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Fraunhofer-Chef Neugebauer für zwei weitere Jahre wiedergewählt

Die Amtszeit des Ingenieurwissenschaftlers wird offenbar per Umlaufbeschluss verlängert – ein Novum. Derweil rumort es in der Fraunhofer-Gesellschaft weiter.

Reimund Neugebauer. Foto: Fraunhofer.

DER SENAT der Fraunhofer-Gesellschaft hat Reimund Neugebauer Amtszeit als Präsident um zwei weitere Jahre bis September 2024 verlängert. Der 68 Jahre alte Maschinenbau-Ingenieurwissenschaftler leitet die Forschungsorganisation seit 2012. Der Senat sei damit dem Vorschlag seines Wahlausschusses gefolgt, teilte Fraunhofer mit.

 

Bemerkenswert an der Wiederwahl ist, dass sie offenbar im schriftlichen Umlaufverfahren stattfand. Dies habe es "nach Kenntnis der Bundesregierung"  


bislang noch bei keiner Wahl oder Wiederberufung eines Fraunhofer-Präsidenten gegeben, hatte das Bundesforschungsministerium erst diese Woche auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Thomas Sattelberger hin bestätigt. 

 

Und vor zehn Tagen hatte die Pressestelle der Fraunhofer-Gesellschaft auf meine Anfrage mitgeteilt, "die nächste turnusgemäße Sitzung des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft zur Befindung auch über personelle Angelegenheiten des Vorstandes" finde erst im Oktober statt.

 

Dass Neugebauers erneute Wiederwahl auch ohne turnusmäßige Sitzung unmittelbar bevorstand, wie längst aus Senatskreisen zu hören war, wollte man zu diesem Zeitpunkt offiziell nicht bestätigen. "Wir bitte um Verständnis, dass wir uns zu personellen Angelegenheiten im Vorfeld nicht äußern können, und werden uns an Spekulationen nicht beteiligen", sagte Fraunhofer-Sprecher Janis Eitner.

 

"Klares Bekenntnis
zugunsten der Stabilität"

 

Für seine zweite Amtszeit, die von Oktober 2017 bis September 2022 dauert, war Neugebauer im Juni 2016 in einer normalen Senatssitzung gewählt worden. Auch diesmal wäre ausreichend Zeit gewesen, bis zum Oktober zu warten. Warum dies nicht geschehen ist, beantwortete die Fraunhofer-Pressestelle heute auf Anfrage wie folgt: Die Entscheidung über die Verfahren zur Beschlussfassung oblägen dem Senat, "welcher als Organ der Fraunhofer-Gesellschaft gemäß seiner Satzung eigenständig handelt. Die Beratungen des Senats zu Personalfragen unterliegen der Vertraulichkeit." Womit die Frage im Kern unbeantwortet bleibt.

 

Auffallend neben dem Umlaufbeschluss ist zudem, dass Neugebauers Amtszeit nur um zwei Jahre verlängert wurde, anstatt bereits jetzt einen neuen Präsidenten für eine volle Amtszeit zu bestimmen. 

 

Heinz Jörg Fuhrmann, der Vorsitzender des Fraunhofer-Senats, begründet diese Entscheidung mit der "weitere(n) Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie" und mit den "längerfristige(n) Aufgaben mit dem Ziel der Unterstützung der deutschen sowie der europäischen Wirtschaft im globalen Wettbewerb", die "Wissenschaft und Forschung  –und damit auch die Fraunhofer-Gesellschaft – vor erhebliche Anforderungen" stellten. "Vor diesem Hintergrund ist die Verlängerung des präsidialen Mandats von Prof. Neugebauer ein klares Bekenntnis zugunsten der aktuell bewiesenen Stabilität der Organisation wie auch zu deren kontinuierlicher Weiterentwicklung als führende Institution der angewandten Forschung in Europa", sagte Fuhrmann weiter.

 

Mit anderen Worten: Einen Führungswechsel könne man sich in solch einer Krisensituation nicht leisten, befanden die Neugebauer wählenden Senatsmitglieder. Stabilität sei jetzt angesagt.

 

Verzögerte Projekte, Ärger um Ausgründungen
und Unruhe in der Fraunhofer-Führungsetage

 

Das mit der Krise lässt sich durchaus auf die Forschungsorganisation direkt beziehen. Coronabedingt brachen vielen Fraunhofer-Instituten Drittmittel-Forschungsaufträge der Industrie weg, was der Bund allein 2020 mit 195 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket kompensierte. Fraunhofer-Ausgründer berichteten zudem von schweren Problemen mit den geltenden Ausgründungsbedingungen. Ärger gab es auch um Verzögerungen bei der Batterie-Forschungsfabrik in Münster. Ein weiteres internes Großprojekt, die Fraunhofer-weite Einführung der SAP-Software, klemmt ebenfalls und musste bereits auf 2022 verschoben werden, Ausgang offen. Bei alldem gab es intern immer wieder Kritik am Führungsstil Neugebauers, dieser agiere selbstgefällig und wenig integrativ.

 

So rumort es auch im Fraunhofer-Vorstand selbst. Der erst zum Oktober 2019 berufene Vorstand für Technologiemarketing und Geschäftsmodell, Ralf B. Wehrspohn, gab seinen Posten im März 2021 schon nach anderthalb Jahren auf. Sein Vorgänger hatte zuvor ebenfalls nicht einmal drei Jahre amtiert. Wehrspohn verlasse die Fraunhofer-Gesellschaft "auf eigenen Wunsch" und beende seine Tätigkeit "einvernehmlich", hieß es in der begleitenden Pressemitteilung. Seine Nachfolge als Leitung des Vorstandsressorts übernahm: Reimund Neugebauer.

 

Vom Bundesforschungsministerium gab es noch keine Reaktion auf die Wiederwahl. Der FDP-Forschungspolitiker Sattelberger, der die Debatte um die Ausgründungsbedingungen bei Fraunhofer zuletzt durch mehrere Nachfragen befördert hatte, sagte, es sei für ihn "unverständlich, dass ein so riesengroßer Wissenschaftapparat wie Fraunhofer keine gefüllte Nachfolge-Pipeline hat, um den von der Organisation gewünschten  Führungswechsel zu vollziehen". Fraunhofer habe eine Revitalisierung an der Spitze dringend nötig.

 

Nachtrag vom 5. August 2021:

Im internen Newsletter der Fraunhofer-Gesellschaft wird heute zudem berichtet, dass Andreas Meuer, Vorstand Finanzen und Digitalisierung, "aus persönlichen, privaten" Gründen um die Beendigung seines Mandates zum 30. April 2022 gebeten habe. Der Senatsausschuss habe Präsident Neugebauer um die Ausarbeitung von Vorschlägen für eine künftige Vorstandsstruktur gebeten, heißt es weiter. Die Fraunhofer-Pressestelle kommentiere auf Anfrage: "Zu internen Personalangelegenheiten äußern wir uns aktuell nicht."




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