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Ruhe vom Finanzamt

Gute Nachricht aus dem BMBF: Eine von der Wissenschaft gefürchtete Neuregelung des Umsatzsteuerrechts wird erneut verschoben. Damit hat die Politik zwei weitere Jahre, das Problem zu lösen. Bislang war ihr das nicht gelungen.

ES IST EIN AUFSCHUB in letzter Sekunde. "Ich freue mich sehr Ihnen mitteilen zu können, dass die Übergangsfrist bei der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand bis Ende 2024 verlängert werden soll", schrieb Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Mittwoch in einem Brief an die Spitzen der deutschen Hochschulen und Forschungsorganisationen. BMBF und Bundesfinanzministerium seien gemeinsam der Auffassung, dass Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen gerade in diesen Zeiten entlastet werden müssten und ihr Betrieb nicht gefährdet werden dürfe.

 

Damit wird eine vor Jahren beschlossene und ebenso lange umstrittene Neuregelung des Umsatzsteuerrechts weiter nicht umgesetzt. Im Kern sieht sie vor: Handeln öffentliche Einrichtungen wie Unternehmen, müssen sie steuerlich auch wie Unternehmen behandelt werden. Die Sorge der Wissenschaft: Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen – mit teuren Folgen für wissenschaftliche Kooperationen. Gerade in Berlin hatten die Pläne deshalb wiederholt Proteste ausgelöst.

 

Die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) für Sozialforschung, Jutta Allmendinger sah in einem gemeinsamen Tagesspiegel-Beitrag mit der damalige Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, gar den künftigen Erfolg der Hauptstadt bei der Exzellenzstrategie bedroht. Denn auch das Berliner Modell von gemeinsamen Doppelberufungen zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wäre dann umsatzsteuerpflichtig – schließlich würde es sich nach Logik der Finanzverwaltung und des neuen Umsatzsteuerrechts um einen "Leistungstausch" und eine marktrelevante "Personalgestellung" handeln, vergleichbar mit der Dienstleistung einer Zeitarbeitsfirma. Mit dem Ergebnis, warnten Hochschulen und Wissenschaftler, dass viele gemeinsame Berufungen gar nicht mehr zustande kämen und damit wissenschaftlich sinnvolle Kooperationen unterblieben.

 

In ihrem Schreiben sprach Ministerin Stark-Watzinger gestern von einer "hervorragenden Nachricht für das Innovationsland Deutschland und eine Maßnahme, für die sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung innerhalb der Bundesregierung erfolgreich eingesetzt hat".

 

Stark-Watzinger: Jetzt müssen
alle an einem Strang ziehen

 

Der unter anderem für Wissenschaft zuständige stellvertretende Vorsitzender SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix, sagte auf Anfrage, er freue sich für die Forschungseinrichtungen. "Das hilft ihnen zunächst – gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten – etwas besser finanziell kalkulieren zu können."

 

Tatsächlich hatten im Hintergrund mehrere Wissenschaftspolitiker aus Bund und Ländern seit Monaten versucht, das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) doch noch umzustimmen, welches sich lange auf entsprechende europarechtliche Vorgaben berief. So auch Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne), die jetzt ebenfalls von einer "fantastischen Nachricht für die Wissenschaft und Forschung" spricht.  "Damit wird die enge Verknüpfung von Hochschulen und Forschung gestärkt. Genau diese enge Verknüpfung gilt es zu schützen, denn hier entstehen die Innovationen für eine bessere Zukunft. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen müssen vor allem in diesen Krisenzeiten entlastet werden." 

 

Doch bei aller Erleichterung, die in vielen Chefetagen jetzt herrschen dürfte: Das Problem ist eben nur vertagt. "Mir ist bewusst, dass die Verlängerung der Übergangsfrist erst einmal nur eine temporäre Entlastung für einen Teil des Wissenschaftsbereichs bedeutet", betonte Stark-Watzinger deshalb in ihrem Brief. Daher werde sie sich weiter "auf allen Ebenen dafür einsetzen", die Regularien innovationsfreundlich auszugestalten und die Belastungen auch nach der Übergangsfrist möglichst gering zu halten.

 

Denn klar ist: Irgendwann wird es mit den Übergangsfristen vorbei sein. Schon der jetzt obsolet gewordene Starttermin Anfang 2023 war nur dadurch überhaupt zustande gekommen, dass die Neuregelung mit Hinweis auf die Corona-Krise nach hinten geschoben worden war. Gelingt es, innerhalb der neuen Gnadenfrist endlich eine dauerhaft tragfähige Lösung zu finden? 

 

Wichtig sei, betont Stark-Watzinger, dass jetzt alle Beteiligten "an einem Strang ziehen und die zusätzlichen zwei Jahre genutzt werden, um alle offenen Fragen bei wissenschaftlichen Kooperationen zu klären".

 

Brandenburgs SPD-Wissenschaftsministerin Manja Schüle twitterte am Donnerstagvormittag: "BINGO: Die Umsatzsteuerregelung für öffentliche Einrichtungen wird verlängert. Klingt trocken? Hat aber massiven Impact." Sie finde, dafür könne man dem BMBF Danke sagen.


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Kommentare: 2
  • #1

    Martin Lommel (Donnerstag, 17 November 2022 12:22)

    Ja, das ist eine sehr gute Nachricht und hilft tatsächlich. Und ja, da ist ein herzliches 'Danke' durchaus angebracht: Danke! Zugleich gilt es nun, die Zeit nicht zu verspielen. Denn "das Problem ist eben nur vertagt". Kombiniert mit der Aussage, dass sich das BMBF "weiter 'auf allen Ebenen dafür einsetzen' [wird], die Regularien innovationsfreundlich auszugestalten und die Belastungen auch nach der Übergangsfrist möglichst gering zu halten", heißt das konkret, dass alle Projekte, die gerade auf Hochtouren liefen, 'on hold' gesetzt werden müssen - und erst weiterlaufen werden können, wenn man weiß, welche innovationsfreudigen Lösungen sich andeuten. Es bleibt zu hoffen, dass zwischen diesem Zeitpunkt und dem Zeitpunkt der finalen Umsetzungsnotwendigkeit dann noch genug Zeit liegt, die ganze Maschinerie wieder "anzuwerfen". Für den Moment ist es in jedem Fall ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk.

  • #2

    S.L. (Donnerstag, 17 November 2022 14:18)

    Vorsicht: Beschlossen ist noch gar nichts! Die Verlängerung ist bisher lediglich geplant. Man sollte warten, bis die Sache beschlossen und somit in "trockenen Tüchern" ist.