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Woher der Gegenwind kommt

Bundesbildungsministerin Karliczek schlägt gerade viel Kritik entgegen. Dabei ist ihr bislang faktisch kaum etwas vorzuwerfen.

MAN KANN ES SICH als Kommentator einfach machen. Indem man Sätze schreibt wie diesen: Die gelernte Hotelfachfrau und Ausbilderin Anja Karliczek hat sich für die berufliche Bildung als eines ihrer Leitthemen im Bundesbildungsministerium entschieden. Wie soll sie auch anders, stünde dann zwischen den Zeilen, sie kennt ja nix Anderes. Dass Karliczek für eine Reihe anderer Themen ebenso entschieden eintritt, fiele dabei freilich unter den Tisch. Für die Forschung zur Künstlichen Intelligenz oder für ein größeres Engagement in der Wissenschaftskommunikation etwa – wobei auch letzteres ihr inzwischen von manchen so ausgelegt wird, als fordere sie von Wissenschaftlern eine unzulässige Vereinfachung. Was wiederum eine vereinfachende Darstellung von Karliczeks berechtigtem Anliegen ist. 

 

Vorvergangene Woche hat die Ministerin Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gebeten, die langjährige Amtschefin Cornelia Quenett-Thielen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Morgen nimmt die beamtete Staatssekretärin ihren offiziellen Abschied. Und wieder hagelt es Kritik aus der Wissenschaft. "Fällt das BMBF jetzt in die Hände von Erbsenzählern mit einer Krämer- und Controllerseele?", schrieb ein Kommentator auf meiner Website. "Wissenschaft wird weiter dem Diktat der ökonomischen Nützlichkeit unterworfen. Nicht gut..."

 

Halten wir einen Moment inne. Bislang muss sich Karliczek an der Personalie Quennet-Thielens nur vorwerfen lassen, dass die Trennung erst (von wem auch immer) an die Wirtschaftswoche durchgestochen wurde, um dann vom BMBF fast zwei Tage lang unkommentiert stehengelassen zu werden. Das hat der Ministerin geschadet und Quennet-Thielen ebenfalls. Das Argument, Karliczek habe erst die Zustimmung des Bundespräsidenten zu ihrer Personalentscheidung abwarten wollen, ändert an dieser Feststellung wenig. Sobald die Meldung raus war, hätte sie reagieren müssen.

 

Doch offenbart die Episode fast idealtypisch, dass ausgerechnet eine Ministerin, die mehr Kommunikation von anderen fordert und wohl auch selbst wagen will, sich mitderselben noch schwertut. Denn in der Tat hat sich die seit März amtierende CDU-Ressortchefin einen Teil des zunehmend gemischten Echos in Presse und den Social Media selbst zuzuschreiben. Weil sie noch nicht präzise genug ist in dem, was sie will. Oder zumindest nicht in dem, was sie öffentlich davon preisgibt. 

 

An mangelndem Mut kann es nicht liegen. Denn den brauchte Karliczek, um eine selbstbewusste und erfahrene Staatssekretärin, die sich ihrer Sache offenbar allzu sicher fühlte und entsprechend agierte, in den Ruhestand zu verabschieden. Dass Karliczek auch das politische Gespür besitzt, beweist die Entschiedenheit, mit der sie das BMBF nach ihren Vorstellungen umbaut: angefangen mit dem parlamentarischen Staatssekretär Michael Meister und dem neuen Leiter der Zentralabteilung. Die Nachfolge für Quennet-Thielen ist der nächste Schritt. 

 

Dass sie dabei auf Leute ihres Vertrauens setzt, hat nichts Anrüchiges, sondern ist folgerichtig, um das Ministerium effektiv steuern zu können. Erst recht, da dies offenbar zusammen mit der bisherigen Amtschefin nicht mehr möglich zu sein schien. Insgesamt sollen die Abteilungen des Ministeriums besser miteinander vernetzt werden, gemeinsame Querschnittsthemen wie Digitalisierung und Transfer sollen sie thematisch verknüpfen.

 

Meine Kollegin Heike Schmoll schrieb vergangene Woche in der FAZ sehr treffend: Karliczek "ist ganz Bundestagsabgeordnete und fragt sich bei all ihren Entscheidungen, was sie ihren Abgeordnetenkollegen wie nahebringt." Genau hier lag eine der größten Schwächen ihrer Vorgängerin Johanna Wanka, die selbst nicht Abgeordnete war und deren Kontakte in die Koalitionsfraktionen als nicht sonderlich belastbar galten. Was Wanka bei manchem Prestigeprojekt, zuletzt dem immer wieder vertagten Digitalpakt etwa, erhebliche Schwierigkeiten bereitet hat. 

 

Karliczek sollte aus dem öffentlichen Echo dennoch die richtigen Lehren ziehen. Nicht, indem sie sich abbringen lässt von ihrem Ziel, viele Dinge anders machen zu wollen als bislang. Gerade die kürzlich gestarteten Verhandlungen um die großen Wissenschaftspakte können einen neuen Stil gut gebrauchen, soll bei den Ergebnissen am Ende nicht einfach "more of the same" stehen. Dass Karliczek gleichzeitig hart verhandelt und persönlich verbindlich auftritt, haben viele Landesminister bereits gespürt. Um wiederum Heike Schmoll zu zitieren: Die "harte, unnachgiebige, zuweilen auch trickreiche Verhandlungsführung" der bisherigen Amtschefin Quennet-Thielen habe offenbar "zu einer nahezu unüberwindbaren Verhärtung der Fronten geführt". 

 

Und was Karliczeks erklärten Schwerpunkt berufliche Bildung angeht: Außerhalb der Wissenschaftscommunity gibt es zum Beispiel viele, die diese demonstrative Themensetzung begrüßen, weil sie dieses Feld im BMBF bislang vernachlässigt sahen. 

 

Die Ministerin muss auch nicht ständig beteuern, wie wichtig ihr trotzdem die Wissenschaft und die Hochschulen sind, denn die Vorwürfe, das sei anders, sind bislang durch nichts zu belegen. Am wenigsten durch Sätze Karliczeks, das Ministerium wolle mehr aus dem Geld machen, das ihr zur Verfügung steht. Denn das sollte das Ziel jeder Ministerin sein in Zeiten knapper werdender Bundeshaushalte. Ohne aufzuhören, parallel für möglichst viel Geld zu streiten, versteht sich.

 

Was aber heißt dann, die richtigen Lehren aus den öffentlichen Reaktionen ziehen? Ganz einfach: Karliczek muss ihren eigenen Anspruch ernster nehmen. Besser kommunizieren. Nicht bei Allgemeinplätzen stehen bleiben. Klarer ihre Ziele in der Wissenschaft benennen und den Weg dorthin erklären. 

 

So ähnlich habe ich es bereits vor drei Wochen geschrieben. Inzwischen ist der Appell noch dringender geworden. 

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