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Die Corona-Krise als Chance für eine neue Prüfungskultur

Viele Hochschullehrer wollen ihre Studierenden bei den Online-Klausuren überwachen. Ein Zeichen mangelnden Vertrauens? Oder eher ein Signal, dass es auch ohne Pandemie dringend an der Zeit wäre für ein Hinterfragen akademischer Prüfungsformate?

Illustration: Hatice Erol / Pixabay.

DIE PRÜFUNGSPHASE an den Hochschulen beginnt, und so läuft auch die Debatte über Online-Klausuren heiß. Als erstes Bundesland hatte Bayern Mitte Januar eine "Rechtsverordnung zur Erprobung elektronischer Fernprüfungen (BayFEV)" erlassen, andere Bundesländer sind seitdem nachgezogen.

 

Die Bestimmungen ähneln sich: Gezwungen, sich online prüfen zu lassen, wird keiner. In einigen Bundesländern müssen die Hochschulen alternativ auch Präsenzklausuren anbieten. Oder aber die Studierenden erhalten da, wo nur Online-Prüfungen zur Verfügung stehen, einen Freiversuch: Wenn sie bestehen, gut. Wenn nicht, Schwamm drüber. 

 

Streit gibt es an den Hochschulen vor allem über die Frage, ob die Studierenden, während sie die Prüfungsaufgaben bearbeiten, Kamera und Mikrofon ihres Computers eingeschaltet lassen müssen. In Sachsen-Anhalt etwa fordert das Wissenschaftsministerium per Verordnung genau dies, damit, wie es heißt, "die Hochschule mittels Videoaufsicht Täuschungsversuche verhindern und sicherstellen kann, dass Leistungen persönlich erbracht werden."



Eine Steigerung der Überwachung, die in Sachsen-Anhalt nicht zulässig ist, besteht in der Aufzeichnung des Videomaterials. Etwas, was zum Beispiel Bayern oder Hessen bei Personalmangel erlauben und was der Kölner Medienrechts-Professor Rolf Schwartmann in der FAZ als "datenschutzrechtlich völliges Harakiri" bezeichnet hat. Ein klarer Verstoß gegen die DSGVO wäre laut Schwarzmann der (in keiner Landesverordnung vorgesehene) Einsatz sogenannter Proctoring-Software durch Hochschulen, die Zugriff auf den Rechner der Studierenden ermöglicht.

 

Die rechtliche Einordnung digitaler Klausurenkontrolle ist das eine. Die Feststellung, dass viele, offenbar sehr viele Hochschullehrer überhaupt den Wunsch verspüren, ihre Studierenden überwachen zu wollen, das andere. Ein Ausfluss professoraler Lebenserfahrung mit täuschenden, spickenden, den einfachsten Weg wählenden Jungakademikern? Oder eher ein Signal, dass es auch ohne Corona dringend an der Zeit wäre für ein Hinterfragen akademischer Prüfungsformate?

 

Das stumpfe Abfragen auswendig gelernten Wissens in einem Hochschulstudium wirkt seltsam aus der Zeit gefallen

 

Das stumpfe Abfragen auswendig gelernten Wissens, das eine lückenlose Überwachung nötig machen würde, wirkt auf der Ebene eines Hochschulstudiums seltsam aus der Zeit gefallen. Im digitalen 21. Jahrhundert sind Daten und Fakten meist nur einen Mausklick entfernt. Ihre kompetente Einordnung und die Abschätzung ihrer Verlässlichkeit jedoch sind es, die zu den wichtigsten Fertigkeiten künftiger Fachkräfte und mündiger Staatsbürger gehören werden.

 

Dazu müssen Hochschulabsolventen die Methoden ihres Fachs beherrschen, sie müssen stärker noch als Generationen vor ihnen mit Praktiken des korrekten wissenschaftlichen Arbeitens vertraut gemacht werden, und sie sollten die Stellung ihres Fachs innerhalb der Wissenschaft und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft reflektieren. Wenn sie all dies können und dafür nicht mehr alle Formeln und Merksätze aus dem Kopf daherzuplappern wissen, ist das nicht nur kein Verlust, sondern ein akademischer Qualitätssprung.

 

Das eine Zauberwort heißt Open Book. Prüfungen, in denen eine bestimmte Auswahl von Hilfsmitteln und Literatur genutzt werden darf oder in denen die – methodisch saubere, plagiatsfreie – Verwendung von Medien grundsätzlich freigestellt ist. Das andere Zauberwort heißt Kompetenzorientierung. Aufgabenformate, bei denen Auswendiggelerntes gar nichts hilft, sondern wo es darauf ankommt, wissenschaftliches Denken und intellektuellen Überblick unter Beweis zu stellen.   

 

Open Book und Kompetenzorientierung bei Hochschulprüfungen waren schon vor Corona vielversprechend. In Zeiten von Distanzprüfungen sind sie keine Notlösung, um datenschutzrechtliche Verstöße zu vermeiden,  sondern sie sind die bessere Alternative. Dass sie nebenbei noch ein Klima des intellektuellen Vertrauens statt des Missvertrauens fördern, ist ein schöner Nebeneffekt. 


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Kommentare: 10
  • #1

    Sascha Liebermann (Montag, 08 Februar 2021 11:54)

    Sehr geehrter Herr Wiarda,

    ich kann diese Einschätzung nur unterstützen und aus meiner eigenen Prüfungspraxis bestätigen (Soziologie, Kunsthochschule). Nun ist es das eine, Prüfungsformen vorzuschlagen, die dem entsprechen, was Sie oben skizzieren (auch wenn ich den Begriff "Kompetenzorientierung" dafür nicht verwenden würde). Das andere ist, sich zu fragen, woher diese Sorge rührt, es könnte getäuscht werden? Denn in den genannten Formaten ist eine erfolgreiche Prüfung nur möglich, wenn der Gegenstand durchdrungen wurde. Diese Sorge erinnert in vierlei Hinsicht an die Diskussionen über eine Aufhebung der Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen (https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/sosi-2016-0005/html). Geht man noch weiter zurück, erinnert sie an den Geist, in dem in Deutschland BA- und MA-Abschlüsse eingeführt wurden. Statt auf angemessene Prüfungsformate zu setzen, in denen Kandidaten dann zeigen müssen, ob sie strukturelle Zusammenhänge erkennen und argumentativ darzulegen in der Lage sind, scheint die Haltung nicht wenig verbreitet, durch mehr Beaufsichtigung Wissens- oder Stofferwerb sicherstellen zu wollen. Es ginge also um eine grundlegendes Problem.

    Mit freundlichem Gruß
    Sascha Liebermann

  • #2

    Marco Winzker (Montag, 08 Februar 2021 11:56)

    Eine komplexe Fragestellung. Dem grundsätzlichen Tenor stimme ich voll zu. Kompetenzorientierte Prüfungen sind prinzipiell bessere Prüfungen, auch aus Gründen des "Constructive Alignment", also dem Prinzip, dass die Prüfung das Lernen steuert. Und das sollte eher Problemlösung als Faktenwissen sein. Corona könnte also auch hier Beschleuniger für eine gewünschte Entwicklung sein.

    Zwei Einschränkungen möchte ich dem Text hinzufügen.

    Nicht alle Prüfungen lassen sich kompetenzorientiert umgestalten. Als ein Beispiel sei die Mathematik genannt, bei der durch "Rechnung von Aufgaben" das Verständnis für mathematische Zusammenhänge geübt und geprüft wird. Auch wenn Aufgaben randomisiert werden: Ein Algebra-Programm kann einfach Integral und Ableitung berechnen. Dennoch sind diese Kompetenz und solche Prüfungsaufgaben sinnvoll.

    Und die Prüfungsaufsicht wird in angemessener Form auch von Studierenden unterstützt. Es geht dabei um Fairness und die vielen ehrlichen Studierenden möchten sich nicht fragen, ob sie die Dummen sind. Proctoring ist, wie angedeutet, ein Strohmann-Argument, also überspitzte Forderungen annehmen und diese dann zurückweisen.

  • #3

    Jörn Loviscach (Montag, 08 Februar 2021 12:23)

    Siehe:
    https://j3l7h.de/blog/2020-05-26_15_36_Take-Home-Pr%C3%BCfungen%20als%20ultimative%20Kompetenzorientierung

  • #4

    Christian Tietje (Montag, 08 Februar 2021 12:35)

    Der überzeugenden Stellungnahme ist inhaltlich nichts hinzuzufügen. Wichtig ist nur zu sehen, dass die Fernprüfungsverordnung jedenfalls in Sachsen-Anhalt nur einen sehr engen Anwendungsbereich für Prüfungen, die Aufsicht erfordern, hat. Open book, take home und ähnliche schriftliche Prüfungen werden gerade nicht erfasst. In der Praxis sind jedenfalls an der Universität Halle die weitaus meisten Prüfungen so ausgestaltet. Die Praxis bei uns ist, von Ausnahmen in wenigen Fächern abgesehen, insofern klar auf wissenschaftliche Reflektion und Verantwortung ausgerichtet. Nur für die wenigen Fächer, in denen das nicht so sehr im Vordergrund steht, gilt die Fernprüfungsverordnung mit Kameraaufsicht.

  • #5

    D. Hoenemann (Montag, 08 Februar 2021 13:19)

    Ich unterstütze diese Position. Gleichwohl gebe ich zu bedenken, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Grad an Kompetenzorientierung und den Personalressourcen gibt, die für eine Abnahme dieser Prüfungstypen zu hinterlegen sind. Dies wird gerade an vielen Instituten diskutiert: Wer soll jetzt die vielen Open Book-Texte eigentlich evaluieren? Die Betreuungsrelationen geben das an den meisten deutschen Univ absolut nicht her. Ich fürchte, dass nun eine Generation von Doktoranden geopfert wird, die das übernehmen müssen, weil Vorgesetzte es nicht besser organisiert bekommen. Komplexe Open Book-Formate/Essays können/dürfen nämlich nicht von studentischen TutorInnen (vor-)korrigiert werden. Normal ist in D ein Gratisstudium an einer Massenuni, da muss man einfach realistisch sein. Jeder hätte gern Eliteunibetreuung, aber wir können es nicht anbieten. Es wäre fatal, das nun wieder die NachwuchswissenschaftlerInnen ausbaden zu lassen.

  • #6

    Raphael Wimmer (Montag, 08 Februar 2021 14:29)

    Ich stimme meinen Vorrednern prinzipiell zu, bin großer Fan von kompetenzorientierten Prüfungsformen und habe lange Zeit nur Open-Book-Klausuren gestellt.

    (Die Erfahrung hat gezeigt, dass gerade schwächere Studierende den Stoff dann nicht wiederholen und den Großteil der Klausur mit Herumblättern in den Unterlagen verbringen. Deshalb bin ich in meiner Einführungsvorlesung [1] dann auf Closed-Book + Cheat Sheet umgestiegen, was sich bewährt hat.)

    Was leider bisher nicht thematisiert wurde: gerade bei High-Stakes-Prüfungen (Staatsexamen, Mathematik-Grundlagen) besteht die Gefahr des Contract-Cheatings, die ich auch durch Open-Book-Klausuren nicht verringere.
    Insofern muss ich zumindest irgendwann im Studium Studierende in Präsenz oder unter Überwachung prüfen, wenn ich Fairness sicherstellen will.

    [1] http://fim.uni-regensburg.de/altklausuren/#einf%C3%BChrung-in-die-informatik-und-medieninformatik

  • #7

    Georg Sommerer (Dienstag, 09 Februar 2021 11:52)

    Lieber Herr Wiarda,
    schöne These, der ich auch gerne zustimme.
    Das basiert aber auch auf einem entsprechenden Grad an Reife und "Erwachsensein" der Prüflinge (!)
    Leider zwingen mich einige wenige meiner Studierenden dazu genau solche Überwachungsmaßnahmen zu nutzen: Wenn sich zwei in einem Zimmer zur Onlineklausur verabreden um dann identische Wortlaute mit den gleichen Rechen- und Rechtschreibfehlern auf Papier und auf der gleichen Schreibtischoberfläche abzufotografieren bleibt mir zur Zeit nur die Orwellsche Vollüberwachung. Stehe ich garnicht drauf, bin ich aber den Ehrlichen schuldig.
    Und keine Sorge, in den höheren Semestern mit kleineren Gruppen und entsprechenden Reifegrad hab ich natürlich ganz andere Prüfungsmethoden.
    Es ist also weniger eine Frage des mangelnden Vertrauens als eine der bitteren Erfahrung.
    Willkommen in der Hochschulrealität.

  • #8

    Ruth Himmelreich (Dienstag, 09 Februar 2021 13:43)

    Ganz pragmatisch: es wäre schön, wenn wir hier an den Unis und Hochschulen auch einen Ehrenkodex wie an manchen amerikanischen Unis durchsetzen könnte, dass "man" bei Prüfungen nicht betrügt, auch wenn es niemand kontrolliert. Das funktioniert vielleicht mit sozialem Druck und in überschaubaren Gruppen, vor allem auch wegen des Gesichtsverlustes, wenn es herauskommt. Im Massenbetrieb eher nicht.

    Wenn ich im Freundeskreis sehe, wie viele Eltern die Schulreferate ihrer Kinder schreiben, samt den zugehörigen Powerpoint-Folien - hier werden Verhaltensmuster, es sich auch im Studium einfach zu machen, bereits eingeübt.

    Gesellschaft und Arbeitgeber müssen sich aber auf die Zeugnisse verlassen können, die die Unis vergeben. Das heißt wiederum, dass bei einem erheblichen Teil der Leistungen sichergestellt werden muss, dass der/die Absolvent*in sie auch selbst erbracht hat. Bei Haus- und Abschlussarbeiten ist das schon meistens nicht feststellbar, es bleiben die schriftlichen und mündlichen Prüfungen. Wenn man jetzt die schriftlichen Prüfungen mehrheitlich als Take Home Exams oder vom heimischen PC aus zu beantwortende Open Book-Klausuren gestaltet, fällt noch mehr weg. Reicht dann das, was übrig bleibt?

  • #9

    David J. Green (Mittwoch, 10 Februar 2021 00:33)

    Ich bin seit Jahren emsiger Leser dieses Blogs, fühle mich aber bei diesem Artikel etwas unwohl. Ein wichtiger Zutat für das Gelingen einer Volluniversität ist ein gewisser Respekt für die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Fächerkulturen: Daher Danke an Marco Winzker und Raphael Wimmer, die erkennen, dass nicht alles hier sich 1:1 auf der Mathematik übertragen lässt.

    Corona fordert jede*n von uns irgendwie. Bei mir ist das Erkenntnis nur ein paar Wochen alt, dass
    - anders als im Sommer 2020 wir – verständlicherweise, übrigens – unter Druck stehen, auf Präsenzklausuren zu verzichten;
    - aber ein Hinaufschieben von Prüfungen verpont ist.
    Mangels Alternativen muss es daher eine Online-Prüfung sein. Dass einige Fächer dort weiter sind – Vorreiter bei uns ist WiWi –, ist mir bewusst: aber mir ist es ganz neu, und daher habe ich Verständnis für jede*n, die/der zunächst ansetzt, das bisher bekannte Prüfungsformat online zu reproduzieren und daher an Videoüberwachung denkt. Dagegen vermag ich nicht zu erkennen, warum dieser recht menschlicher Reflex als Argument „für ein Hinterfragen akademische Prüfungsformate“ zu werten sein soll.

    Mit meiner Personalausstattung halte ich allerdings Videoüberwachung in der nötigen Größenordnung für unrealistisch, ferner wäre es mir wegen Datenschutz widerlich. Und bei meinem einzigen Quartal im Lehrkörper einer US-amerikanischen Universität gab es zwar „narrative evaluations“, aber kein Ehrenkodex bei Prüfungen. So gelange ich per Ausschlussverfahren zu Open Book ohne Überwachung. Damit ist aber lediglich der Beweis geführt, dass es anders nicht geht: nicht aber, dass es tatsächlich möglich ist, Lineare Algebra im ersten Lehramtssemester mit einem hinreichenden Qualitätsniveau per Open Book und ohne Überwachung zu prüfen.

    Ohne heute den Fass aufmachen zu wollen, ob Kompetenzmodelle wirklich zu allen Fächern passen, möchte ich schon anmerken, dass es im Fach Mathematik einerseits besonders schwer ist, „die Methoden [des] Faches“ von den fachlichen Inhalten zu trennen: andererseits kommt aber ein Mathe-Studium oft ohne ausdrückliche Unterweisung in den „Praktiken des korrekten wissenschaftlichen Arbeitens“ aus – anders übrigens als eine bestimmte private Hochschule, die bereits im ersten Semester des berufsbegleitenden Gesundheitsmanagements-Bachelors beruflich qualifizierten Studierenden im Rahmen der Wissenschaftstheorie Popper zumutet, ohne aber die zur richtigen Einordnung erforderlichen Kapitel der Wissenschaftsgeschichte voranzustellen. Und auch wenn unsere Absolvent*innen nicht wirklich in der Lage sind, „die Stellung ihres Fachs innerhalb der Wissenschaft und zwischen Wissenschaft und Gesellschaft [zu] reflektieren“ – wenn ich selber übrigens inzwischen da sein sollte, dann erst seit ein paar Jahren –, trotzdem lautet die Hauptbeschwerde der Informatik und der Wirtschaftswissenschaften an uns, dass wir nicht mehr Absolvent*innen produzieren.

    Ja, in meinen Klausuren habe ich bisher auswendig gelernte Begriffe, Sätze und Formeln abgefragt. Wer sich aber mit meinen Altklausuren beschäftigt – seit Vorlesungsbeginn den Teilnehmenden verfügbar –, erkennt: es sind immer wieder die gleichen wenigen üblichen Verdächtigten, und sie verstehen sich eher als Hinweise zur Lösung der eigentlichen Aufgaben. Bei Open Book allerdings nutzlos, gerade wegen des überschaubaren Umfangs: soll das aber heißen, dass ich bisher „Formeln und Merksätzen“ habe „daherplappern“ lassen?

    Für große Teile der reinen Mathematik gilt: wer es versteht, hat es schon gelernt; wer es aber ohne Verständnis auswendig zu lernen versucht, hat keine Chance in der Prüfung. Insofern also, als das es wirklich „wissenschaftliches Denken […] unter Beweis zu stellen“ bedeutet und nichts mehr, dann kann ich vielleicht doch die Kompetenzorientierung für mich bejahen. Und trotzdem wird es nicht leicht sein, per Open Book und ohne Überwachung eine Klausur in angemessene Qualität bereitzustellen, denn das Internet kennt so viele Musterlösungen zu diesem Stoff, Computeralgebrasysteme wissen noch mehr, und in der Mathematik ist es durchaus möglich, dass auch ohne Täuschung mehrere Leute fast die gleiche Lösung erarbeiten. Während ich mich in den nächsten drei Wochen dieser Aufgabe widmen, möchte ich mich eher als jemand verstehen, der seinen Teil zum Überwinden der Pandemie beiträgt – und nicht als jemand, dessen Arbeitsweisen „seltsam aus der Zeit gefallen“ sind.

  • #10

    Alexander Gerber (Mittwoch, 10 Februar 2021 12:07)

    Definitiv ein Thema, das tausenden von Lehrenden große Sorge bereitet und gleichermaßen Druck bei den Student:innen erzeugt. Danke also für den Beitrag.
    Was dort und auch in den Kommentaren nur am Rande angeschnitten wird (z.B. von D. Hoenemann), ist dass die jeweilige Betreuungsrelation vor Ort die aus meiner Sicht maßgebliche Variable bei der Frage ist, ob die aktuellen prüfungsrechtlichen und -praktischen Herausforderungen eher als Chance oder als Problem erfahren werden. Hochschulpolitisch sehe ich hier die HAW grundsätzlich weitaus mehr auf der Seite der "Chancen" und umgekehrt die großen klassischen Unis. Wie in den Kommentaren schon angemerkt, gibt es zudem riesige Unterschiede zwischen den Disziplinen. So stehen Mathe oder Physik auch an den HAW vor massiven Prüfungsproblemen, während kleinere Kursgrößen an den Unis etwa in sehr spezialisierten sozialwissenschaftlichen Mastern ähnliche Freiräume / Chancen ermöglichen wie in den meisten HAW-Fächern. Es wäre journalistisch ungemein spannend, die unterschiedlichen Ausprägungen entlang dieses Spektrums mal durch Erfahrungsberichte von Prüfungsausschüssen zu eruieren. Anonymisiert und für eine ganze Fakultät sprechend sollte das doch datenschutzrechtlich gehen?