Der Fraunhofer-Präsident reagiert auf Vorwürfe, um "auch unbeabsichtigte Abweichungen von Vorgaben auszuschließen". Die Innenrevision ermittelt, wird bald auch der Bundesrechnungshof tätig?
FRAUNHOFER-PRÄSIDENT REIMUND NEUGEBAUER hat nach den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Reisekosten in vierstelliger Höhe nachgezahlt. Dies bestätigte Fraunhofer-Sprecher Janis Eitner auf Anfrage. Außerdem habe die Fraunhofer-Innenrevision auf Bitten des Vorstandes die Prüfung einer "Reihe von Vorgängen einschließlich der angefallenen Reisekosten" eingeleitet, "um jegliche, auch unbeabsichtigte Abweichungen von Vorgaben in den vergangenen Jahren auszuschließen".
Dabei gehe es auch um die getroffene Hotelauswahl bei Dienstreisen, erläuterte der Fraunhofer-Sprecher etwas kryptisch. "Prof. Neugebauer hat für einige wenige Fälle eine in Rede stehende Differenz zu den Vorgaben, einen niedrigen vierstelligen Euro-Betrag, für einen mehrjährigen Zeitraum ausgeglichen."
Nachdem Neugebauer Anfang August überraschend, vorzeitig und erstmals in der Geschichte Fraunhofers im Umlaufverfahren als Präsident wiedergewählt worden war, hatten sich Whistleblower in immer größerer Zahl an verschiedene Journalisten und Bundestagsabgeordneten gewandt.
Die Vorwürfe, die sie erhoben und über die zuerst die Wirtschaftswoche berichtete, reichten von einem "Klima der Angst" und einem autokratischen Führungsstil bis hin zu Angaben, Neugebauers Frau habe im Rahmen einer von Fraunhofer finanzierten Ausstellung eigene Fotografie-Werke ausstellen können.
Reisen, Geburtstagskolloquien, Dienstfahrer
Auch wurden Fragen laut, ob Neugebauers Frau ihren Mann, wie der FDP-Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger es in einer parlamentarischen Anfrage an die Bundesregierung formulierte, mitunter "ohne eigene Funktion für die Fraunhofer-Gesellschaft auf Fraunhofer-Kosten (und damit auch Steuerzahler-Kosten) auf Reisen und anderen Terminen begleitet hat, und dies ohne inhaltliche Mitwirkung". Darüber hinaus geht es um die Bezahlung von Geburtstagskolloquien zu Ehren des Präsidenten – und immer wieder um Ausstattungsfragen: von Büros, mit Dienstfahrern.
Fraunhofer und Neugebauer wiesen alle Vorwürfe zurück – doch hatten sich in der vergangenen Woche weitere Fragezeichen ergeben. So hatte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Sattelberger Anfrage nicht nur Whistleblower-Berichte bestritten, dass Neugebauer sowohl in Berlin als auch in München und Dresden jeweils eigene Fahrer zur Verfügung stünden, sondern sogar angegeben, dass Neugebauer gar keinen eigenen Fahrer habe.
Obwohl, wie
sich dann herausstellte, die Fraunhofer-Mitarbeiterzeitung den Fahrer Neugebauers vor einigen Monaten mit Bild und Namen ausführlich vorgestellt hatte. Während Sattelberger sich mit
einer falschen Antwort abgespeist fühlte und eine Missachtung als Parlamentarier sah, sprach Fraunhofer dagegen nur von einer in der BMBF-Antwort nicht vorgenommenen "Differenzierung".
Zuletzt hatte das Gutachten eines Rechtsanwalts zum Wirken Neugebauers als Vorsitzender des Hochschulrats der TU Chemnitz (TUC) dessen Agieren im Zusammenhang mit der anstehenden Präsidentenwahl diskutiert. In Auftrag gegeben hatte das Gutachten der TUC-Senat. "Der Hochschulrat habe bisher nicht über die Besorgnis einer möglichen Befangenheit Neugebauers entschieden, heißt es darin, obwohl es "Anhaltspunkte für ein besonderes Näheverhältnis " zu einem Bewerber und "eine nicht sachlich begründete Ablehnung" gegenüber dem Amtsinhaber gebe. Der amtierende TUC-Präsident, der sich wieder beworben hatte, fehlte auf der vom Hochschulrat vorgelegten Kandidatenliste. Auch hier wies Neugebauer ein mögliches Fehlverhalten zurück.
Auch das BMBF muss sich Fragen gefallen lassen
Diese Woche hatten sich die Fraunhofer-Führungskräfte zu einer Klausur getroffen. Dass Neugebauer jetzt freiwillig Reisekosten nachzahlt, nachdem er und Fraunhofer bislang stets jegliche Inkorrektheit bestritten hatten, kommt keineswegs einem Schuldeingeständnis irgendeiner Art gleich. Doch wird der Druck auf Neugebauer, alle Vorwürfe restlos abzuklären, immer größer.
Zunehmend unangenehm wird die Lage auch für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dass auf die kritischen Fragen Sattelbergers hin offenbar nicht selbst recherchiert, sondern seine Antworten nach eigenen Angaben auf Auskünfte von Fraunhofer gestützt hatte. Auskünfte zu Vorwürfen angeblichen Fehlverhaltens bei Fraunhofer wohlgemerkt.
Der FDP-Mann hatte schon am Montag getwittert: "Höre Gerüchte, dass Fraunhofer-Chef Neugebauer die gemeinsamen Weltreisen mit seiner Gattin gerade nachbezahlt."
Ob dem so ist, geht aus der Antwort Fraunhofers explizit nicht hervor. Dafür versicherte Sprecher Eitner: In Übereinstimmung dem Vorstand der Forschungsgesellschaft wolle Neugebauer sicherstellen, "dass sich der gesamte Vorstand einschließlich ihm selbst stets korrekt verhält und es auch in Bezug auf die Vergangenheit keinen Anlass zu Kritik gibt."
Sattelberger Tweet ging allerdings noch weiter. Die mögliche Nachzahlung "wird meine Erwartung an eine unabhängige Prüfung durch den Bundesrechnungshof nur steigern." Auf Nachfrage ergänzte er, dass er bereits Gespräche mit dem Bundesrechnungshof initiiert habe.
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Dorothea Gathermann (Samstag, 09 Oktober 2021 11:27)
An einer Universität kann ein solches Vorgehen bei einem
normalen Mitarbeiter schon einmal als Unterschlagung
gewertet werden und zur fristlosen Entlassung führen.
Edith Riedel (Dienstag, 12 Oktober 2021)
"bei einem normalen Mitarbeiter" ist hier das Stichwort.
A. Schröbel (Dienstag, 19 Oktober 2021 09:43)
@ Edith Riedel:
Warum sollen eigentlich bei dem Chef einer großen Wissenschaftsvereinigung andere Bedingungen als
"bei einem normalen Mitarbeiter" gelten?