"Rektor des Jahres", "Hochschulmanager des Jahres": Titel und Erfolge hat Michael Hoch, der Rektor der Universität Bonn, zuhauf. Aber er hört lieber zu, als aufzutrumpfen. Ein Porträt.
Er reißt freundlich lächelnd Mauern ein: Michael Hoch, Rektor der Universität Bonn.
Foto: Kay Herschelmann.
DA IST DIE GESCHICHTE mit der Toilette. Michael Hoch erzählt sie mit feinem Grinsen, während er im prunkvollen Amtszimmer des Bonner Universitätsrektors sitzt, über sich die vier Meter hohe Zimmerdecke, um sich herum die Gemälde von Königen und Fürsten. Als die britische Königin Elisabeth II. 1965 zum ersten Staatsbesuch in die Stadt kam und auch die Bonner Universität besuchte, forderte das Protokoll, dass ihr ein eigenes Örtchen zur Verfügung stehen müsse. Also wurde es nebenan extra eingebaut. Als Universität der damaligen Bundeshauptstadt wollte man sich nicht lumpen lassen! Dafür stolzierte Hochs Vorgänger auch wie selbstverständlich mit Bundespräsident, Queen und Oberbürgermeister aus dem Alten Rathaus heraus – in vollem Ornat und mit Amtskette.
Jetzt gibt es an der 1818 gegründeten Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn keinen königlichen Besuch mehr, der Bundespräsident empfängt die Staatsgäste meist in Berlin, und auf Elisabeths Toilette dürfen manchmal Michael Hochs Gäste. Wenn er denn mal hier ist. Denn sein eigentliches Büro hat er sich wegen der jahrelangen Sanierung des Hauptgebäudes längst woanders eingerichtet, ein Rektorat mit viel Licht und Möbeln in skandinavischem Stil.
Alle, die Michael Hoch kennen, sagen, das passe ohnehin viel besser zu ihm. Auf Protzerei lege der 143. Rektor der Universität Bonn keinen Wert. Dafür habe er die Hochschule zu der Größe geführt, die sie zuvor wie selbstverständlich beansprucht, aber allzu oft im akademischen Wettbewerb nicht eingelöst hatte.
Sechs erfolgreiche
Exzellenz-Cluster
Hoch, 59, ist Professor für Entwicklungsbiologie, und gerade erneut von den Mitgliedern des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) zum "Rektor des Jahres" gewählt worden. Wie schon 2020. 2019 hatte ihn bereits das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zum "Hochschulmanager des Jahres" gekürt. Das war kurz nachdem die Universität Bonn zum ersten Mal den Status einer Exzellenzuniversität errungen hatte. Noch dazu nach einem Durchmarsch durch den Exzellenzwettbewerb, den so keine deutsche Hochschule zuvor geschafft hatte: mit sechs erfolgreichen Clustern.
Wer glaubt, sowas gelinge nur Chefs mit Macher-Gestus wie Dieter Lenzen aus Hamburg oder scheinbar ewigen Patriarchen wie Wolfgang Herrmann, der die TU München ein Vierteljahrhundert wie ein Unternehmen leitete – den lässt die Begegnung mit Michael Hoch verblüfft zurück. Offenes Gesicht, kurzgeschnitten-schüttere Haare, leise Stimme, sparsame Mimik. Typ netter, aber zurückhaltender Nachbar von nebenan. Einer, den man schnell mal übersieht. Wenn er zu einer Veranstaltung kommt und man ihn lässt, setzt er sich erstmal in die letzte Reihe und hört still zu. Manchmal bleibt es dann auch beim Zuhören.
Und genau das, sagen viele in Bonn, habe seinen Durchmarsch überhaupt erst möglich gemacht. Denn Selbsttäuschungen und große Auftritte habe es vorher genug gegeben. Allein dreimal war die Universität, die so große Stücke auf sich selbst hält, beim Versuch gescheitert, den Exzellenztitel zu erobern – während dies sogar dem Dauerrivalen in Köln gelang. An der Qualität der Bonner Forscherinnen und Forscher lag das nicht. Einige ihrer Disziplinen wie die Mathematik spielten schon lange vor Hoch an der nationalen und internationalen Spitze mit.
An einer Universität der Einzelgänger
hat er Gemeinschaftsgeist entfacht
Doch gelang erst dem 2015 ins Amt gekommenen Rektor Hoch, an einer Universität der Einzelgänger so etwas wie Gemeinschaftsgeist zu entfachen. "Ich bin jemand, der gern mit Menschen zusammen ist", sagt Hoch über sich selbst. "Ich habe eine Empathie für andere in mir, und das hilft mir, mit allen zu kommunizieren. Vom Hausmeister über den Fahrer bis zu den Professorenkollegen, Institutsleitern und Dekanen." Bei anderen würde sich das nach Selbstlob anhören. Bei einem wie Hoch, wie er das so ruhig dahersagt und noch dazu mit einem "gell" versieht, klingt es nach einer nüchternen Situationsbeschreibung.
Michael Hoch, geboren 1961 in Singen, ist seit 2015 Rektor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er hat in Heidelberg und Bonn Biologie studiert, nach Promotion in München und Habilitation in Braunschweig ging er als Postdoc und Gruppenleiter ans Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.1999 wurde er zum Professor für molekulare Entwicklungsbiologie in Bonn berufen, zwischen 2006 bis 2015 war er Gründungsdirektor des zur Universität gehörenden LIMES-Instituts. Als Sprecher eines langjährigen Sonderforschungsbereiches und Gründungsmitglied eines Exzellenzclusters avancierte Hoch zum Hoffnungsträger, um als Rektor die Universität Bonn endlich zum Exzellenztitel zu führen. Was ihm 2019 mit der Rekordzahl sechs eingeworbener Cluster gelang.
Foto: Kay Herschelmann.
Hoch genieße "einen sehr großen Rückhalt in allen Gruppen der Universität", lobte der Bonner Universitäts-Senatsvorsitzende Rainer Hüttemann Ende Oktober 2020. "Der Rektor ist ein Teamplayer, der es versteht, die Hochschulangehörigen für ambitionierte Ziele zu begeistern und diese gemeinsam mit ihnen zu erreichen."
"Eine neue Epoche
auf sehr leisen Füßen"
Da hatten Senat und Hochschulrat ihn gerade ohne Gegenkandidaten in eine zweite Amtszeit gewählt – nachdem sie ihn vorher explizit um eine erneute Kandidatur gebeten hatten. Was wiederum nicht von ungefähr kam: Sogar die Exzellenzstrategie-Gutachter hatten, so ist zu hören, während ihrer Begehung der Universität Bonn empfohlen, den Mann an der Spitze auf keinen Fall gehen zu lassen. Mit Michael Hoch sei "eine neue Epoche auf sehr leisen Füßen nach Bonn gekommen", sagt Thomas Grünewald, früher Wissenschaftsstaatssekretär in Nordrhein-Westfalen und jetzt Präsident der Hochschule Niederrhein in Krefeld.
Wobei: So neu auch nicht. Hoch ist seit 1999 in Bonn, er war Gründungsdirektor des zur Universität gehörenden interdisziplinären Forschungszentrums LIMES (Life and Medical Sciences), langjähriger Sprecher eines dort ansässigen DFG-Sonderforschungsbereiches und 2012 Gründungsmitglied eines von damals nur zwei geförderten Exzellenzverbünden, "Immuno Sensation" – dessen Bewerbung 2018 erneut erfolgreich war. Hoch hatte also das in Bonn so wichtige wissenschaftliche Standing und die Vernetzung – und er hatte schon vor seiner Wahl zum Rektor bewiesen, dass er unterschiedliche Wissenschaftlerpersönlichkeiten zusammenhalten kann.
Ja, mehr als das: Er, der so unprätentiös daherkommt, kann die reichlich vorhandenen übergroßen Egos womöglich deshalb so gut führen, weil sie gar nicht merken, geführt zu werden.
Denn einen Fehler sollte man nicht machen, sagt zum Beispiel Hochs Amtskollegin Anja Steinbeck von der Universität Düsseldorf: das, wie sie sagt "angenehme Fehlen männlicher Platzhirsch-Attitüden" mit fehlender Durchsetzungsstärke zu verwechseln. "Er reißt freundlich lächelnd Mauern des Widerstandes ein", sagt Anja Steinbeck. "Und wenn sie eingerissen sind, hält er die Position." Das sei auch bei der Landesrektorenkonferenz so: Hoch gehöre nicht zu den Kollegen, die sich bei jeder Gelegenheit zu Wort melden. "Doch wenn er etwas sagt, ist er außergewöhnlich präzise und klar."
Der nette Herr Hoch
kann auch anders
Und ist dabei mitunter sogar weniger kompromissbereit als andere: Hoch gilt als einer der härtesten Gegner eines Promotionsrechts der Fachhochschulen, das in NRW über das Promotionskolleg für angewandte Forschung kommen soll. Auch eine Förderorganisation für Transfer und Innovation sieht er "zu diesem Zeitpunkt", wie er sagt, skeptisch. Wenn Hochschulrektorenkonferenz, DFG, Wissenschaftsrat und viele Landeswissenschaftsminister/-innen mit guten Gründen gleichzeitig forderten, die Zahl der Exzellenzcluster zu erhöhen und 150 Millionen zusätzlich in die Exzellenzstrategie zu packen, dann sei klar, dass man nicht alles haben könne. Prioritär sei, dass die "sehr erfolgreiche" Exzellenzstrategie jetzt "auskömmlich" finanziert werde. "Am Ende", sagt Hoch, "stehen wir in einem Verteilungswettbewerb, und da müssen wir Universitäten unsere Argumente und Interessen offen benennen."
Das sind die Augenblicke, in denen der nette Herr Hoch zeigt, dass er auch anders kann. Und dass er ziemlich genau kalkuliert, was er wann wo und wie sagt. Genau wie er als Rektor, der so menscheln kann, die meiste Zeit über erstaunlich wenig von sich persönlich hergibt.
Wenige wissen zum Beispiel, dass einer seiner zwei Söhne bis vor kurzem an der Universität Bonn Biologie und später Life Science Informatics studiert hat. Oder dass Hoch mit seiner Frau schon seit der Schulzeit zusammen ist, dass er erst ihr zum Studium hinterhergezogen ist und dann später sie ihm für seinen Beruf. Dass er vor der Pandemie jeden Sonntag mit ihr tanzen gegangen ist, als Tenor Mitglied in einem Gesangsquartett ist, in Jazzbands gespielt hat – und ein Dirigenten-Diplom hat. "Es gibt ja in jedem kleinen Ort eine Musikkapelle, eine davon habe ich geleitet", sagt Hoch und muss über sich selbst grinsen, breiter als sonst. Für einen Augenblick hat er sich davontragen lassen. Doch schnell wechselt er wieder zum Dienstlichen, redet über seine Zeit am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen oder seinen ersten Ruf nach Bonn, direkt vom Nachwuchsgruppenleiter zum C4-Professor.
Sein wichtiges Ziel kann Hoch
sich nicht selbst aussuchen
Für seine neue Amtszeit, die im Mai 2021 begonnen hat, hat sich Hoch viel vorgenommen. Er will die Universität chancengerechter und diverser machen, den lange erschreckend niedrigen Anteil der Professorinnen bis 2026 auf 30 Prozent erhöhen. Sein Rektorat hat er schon paritätisch besetzt. Er will auch mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland holen, die 6.000 internationalen Studierenden besser betreut sehen und, das möglichst schnell, die Universität nach der Pandemie wieder für den Präsenzbetrieb öffnen. "Es gibt Studierende im dritten Semester, die ihre Universität noch nie von innen kennengelernt haben. Wir dürfen die sozialen und psychischen Folgen der langen Schließung nicht unterschätzen." Doch auch die Digitalisierung will Hoch weiter forcieren, denn "aus der Not heraus haben wir Formate entwickelt, mit denen wir viel mehr Menschen mit unseren Bildungsangeboten erreicht haben als je zuvor; darin steckt eine große Chance für die Zukunft."
Das wichtigste Ziel aber muss Hoch sich nicht stecken. Das setzt sich von selbst. So groß der Exzellenz-Erfolg seiner ersten Amtszeit war, in seiner zweiten wird er daran gemessen werden. Schon Ende 2022 werden die Ausschreibungen für die nächste Cluster-Runde erwartet. Und dann muss Hoch auch zeigen, wie er die Geisteswissenschaften mitnimmt. Die Disziplinen, die traditionell in Bonn den Ton angaben, die zurzeit aber nur einen der sechs Exzellenz-Cluster stellen. Hätte es auch mit "Beyond Slavery" nicht geklappt, sähe es heute in Bonn vermutlich weniger einträchtig aus. Zurzeit ist der Konflikt ein Stück weit zugedeckt. Verschwunden, warnen manche, ist er nicht.
Zurück zu "the Queen’s private bathroom". Elisabeth hat die Toilette Berichten zufolge nie benutzt. Dafür soll sie den Rektoren gute Dienste geleistet haben während der einen oder anderen studentischen Rektoratsbelagerung.
Kommentar schreiben