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Digitale Kompetenzzentren: Was Bund und Länder vorhaben

Sie standen schon im Koalitionsvertrag, beim Corona-Bildungsgipfel im Kanzleramt wurden sie dann fest versprochen: Kompetenzzentren für die Lehrerbildung und die digitale Schulentwicklung. Jetzt liegt ein interner Bund-Länder-Entwurf zu den Details vor.

Grafik: Gerd Altmann / Pixabay.

EIN HALBES JAHR IST VERGANGEN, seit der GroKo-Koalitionsausschuss nicht nur die Finanzierung von Lehrer-Laptops beschlossen hat, sondern auch die Einrichtung digitaler Kompetenzzentren. 

 

Das Bund-Länder-Programm für die Lehrer-Laptops ist nach ruckelnden Verhandlungen seit kurzem am Start, doch bei den Kompetenzzentren, die schon im Koalitionsvertrag standen und dann zwei Jahre in der Versenkung verschwanden, rätselt die Bildungsszene bis heute: Wie genau sollen die eigentlich aussehen? 

 

Erneut auf die Agenda gebracht hatte die Idee ein informeller Bildungsgipfel von Kanzlerin Merkel und SPD-Chefin Esken mit einer Abordnung von Kultusministern im Bundeskanzleramt Mitte August. Damals hieß es zu ihrer Erklärung lediglich: Die "Kompetenzzentren für digitales und digital unterstütztes Unterrichten" sollten Wissenschaftler, Didaktikexperten und Schulpraktiker besser vernetzen, bei der digitalen Lehrerbildung unterstützen und die Schulen bei Medienplanung, Unterrichts- und Personalentwicklung  beraten. Informell wurden die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung als mögliche Vorbilder genannt.

 

Das war's dann aber auch schon. Einzelheiten, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) Ende August, sollten bald zwischen Bund und Ländern besprochen werden. Doch seitdem: Schweigen.

 

Das Konzept der Staatssekretäre

 

Hinter den Kulissen immerhin ging es tatsächlich weiter. Als Merkel und Esken sich am 21. September erneut und diesmal mit (fast) allen Kultusministern der Länder im Kanzleramt trafen, beschloss das ungewöhnliche Gremium die Einsetzung einer Staatssekretärs-Arbeitsgruppe. Und die hat in den Monaten seitdem an dem Eckpunktepapier zu einem Bund-Länder-Programm für "Lehrerbildung und Schulentwicklung digital" gearbeitet. 

 

Morgen nimmt der vorläufige Entwurf der Eckpunkte eine weitere wichtige Hürde: Er geht in die sogenannte Amtchefkommission der Kultusministerkonferenz. Was aber steht drin?



Zunächst mal dies: Ziel der Initiative sei, dass "aktive und zukünftige Lehrkräfte forschungsbasiert und wissenschaftlich fundiert ihre didaktischen Kompetenzen auch in Bezug auf digitales und digital gestütztes Unterrichten stärken". Dazu gelte es, "unter besonderer Berücksichtigung der Fort- und Weiterbildung die Arbeiten von lehrerbildenden Hochschulen, von einschlägig tätigen Forschungsinstituten und von Lehrerfortbildungseinrichtungen (Landesinstitute) miteinander zu verzahnen und Möglichkeiten des Austauschs zu schaffen." Ein neues, vernetztes Miteinander von Theorie und Praxis also, von Forschung und Anwendung.

 

Der Nebel lichtet sich langsam

 

Klingt so richtig wie allgemein. Etwas konkreter bedeutet das dem siebenseitigen Entwurf der Eckpunkte zufolge:

 

– dass es grundsätzlich in jedem Bundesland ein phasenübergreifendes Landeskompetenzzentrum geben soll, die Kompetenzzentren sollen "regional und in der Fläche präsent" sein.

 

– dass diese Kompetenzzentren nicht neu entstehen, sondern dass die Landesinstitute für Lehrerbildung oder dort, wo es keine solchen gibt, andere Landeseinrichtungen, Landesmedienzentren zum Beispiel, zu den Zentren ausgebaut werden sollen.

 

– dass die Kompetenzzentren zu Schnittstellen inmitten von Kooperationsnetzwerken entwickelt werden, zu dessen Partnern neben den Landesinstituten und Medienzentren die lehrerbildenden Hochschulen, aber auch "außerschulische Lernorte (zum Beispiel Schülerforschungszentren) sowie weitere beteiligte Institutionen" gehören sollen. Solche Kooperationsnetzwerke bestehen längst, sollen aber von den Ländern weiter bei ihrem Ausbau unterstützt werden.

 

– dass die Kompetenzzentren als diese Schnittstellen insofern noch stärker als bislang den Austausch von Bildungsforschung und Bildungspraxis und für den Transfer in beide Richtungen koordinieren sollen.

 

– mit dem Ziel, dass die Kompetenzzentren Anlaufstelle für Schulen bei allen Aspekten der digitalen Schul- und Unterrichtsentwicklung werden. Sie sollen die Lehrerbildung in all ihren Phasen weiterentwickeln und die Evaluation digitaler Unterrichtsformate verbessern, sie sollen Schulträger und Schulen beim Auf- und Ausbau digitaler Bildungsangebote und Kompetenzen beraten und unterstützen. Sie sollen die Infrastruktur und Technik zur Durchführung von Online- und Präsenzfortbildungen bereitstellen, sie sollen bei technischen und Content-Fragen unterstützen und vieles mehr.

 

Der Bund finanziert die Forschung

 

Eine anspruchsvolle, sehr umfangreiche Aufgabenbeschreibung. Womit zugleich klar ist: Die Idee der Deutschen Gesundheitszentren (DZG), die in sich Netzwerke mehrerer Einrichtungen sind, trug am Ende wohl doch nicht. Die Kompetenzzentren sind Einzeleinrichtungen, die Netzwerke bilden sich unabhängig um sie herum. Und für den Auf- und Ausbau der Kompetenzzentren sind – ebenfalls anders als bei den DZG – allein die Länder verantwortlich.

 

Denn für die Kompetenzzentren an sich zahlt der Bund noch kein Geld, sie sind lediglich die Voraussetzung für Bundesgelder. Die gibt es dann in einem wettbewerblichen Verfahren, an dem sich lehrerbildende Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen beteiligen können.

 

Wie? Indem sie "inhaltlich geclusterte Forschungsverbünde" bilden, die genau an der Stelle Forschungsprojekte aufsetzen, die die Arbeit der Kompetenzzentren voranbringt. Die in einem wissenschaftsgeleiteten Auswahlprozess bestimmten Forschungsprojekte wiederum sollen über "Metavorhaben" miteinander verbunden werden, die der Bund ebenfalls fördern will, die aber in dem Entwurf noch sehr abstrakt bleiben. Und: "Die Ergebnisse der anwendungsorientierten Forschung werden so aufbereitet, dass sie in allen Ländern über die Kompetenzzentren nutzbar sind." 

 

Was erforscht werden soll

 

Insbesondere, so haben die Staatssekretäre in den Entwurf geschrieben, sollen sich die Forschungsverbünde zu folgenden Themen mit Projektideen bewerben:

 

– mit der "Entwicklung und Bereitstellung digitaler Weiterbildungsangebote für die gesamte Breite des allgemeinbindenden und berufsbildenden Unterrichtsangebots", wobei dann an inhaltlichen Clustern MINT, Sprachen, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften explizit genannt werden,

 

– mit der "Entwicklung von digitalen Schulentwicklungsplänen und Fortbildungsangeboten für Lehrkräfte, Schulleitungen und das pädagogische Personal", die dann an den Landesinstituten bzw. den Zentren für digitale Weiterbildung stattfinden.

 

– mit der "Entwicklung von wissenschaftlich fundierten Professionalisierungsangeboten", die die Lehrkräfte "direkt abrufbar" nutzen können.

 

Außerdem soll der Bund eine bundesweite "Koordinierungs- und Transferstelle" fördern, die die Initiative insgesamt, inklusive wissenschaftlichem Diskurs und den Austausch in und mit der Praxis koordinieren soll. Die Transferstelle ist also gedacht als Schnittstelle zwischen Forschungsclustern, den 16 Kompetenzzentren der Länder und der Schulpraxis. 

 

Die Schulen in allen Ländern sollen sich in Netzwerken zusammenschließen mit jeweils einer koordinierenden Pilotschule, wobei unklar bleibt, wie viele Schulen diese Netzwerke am Anfang in jedem Bundesland umfassen sollen und ob sie schrittweise erweitert werden.

 

Möglichst schon 2021 soll es eine Tagung geben, die möglichst viele der Akteure einbezieht und zugleich eine Bestandsaufnahme des Wissensstands in Theorie und Praxis macht – gerade auch auf der Grundlage des Ende 2023 auslaufenden Bund-Länder-Programms "Qualitätsoffensive Lehrerbildung", auf das sich die Staatssekretäre mehrfach in ihrem Papier beziehen und das sie offenbar als logischen Vorläufer der neuen Initiative sehen. Erst vergangenes Jahr war die Qualitätsoffensive um eine neue Förderrichtlinie unter anderem zur "Digitalisierung in der Lehrerbildung" ergänzt worden.

 

Wann geht es los? 

 

Das Papier befindet sich vor allem noch deshalb im Entwurfsstadium, weil die Finanzfrage noch nicht geklärt ist, wie es heißt. In dem vorliegenden Konzept der Staatssekretäre steht jedenfalls, dass die Bund-Länder-Vereinbarung noch dieses Jahr abgeschlossen werden und erstes Geld ab 2022 fließen soll, dann über eine Laufzeit von insgesamt fünf Jahren.

 

Pro Jahr ist von 100 Millionen Euro die Rede, je zur Hälfte finanziert von Bund und Ländern – wobei die Länder die Passage gestrichen sehen wollen, wonach sie ihre insgesamt 250 Millionen zusätzlich zur Verfügung stellen müssen und dies dann auch transparent gemacht werden müsste. Womöglich blieben also lediglich 250 Millionen echtes Geld für die Forschungscluster, die Metavorhaben, die Transferstelle und die Projektabwicklung – während die Länder für die Finanzierung der Kompetenzzentren und den Transfer in die Praxis zuständig wären, ihren Aufwand aber mit ihren heutigen Kosten verrechnen könnten. Oder die Beträge ändern sich insgesamt nochmal?

 

Mindestens zum großen Teil soll der Bundesanteil mit EU-Mitteln aus dem Konjunkturprogramm "Next Generation EU" bezahlt werden. Im Deut­schen Auf­bau- und Re­si­li­enz­plan (DARP), der die damit finanzierten Maßnahmen in der Bundesrepublik ausführt, stehen 205 Millionen Euro für die Kompetenzzentren. Begründet wird dies skurrilerweise mit der Erwartung eines "höheren Lohnwachstums". 

 

Zum Vergleich: Für die Qualitätsoffensive Lehrerbildung hat der Bund über zehn Jahre insgesamt bis zu 500 Millionen Euro bereitgestellt, rechnerisch also ebenfalls 50 Millionen pro Jahr.

 

Gut ist, dass die Evaluierung der Initiative von Anfang an mitgedacht wird. Und auch wenn der noch interne Entwurf hier und da allgemein formuliert und dadurch interpretationsbedürftig ist, auch wenn er noch Etliches im Unklaren lässt: Eine Richtung, in die die Planungen gehen, ist zu erkennen. Und sie stimmt hoffnungsfroh.


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Kommentare: 3
  • #1

    David J. Green (Mittwoch, 17 Februar 2021 19:14)

    Interessant. Gibt es bereits eine Stellungnahme vom Haushaltsausschuss des Bundestages? Ich frage mich nämlich, was dieser Ausschuss von den Finanzierungsvorstellungen der Länder hält.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Mittwoch, 17 Februar 2021 19:52)

    @David J. Green: Die Verhandlungen laufen ja noch. Das ist das übliche Hin und Her. Mal gucken, wie die Finanzierung am Ende tatsächlich ausgestaltet ist und wie transparent sie gemacht wird. Und dann wird sich sicherlich auch der Bundestag dafür interessieren. Viele Grüße!

  • #3

    Kritikaster (Freitag, 19 Februar 2021 11:56)

    Der Verfahrensablauf mit "geclusterten Forschungsverbünden" als Vorraussetzung einer möglichen Förderung, die dann im wettbewerblichen Verfahren tatsächlich verteilt wird erinnert stark an die Ausgestaltung der letzten Runde der Exzellenzinitiative an den Hochschulen. Zu kritisieren gab es an dieser bekanntlich vieles - wollen wir mal hoffen, dass man aus der Evaluation die entsprechenden Lehren zog und die offensichtlichsten Probleme bei diesem neuen Großprojekt vermeidet. Allein, mir fehlt der Glaube...