnehin stark vertreten sein, auch für die Hochschulen. Was im Übrigen durchaus zu hinterfragen ist, wenn die Konjunktur schnell gestützt werden soll, zumal die Bauwirtschaft eine der Branchen ist, die offenbar verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen ist bislang. Man wolle vor allem ein Ausstattungsprogramm, so lautet denn auch die Versicherung aus den Landeswissenschaftsministerien heraus. Technik und Weiterbildung, das sind die zentralen Elemente. 

 

Bislang hielt sich Karliczek
beim Thema Digitalpakt bedeckt

 

Diese Woche laufen dem Vernehmen nach erste Sondierungsgespräche zwischen den Landeswissenschaftsministerien und Spitzenvertretern von Karliczeks Ministerium. Verhandlungsführer sind der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf (SPD) und sein bayerischer Kollege Bernd Sibler (CSU). Spätestens nächste Woche soll es eine Schalte aller Wissenschaftsminister geben. Ziel ist, sich die Unterstützung aus dem BMBF zu sichern – was, siehe Karliczeks 60-Milliarden-Forderung, eigentlich nicht besonders schwer sein sollte. Eigentlich: Denn die Bundesministerin hat sich – wiederum erstaunlich – bei Fragen nach einem Digitalpakt Hochschule bislang bedeckt gehalten. Vergangene Woche hatte ihr die FDP-Bundestagsfraktion, die per Antrag ein "Corona-Sofortprogramm für die Lehre" forderte, deshalb "Wegducken" vorgeworfen.

 

Ein möglicher Knackpunkt neben der Frage, ob der Bund überhaupt bereit ist, Technik-Hardware zu fördern: die Kostenaufteilung des von den Ländern geforderten Programms. 100 Prozent Bund, 0 Prozent Länder? Staatssekretär Krach hatte im März von einer möglichen  Kofinanzierung der Länder in Höhe von 25 Prozent gesprochen. Offenbar will man jetzt erstmal von der Maximalposition in die Verhandlungen starten. Was nicht schlecht wäre für die Hochschulen: wenn die Länder nachher doch noch etwas auf die 500 Millionen drauflegen müssten. Dafür muss es das Programm aber erstmal ins Konjunkturpaket schaffen. 



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Kommentare: 1
  • #1

    Marco Winzker (Freitag, 22 Mai 2020 17:38)

    Das ist prinzipiell eine gute Sache. Aber eine einmalige Investition greift zu kurz.

    Aufwand für Betrieb: Es reicht nicht aus, ein System irgendwo hinzustellen und den Strom einzuschalten. Benutzer einrichten, Updates einspielen, Schnittstellen zu anderen Systemen schaffen, Schnittstellen updaten, defekte Netzteile und Festplatten auswechseln, ...
    Wir lernen gerade, dass digitale Lehre nicht weniger sondern mehr Arbeit macht. Und das ist nicht nur beim Umstieg so.

    Weiterentwicklung von Tools fördern: Es gibt Förderung für neue Ideen, aber wenig Förderung um vorhandene Systeme zu verbessern. Um es am Beispiel zu verdeutlichen: Die Infos, die ich von YouTube Analytics bekomme sind deutlich schöner und aussagekräftiger als die von meinem LMS (Learning Management System). Und das ist wichtig für Learning Analytics.