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Was sagen die Zahlen?

Die Corona-Pandemie zeigt aktuell eine große Dynamik. Doch welche Trends verbergen sich hinter den Statistiken? Und wie fällt der Vergleich mit dem vergangenen Jahr aus?

DIE ZAHLEN STEIGEN IMMER SCHNELLER. Heute Vormittag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) nach stundenlanger Verzögerung eine bundesweite Corona-Inzidenz von 113 – nach 110 am Vortag. Gegenüber der am vergangenen Dienstag erreichten Inzidenz von 75 betrug der Zuwachs damit 50,5 Prozent im Wochenvergleich. In der am Sonntag zu Ende gegangenen Kalenderwoche 42 hatte sich noch ein Anstieg um 46 Prozent zur Vorwoche ergeben.

 

 

Welche Trends sind zu sehen?

 

Ein Trend sticht heraus, und es ist seit Wochen der immer gleiche: Die Zahl der registrierten Corona-Infektionen bei älteren Menschen klettert deutlich schneller als der Schnitt der Bevölkerung – und auch schneller als bei den größtenteils ungeimpften Schülerinnen und Schülern. Konkret: Während über alle Altersgruppen hinweg in der vergangenen Woche 46 Prozent mehr neue Corona-Fälle gemeldet wurden, waren es bei den 5- bis 14-Jährigen 33 Prozent. Obgleich der kräftigste Anstieg bei Kindern seit langem, waren das weniger als im Bevölkerungsschnitt und viel weniger als die 64 Prozent (!) binnen Wochenfrist bei den 60- bis 79-Jährigen. Die über 80-Jährigen kamen sogar auf ein Plus von 70 Prozent. 

 

In den vergangenen drei Monaten haben sich die Corona-Zahlen bei den Älteren damit verzehnfacht, bei den unter 20-Jährigen dagegen versechsfacht. 

 

Selbst in Thüringen, das für die zwischenzeitliche Aufhebung der Masken- und Testpflicht an den Schulen (wie ich finde: zu Recht) kritisiert wurde, stiegen die Meldefälle bei den 5- bis 14-Jährigen mit 49 Prozent weniger stark als bei den über 60-Jährigen (+58 Prozent) oder auch im Freistaat insgesamt (+59 Prozent).

 

Entsprechend wächst der Anteil der über 60-Jährigen unter allen Krankenhauseinweisungen bundesweit immer weiter: von 31,2 Prozent Mitte August auf  57,1 Prozent in der Woche ab 11. Oktober (das sind die derzeit aktuellsten RKI-Zahlen). Während die 0- bis 14-Jährigen auf 3,9 Prozent kamen – nach 4,9 Prozent zwei Wochen zuvor. 

 

 

Wie ist die regionale Verteilung?

 

Bis auf Bremen und das Saarland ging es heute im Vergleich zu Vorwoche in allen Bundesländern aufwärts, doch die Höhen und die Dynamik unterscheiden sich. Inzidenz-Spitzenreiter sind aktuell Thüringen (235,7), Sachsen (191,7) und Bayern (186,7) – mit deutlichen Abständen zu Platz 4 (Baden-Württemberg, 143,1) und Platz 5 (Berlin, 118,7). 

 

Immerhin zehn Bundesländer liegen zurzeit noch unter einer Inzidenz von 100, am niedrigsten: das Saarland (53,2) und Schleswig-Holstein (58,6), wobei es im Nordstaat einen extrem kräftigen Anstieg um fast 78 Prozent im Wochenvergleich gab. Hohe Wachstumsraten verzeichneten auch Sachsen (+68 Prozent), Bayern (+61 Prozent) und Hamburg (+65 Prozent).

 

Insgesamt lässt sich bei Inzidenzhöhe und Fallwachstum kein eindeutiger Unterschied nach den Regionen mehr feststellen zurzeit – mit Ausnahme der Konzentration in den impfschwachen Bundesländern Thüringen und Sachsen sowie in Bayern, wo ebenfalls teilweise unterdurchschnittliche Impfquoten bestehen.

 

 

Wie dramatisch ist die Lage tatsächlich?

 

Mehr noch als in früheren Wochen kann die Einschätzung der Situation schnell von der weiteren Entwicklung überholt werden. Derzeit aber gilt: Die gesamtgesellschaftlich 46 Prozent mehr gemeldeten Corona-Fälle im Wochenvergleich sind viel, aber sie unterscheiden sich noch deutlich von den 78 Prozent zusätzlichen Neuinfektionen, die vor genau einem Jahr, also in der Woche vom 19. bis 25. Oktober 2020, registriert wurden. 

 

Dasselbe gilt für das drastische Wachstum der Neuinfektionen zwischen 60 und 79 (+64 Prozent im Wochenvergleich) und ab 80 (+70 Prozent). Die entsprechenden Raten im Vorjahr: 84 bzw. 107 Prozent. Allein: Der Anteil der über 60-Jährigen an allen neuen Krankenhausweisungen lag zuletzt mit erwähnten 57,1 Prozent bereits auf dem Niveau vom vergangenen Jahr (56,3 Prozent).

 

Über die absolute Zahl der Einweisungen kann dass RKI noch keine verlässliche Aussage machen, so dass der Vergleich zum Vorjahr hier nicht möglich ist. Vergangenes Jahr kam es in der Kalenderwoche 43 (ab 19. Oktober) zu einem enormen Anstieg auf fast 4200 Hospitalisierungen, nach knapp 2400 in der KW 42. Nach einem so extremen Anstieg sieht es im Moment nicht aus, allerdings kommen die Krankenhaus-Einweisungszahlen dieses Jahr schon von einem länger höheren Niveau aus.

 

Die Zahl der mit Intensivpatienten mit Corona-Infektion stieg vergangenes Jahr ebenfalls zu diesem Zeitpunkt noch deutlich schneller. Am 25. Oktober 2020 zur Vorwoche: um 69 Prozent. Zum Vergleich am 25. Oktober 2021 zur Vorwoche: um 16 Prozent. Die absolute Zahl lag zwar gestern mit 1.686 noch höher als am 25. Oktober 2020 (1.296), allerdings war vergangenes Jahr der Anstieg so rasant, dass schon am 29. Oktober 1.696 erreicht und am 9. November die 3.000 überschritten wurden.  

 

In der Kalenderwoche 44, der Woche ab 26. Oktober 2020, ging die Wachstumskurve bei den Neuinfektionen dann allerdings schon wieder etwas nach unten, am Ende standen +48 Prozent unterm Strich. Wie sich die laufende Woche ab 25. Oktober 2021 entwickelt, ist noch offen. Immerhin: Das Portal Risklayer meldete für gestern "nur" 46 Prozent mehr Neuinfektionen im Vergleich zur Vorwoche, nach 69 Prozent am Tag zuvor.

 

 

Was bedeutet das alles für die nächsten Wochen?

 

Diese Frage kann ich nicht beantworten. Fest steht: Der Anteil der Impfdurchbrüche stieg vor allem unter den symptomatischen Fällen der über 60-Jährigen auf zuletzt 57 Prozent in den Kalenderwochen 38 bis 41. Das ist nicht gut, bedeutet aber, dass bei einer angenommenen Quote doppelt Geimpfter diese immer noch viermal so gut vor einer Ansteckung geschützt sind wie nicht Geimpfte. Im selben Zeitraum entfielen 42 Prozent aller Krankenhauseinweisungen bei den über 60-Jährigen auf Ungeimpfte, bedeutet: Nicht Geimpfte haben ein 7,5mal so hohes Risiko, so schwer zu erkranken, dass sie stationär behandelt werden müssen. Und die 29,9 Prozent Geimpften unter den über 60-Jährigen auf Intensivstationen laufen auf einen um den Faktor 13 besseren Schutz hinaus als für Ungeimpfte. 

 

Die Impfungen wirken also nach wie vor, doch braucht es, vor allem um Ansteckungen Geimpfter zu vermeiden, bald Booster – je älter und je gesundheitlich angeschlagener, desto dringender.

 

Bei allen Vergleichen mit dem Vorjahr muss man sich zudem vor Augen führen: Damals war die Gesellschaft nicht so offen und so in Bewegung wie heute. Trotzdem stiegen die Zahlen im Oktober 2020 derart rasant und immer noch schneller als aktuell. Erneut der beste Beleg für die Wirksamkeit der Impfkampagne. 

 

Also: Die Lage verschlechtert sich, sie ist aber nicht so dramatisch wie im Vorjahr bislang. Mehr lässt sich derzeit nur von Tag zu Tag, von Woche zu Woche sagen. 

 

Für Kinder ist die Gefahr einer Atemwegsinfektion mit dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) derzeit übrigens deutlich ernster: Kindermediziner sprechen bereits von einer "Intensivwelle". Nur dass darüber in Öffentlichkeit und Politik kaum gesprochen wird, auch nicht über das Fehlen eines Impfstoffs – obwohl fast alle Kleinkinder irgendwann mit dem RSV "durchseucht" werden. Aber: Es sind eben keine Erwachsenen und keine älteren Menschen betroffen. 




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