Die Kultusminister loben sich selbst für ihre historische Taten, ganz so berauschend ist ihr heute beschlossenes Bildungsabkommen freilich nicht. Aber es hätte Potenzial. Um es zu nutzen, muss die KMK aber erst sich selbst ändern.
DIE KMK SELBST spricht von "einem historischen Tag." Heute Mittag haben die Kultusminister wie erwartet eine "Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen" beschlossen. Sie soll jetzt den Ministerpräsidenten vorgelegt werden. Damit gehen die Kultusminister den einfacheren Weg: Der lange als Rechtsform diskutierte Staatsvertrag hätte zusätzlich alle 16 Länderparlamente passieren müssen.
In den 44 Artikeln geht es um Qualitätssicherung, übergreifende Grundsätze der Bildung und Erziehung in den Ländern, die Aufgaben der an Schule Beteiligten, allgemeine Bestimmungen wie die Ferienregelung, die Gliederung und Organisation des Schulsystems und Fragen der Lehrerbildung.
Ebenfalls heute beschloss die KMK die Einrichtung einer "Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz", bestehend aus führenden Bildungswissenschaftlern, die die Kultusminister entlang der gesamten Bildungskette unabhängig beraten und ihnen Handlungsempfehlungen geben sollen.
Die Kommission, die bis zu einer Evaluation befristet eingerichtet werden soll, tritt an die Stelle des im GroKo-Koalitionsvertrag vorgesehenen Nationalen Bildungsrats, der nach langen Verhandlungen am Widerstand einiger Länder gescheitert war – weil sie den Bund nicht gleichberechtigt mit an Bord haben wollten. In der Governance der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission ist der Bund nicht vertreten, er soll aber bei Bildungsfragen, für die er mit zuständig ist, beteiligt werden.
Hubig: "Ergebnisse zeigen, wie dass der
deutsche Bildungsföderalismus stark ist"
Stefanie Hubig (SPD), Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz und gegenwärtig Präsidentin der Kultusministerkonferenz, sagte, die KMK habe zwei Entscheidungen getroffen, "die weit über den heutigen Tag hinauswirken und den Bildungsstandort Deutschland nachhaltig stärken werden." Die Menschen hätten den Wunsch nach mehr Einheitlichkeit bei der Bildung, und diesem Wunsch kommen wir nach." Die Länder würden "ganz klar" zur Zusammenarbeit und zu mehr Transparenz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit bekennen. Im Vordergrund stünden die Qualität und die inhaltliche Weiterentwicklung des gesamten Bildungswesens. "Das war ein Kraftakt für alle Beteiligten, aber wir haben es geschafft – neben dem Management einer Krise, wie sie das Nachkriegsdeutschland noch nicht erlebt hat. Die Ergebnisse der heutigen KMK-Sitzung zeigen, dass der deutsche Bildungsförderalismus stark ist."
Stark ist auch, das zeigen die vorgelegten Ergebnisse, der Eigenwille mancher Länder. Denn an zahlreichen Stellen geht das Bildungsabkommen nicht über die Festschreibung des Status Quo hinaus. Leider gilt das auch, was besonders schade ist, für viele der heute ebenfalls beschlossenen sogenannten "politischen Vorhaben", mit denen die Kultusminister die Ziele ihres Abkommens operationalisieren wollen.
Diese Feststellung soll die Leistung der Kultusminister, dass sie sich 56 Jahren nach dem "Hamburger Abkommen" überhaupt auf ein neues Regelwerk für den Bildungsföderalismus verständigt haben, nicht in Abrede stellen. Schon die Zeitdauer seines Entstehens und die Vielzahl der dafür nötigen Sitzungen aller möglichen Gremien spricht für das Durchhaltevermögen vor allem auch der Ministerialbeamten im Hintergrund. Deshalb ist schon die bloße Existenz eines alle Bildungsbereiche umfassenden Abkommens ein Signal, dass der Bildungsföderalismus den Aufbruch wagen will.
Auch sollte man den Wert von Festschreibungen des bereits einmal Vereinbarten nicht unterschätzen, bedeuten sie doch praktisch zum Beispiel eine Absicherung und den Ausbau einheitlicher Bildungsstandards und, mindestens ebenso wichtig, die dauerhafte Selbstverpflichtung aller Länder, zur Überprüfung des Erreichten weiter an nationalen und internationalen Schulleistungsstudien teilzunehmen. Gerade bei letzteren drohten einige Länder immer mal wieder von der Stange zu gehen, wenn die Leistungen ihrer Schüler von Überprüfung zu Überprüfung und von Jahr zu Jahr nicht besser ausfielen.
Die Ambitionen sind dem
Abkommen noch anzumerken
Doch ist Qualitätsmessung eben nicht Qualitätssicherung. Und mehr Vergleichbarkeit von Systematik und Struktur der ländereigenen Schulsysteme entsteht allein nicht dadurch, dass man ihren Mangel beschreibt. Dazu bräuchte es ein konkretes Aktionsprogramm auf der Grundlage einer bildungspolitischen ambitionierten Gesamtstrategie, und beides bietet das Bildungsabkommen höchstens in Ansätzen.
Die Ambitionen einiger Kultusminister sind dem heute in der KMK geschlossenen Abkommen durchaus noch anzumerken, doch wurden sie an vielen Stellen so weit abgeschwächt, relativiert, eingehegt, dass es fast schon wehtut. Zwei Beispiele zur Illustration sollten als Beleg dafür reichen.
Erstens: Die Schulabschlüsse, vor allem die in der nach Schularten mit ein, zwei oder drei Bildungsgängen sehr vielfältig gewordenen Sekundarstufe I, sollen klar kategorisiert werden, was um der Transparenz willen überfällig ist. Doch in Hinblick auf die wirklich wichtigen, darüber hinausgehenden Veränderungen machen die Kultusminister nur vage Ankündigungen. "Möglichkeiten für eine größere Vergleichbarkeit der inneren Ausgestaltung der Bildungsgänge"? Wollen die Länder prüfen. "Die Möglichkeit einer einheitlicheren Namensgebung für die Schularten, so dass sich zumindest hinter derselben Bezeichnung auch die gleiche Schulart und der gleiche Schulabschluss verbergen"? Auch hier ist ist in den politischen Vorhaben nicht mehr als die Versicherung drin, sich das genauer anschauen zu wollen.
In der Pressekonferenz heute Nachmittag beschwichtigte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, der die SPD-regierten Bildungsministerien koordiniert, schon mal: Er glaube gar nicht, dass es vernünftig sei, überall die gleichen Namen umzusetzen. Es gehe darum, über die Abschlüsse "Schulfamilien zu definieren, die zusammengehören, auch wenn sie vielleicht unterschiedliche Namen tragen." Wird dadurch das Bildungssystem übersichtlicher werden? Rabe selbst kam heute ins Schleudern, als er die Hamburger Stadtteilschule und die Bremer Oberschule als potenzielle Mitglieder derselben Schulfamilie nennen wollte, um dann einzugestehen: Er wisse nicht wirklich, wie ähnlich beide seien.
50 Prozent gemeinsame Abiaufgaben in
einem Teil der Fächer – das reicht nicht
Zweites Beispiel: Kein Thema treibt Bildungsbürger regelmäßig mehr um als das Abitur und dessen Vergleichbarkeit. Das wissen auch die Kultusminister, und wann immer in den vergangenen Jahren Forderungen nach einem Bundeszentralabitur aufkamen, konterten sie mit dem Versprechen: Wir schaffen die nötigen bundesweiten Standards auch ohne Zentralismus. Was von den Ambitionen geblieben ist: Laut dem Abkommen sollen spätestens zur Abiturprüfung 2023 (Deutsch, Mathematik, Englisch, Französisch) bzw. zur Abiturprüfung 2025 (Biologie, Chemie, Physik) "jeweils fachspezifisch verbindliche Regeln zur quantitativen Entnahme aus dem gemeinsamen Aufgabenpool gelten. Dabei ist eine Entnahme von mindestens 50 Prozent zu erreichen." Also 50 Prozent gemeinsam erstellte Aufgaben – noch dazu logischerweise nur in den genannten Fächern, in denen überhaupt gemeinsame KMK-Bildungsstandards existieren.
Die zusätzliche Ankündigung, die Länder würden ihre landeseigenen Aufgaben, "auch in Fächern, für die es derzeit keine Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz gibt", am Pool orientieren, klingt konstruktiv, ist aber bar jeder inhaltlichen Verbindlichkeit. So wie der Nachsatz, dass in den Pool-Fächern auch eine Entnahme von 100 Prozent der Aufgaben aus dem Pool möglich sein soll, nett ist, aber bundespolitisch belanglos.
Sehr positiv muss man anmerken, dass die Länder ebenfalls bis zum Jahr 2023 "eine genaue Anzahl verpflichtend zu belegender und in die Gesamtqualifikation einzubringender Fächer einschließlich ihrer Gewichtung" festzulegen versprechen. Auch auf eine einheitliche Anzahl zu wählender Fächer auf erhöhtem Anforderungsniveau will man sich bis dahin einigen. Womit die Vereinheitlichung des Abiturs endlich über die bloßen Abschlussprüfung hinausgehen wird.
Dass die Länder zudem einheitliche Regeln für die Klausuren und für die Gewichtung schriftlicher und sonstiger Leistungen in den vier Schulhalbjahren der Qualifikationsphase beschließen wollen, ist ebenfalls löblich, doch fehlt schon hier ein konkretes Zieldatum. Genau wie bei dem zentralen Versprechen, dass die Abituraufgaben künftig ohne Veränderungen aus dem gemeinsamen Pool entnommen werden und dass auch die Bedingungen, unter denen sie bearbeitet werden, inklusive Arbeitszeit und erlaubter Hilfsmittel, bundesweit festgelegt werden. Rabe versprach immerhin heute Nachmittag, bis Frühjahr werde die KMK einen umfassenden Zeitplan nachreichen.
Die KMK kann so, wie sie aufgestellt ist,
gar nicht anders
Das ist zu hoffen. Wie aber soll man bis dahin ein Abkommen, wie soll man einen Text mit politischen Vorhaben bewerten, die von einem "Wir trauen uns, aber nur ein bisschen" geprägt sind? Mindeststandard erfüllt, den großen Wurf konsequent vermieden?
Was soll man davon halten, dass die Kultusminister an vielen Stellen auf Zeit spielen, dass sie zwischen unbestreitbar richtigen Allgemeinplätzen hier und da immer mal wieder echten bildungspolitischen Ehrgeiz aufblitzen lassen, dass sie dann aber noch öfter mit mehr oder weniger konkreten Absichtserklärungen auf eine unbestimmte Zukunft vertrösten?
Vor allem muss man wohl konstatieren: Die Kultusminister können gar nicht anders. Weil ihr Gremium, die KMK, es nicht anders zulässt. Die Bildungspolitik hat sich selbst eingemauert in einer Geschäftsordnung, die bei allen wichtigen Fragen Einstimmigkeit aller Länder verlangt, die anstelle einer beherzten Führung die jährlich rotierende Präsidentschaft gleicher unter gleichen setzt.
Anders formuliert: Erst wenn die KMK so aufgestellt ist, dass eine Mehrheit der Länder wichtige bundesweite Standards selbst dann für alle festlegen kann, wenn eine Minderheit sie ablehnt, sind wirkliche Sprünge möglich.
Wenn die KMK noch dazu eine hauptamtliche Präsidentin oder einen hauptamtlichen Präsidenten hätte, die auf mehrere Jahre gewählt nicht zugleich ein eigenes Bundesland vertreten müsste, sondern immer die länderübergreifenden Interessen pushen könnte, würde die Dynamik reichen, um aus den anfänglichen Ambitionen am Ende echte Veränderung entstehen zu lassen. Und schließlich bräuchte es ein KMK-Sekretariat, das als Agentur personell und inhaltlich so aufgestellt wäre, dass es die nötige politische Koordination und die strategischen Vorarbeiten leisten könnte.
Womöglich gibt es den großen Wurf
ja doch – aber an anderer Stelle
Das Bildungsabkommen ist ein erster Schritt. Kein schlechter erster Schritt, sondern wie gesagt bei allen Schwächen ein Signal, dass die Kultusministerkonferenz mehr sein will als ein Club, in dem die Eigeninteressen der Länder aufeinandertreffen. Der eine bildungspolitische Gesamtvision entwickeln will. Die ist das Abkommen noch nicht. Aber wenn die KMK sich in einem nächsten Schritt als Organisation mutig weiterentwickelt, ja ein Stückweit neu erfindet, dann kann auch ihr Abkommen in genau jene Gesamtvision hineinwachsen.
Interessant ist, dass in der von der KMK heute Nachmittag versendeten Pressemitteilung wie auch in der Pressekonferenz mit Hubig, Rabe und der baden-württembergischen CDU-Bildungsministerin Susanne Eisenmann die neue Ständige Wissenschaftliche Kommission kaum eine Rolle spielte, auch nicht bei den Nachfragen der Journalisten. Dabei könnte ausgerechnet die Kommission der eigentliche große Wurf werden.
Auch wenn sie beim KMK-Sekretariat angesiedelt ist, auch wenn die Wissenschaftler ihr Arbeitsprogramme mit den Ländern abstimmen müssen, werden sie völlig frei sein in ihren Empfehlungen, und je stärker die Persönlichkeit an der Spitze des Gremiums sein wird, desto mehr Druck wird der Bildungsrat, der nicht so heißen darf, ausüben. Druck auf die Kultusminister, wirklich eine gemeinsame Perspektive und eine stimmige bundesweite Strategie in zentralen Bildungsfragen zu erarbeiten. Gleichzeitig kann die Kommission, gerade weil sie unabhängig ist, den Kultusministern den nötigen öffentlichen Flankenschutz geben, wenn sie sich tatsächlich zu den geforderten mutigen Schritten hinreißen lassen.
Einige mutige Schritte, in Ansätzen etwa beim Abitur, stecken bereits drin im heutigen Bildungsabkommen. Weitere wären durch die Vereinbarung möglich. Sicher aber sind sie noch längst nicht.
Was die KMK selbst wichtig findet an ihrem Abkommen und was andere dazu sagen
Ausbuchstabiert werden die grundsätzlichen Ziele der Ländervereinbarung in der Reihe "politischer Vorhaben", die die KMK heute ebenfalls beschlossen hat und "in den nächsten Jahren" umsetzen will.
In ihrer Pressemitteilung hebt die Kultusministerkonferenz die Selbstverpflichtung aller Länder auf Bildungsstandards, nationale und internationale Vergleichsstudien, Abituraufgabenpool, Vergleichsarbeiten und die Bildungsberichterstattung hervor. Außerdem die "konsequente Weiterverfolgung" der 2016 verabschiedeten KMK-Strategie "Bildung in der digitalen Welt" und der im Digitalpakt vereinbarten Ziele, darunter die curriculare Verankerung der fachdidaktischen Kompetenzen zur Nutzung digitaler Medien in der Lehramtsausbildung, digitale Lehr- und Lernmittel für alle Fächer und Klassenstufen bis 2025, verbindliche technische Schnittstellen zwischen den Medienportalen der Länder und Schulträger und den Plattformen von Anbietern von Bildungsmedien.
Für die Grundschule, betont die KMK, hätten sich die Minister angesichts mäßiger Ergebnisse in den letzten Schulleistungsvergleichen auf einen Gesamtstundenrahmen und einen Mindeststundenumfang in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht sowie die Vermittlung einer verbundenen Handschrift und einen einheitlichen Rechtschreibrahmen verständigt.
Für den Sekundarbereich I wollen sich die Länder bis 2022 auf "Kategorien und einheitliche Benennung der Abschlüsse (Erster Schulabschluss, Mittlerer Schulabschluss)" einigen, zudem wollen sie die Möglichkeit einer einheitlichen Namensgebung für die Schularten (=hinter derselben Bezeichnung soll auch die gleiche Schulart und der gleiche Schulabschluss stecken) "prüfen".
Bis 2023 wollen die Länder für die gymnasiale Oberstufe eine genaue Anzahl verpflichtend zu belegender und ins Abitur einzubringender Fächer einschließlich ihrer Gewichtung festlegen, dazu auch einheitliche Anzahl zu wählender Fächer auf erhöhtem Anforderungsniveau und einheitliche Regelungen zur Leistungsermittlung in den vier Schulhalbjahren der Qualifikationsphase. Spätestens zur Abiturprüfung 2023 sollen alle Länder für die Prüfungsfächer Deutsch, Mathematik, Englisch, Französisch unter verbindlichen Regeln mindestens 50 Prozent der Aufgaben aus dem gemeinsamen, länderübergreifenden Abi-Aufgabenpool entnehmen. Für Biologie, Chemie, Physik soll das ab 2025 gelten. Auch eine Entnahme von 100 Prozent der Aufgaben soll möglich sein.
Zur Stärkung der beruflichen Schulen regen die Länder einen gemeinsamen "Pakt für berufliche Schulen" an, der die Arbeit der Enquete-Kommission "Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt" des Deutschen Bundestages aufgreifen solle, um damit den notwendigen Modernisierungsrahmen für die berufliche Bildung zu schaffen.
Bis 2022 soll ein Qualifikationsprofil für Schulleitungen als Grundlage entsprechender Fortbildungen erarbeitet werden, und die Länder wollen sich verpflichten, ihre von 2013 stammende Vereinbarung "zur Erhöhung der Mobilität und Qualität von Lehrkräften bei dem Zugang zum Vorbereitungsdienst und in den Schuldienst", wie es heißt "konsequent umzusetzen". Im Sekretariat der KMK soll schon nächstes Jahr eine zentrale "Ansprechstelle" eingerichtet werden, an die sich Bewerber wenden können, die in anderen Bundesländern "wegen fehlender oder abweichender schulischen Qualifikationen" abgelehnt werden. Die Ansprechstelle soll auch zu "Fragen des Schulwechsels von Schülerinnen und Schülern in ein anderes Land" auskunftsfähig sein.
Weitere Details des Abkommens hatte ich im September bereits hier beschrieben.
Baden-Württembergs Bildungsministerin Susanne Eisenmann (CDU) nannte die Bildungsvereinbarung einen "Meilenstein in der Bildungszusammenarbeit der Länder und ein starkes Signal für den Föderalismus".
Ihr CDU-Parteikollege Tankred Schipanski klang in seiner ersten Reaktion weniger euphorisch. Der heutige Beschluss gehe "in die richtige Richtung, schließt aber die Debatte dazu keinesfalls ab", sagte Schipanski, der digitalpolitischer Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion ist. Die Ländervereinbarung stelle "erste Weichen" für bundesweite einheitliche Bildungsstandards. "Aber mit Blick auf deren rechtliche Verbindlichkeit bleibt die KMK weit hinter den Erwartungen zurück. Ein Bildungsstaatsvertrag, der durch alle 16 Länderparlament beschlossen würde, wäre den bildungspolitischen Herausforderungen angemessener gewesen."
Indem die KMK anstelle des Nationalen Bildungsrates eine Ständige Wissenschaftliche Kommission ohne institutionelle Verankerung des BMBF eingerichtet habe, verkenne sie "die Rolle des Bundes in unserem Bundesstaat". Dies sei ein "Geburtsfehler" des neuen Gremiums.
Wobei Schipanski indirekt seine eigenen Parteikollegen und vor allem CDU-Bildungsministerin Eisenmann kritisiert: Diese hatte zu den entscheidendsten Gegnerinnen einer gleichberechtigten Beteiligung des Bundes in einem nationalen Bildungsrat gehört.
Die bildungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Margit Stumpp, sagte: "Es scheint, als wollten die Mitglieder der Kultusministerkonferenz den Ruf des Bildungsföderalismus, der in Pandemiezeiten noch weiter gelitten hat, mit Macht aufpolieren." Die Ländervereinbarung regele endlich "brennende Themen" wie Qualitätsentwicklung und Vergleichbarkeit der Bildung, das sei schon lange überfällig gewesen.
Die Einrichtung des Nationalen Bildungsrats habe BMBF-Chefin Anja Karliczek "leider vom Start weg versemmelt. Jetzt hat die KMK das Heft selbst in die Hand genommen, die Bundesministerin bleibt außen vor." Stumpp mahnte, bei aller Erleichterung, dass die KMK endlich überfällige Themen angehe: "Maßstab wird die Umsetzung der jeweiligen Maßnahmen sein. Angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit ist da eine gesunde Skepsis durchaus angebracht."
Der Deutsche Philologenverband kritisierte, ein Bildungsstaatsvertrag "wäre die bessere Variante" gewesen als ein Länderabkommen. "Dieser hätte intensiv in den Länderparlamenten diskutiert werden können, bevor die Ministerpräsidenten ihn unterzeichnen. Das fällt jetzt leider aus", sagte Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing und sprach von "deutlichen Veränderungsbedarf am Entwurf selbst und einen Nachholbedarf in der Diskussion".
Sie erwarte "klare Zielbestimmungen über die angestrebten Qualitätssicherungsmaßnahmen im Schulwesen hinaus." Diese seien zwar zu unterstützen, müssten aber deutlich über das Messen und Vergleichen von Schul- und Schülerleistungen in den Bundesländern hinausgehen. Dazu gehöre, dass Bundesländer, deren Schul- und Schülerleistungen kontinuierlich am unteren Ende der bundesdeutschen Rangskala lägen, sich verpflichteten, leistungssteigernde Maßnahmen der KMK anzunehmen und umzusetzen. Dieser Aufgabe müsse die KMK und müssten die Länder sich stellen. Genau das leisteten sie in der Ländervereinbarung aber nicht.
Zudem forderte Lin-Klitzing unter anderem "gemeinsame Anstrengungen und klare, verbindliche Aussagen für die Lehrerbildung, die Lehrerbedarfsplanung und die Lehrkräfteeinstellung". Diese gebe es in der jetzigen Ländervereinbarung nicht, sie seien aber ebenfalls Aufgabe der KMK. In den Ländern selbst werde keine genügende Verantwortung für eine kontinuierlich ausreichende Einstellung der Lehrkräfte übernommen.
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