· 

Was passiert da gerade?

In Europa schnellen die Corona-Zahlen in die Höhe. Auch in Deutschland drehen die Inzidenzen ins Plus. Der Anfang von mehr? Was der Blick auf die Meldezahlen der aktuellen Woche verrät: ein Zwischenstand.

ANFANG DER WOCHE sind auch in Deutschland die Corona-Zahlen im Wochenvergleich ins Plus gedreht, aktuell noch recht verhalten. Doch nach dem monatelangen Absturz und den zunehmenden Berichten über neue, von Delta ausgelöste Wellen in Großbritannien, Spanien oder Griechenland sollten wir auch hierzulande genau auf die ersten Anzeichen schauen. Was lässt sich aus den Zahlen der aktuellen Kalenderwoche bereits herauslesen? 

 

Klar ist: Alle Aussagen sind vorläufig und können von den Entwicklungen der nächsten Tage rasch überholt werden. Lohnend ist der Blick allerdings sehr wohl, zumal laut RKI inzwischen auch in Deutschland die Delta-Variante für die meisten Infektionen verantwortlich ist. Ein paar Beobachtungen und was aus ihnen folgt.

 

1. Die gemeldeten Infektionen steigen bei Kindern und Jugendlichen noch nicht, ihr Anteil wird sogar deutlich geringer.

 

In der laufenden Woche steckten sich nachweislich bislang 266 Unter-15-Jährige an. Das entspricht einem Anteil an allen vom RKI registrierten Neuinfektionen (2284) von 11,7 Prozent. In der vergangenen Kalenderwoche machten die insgesamt 724 neuen Fälle unter Kindern und Jugendlichen 16,8 Prozent der insgesamt 4235 gemeldete Neuinfektionen aus.

 

2. Der Schwerpunkt der Infektionsdynamik liegt in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen.

 

Ihr Anteil an allen neuen Fällen macht einen Sprung: von 23,8 auf 27,6 Prozent. Leicht steigt der Anteil der 15- bis 19-Jährigen (von 9,6 auf 9,9 Prozent), stärker die Dynamik bei den 40- bis 49- Jährigen (von 22,5 auf 24,4 Prozent). Einen Rückgang des Anteils verzeichnen die 30- bis 39-Jährigen (17,7 auf 16,3 Prozent). 

 

3. Die Über-60-Jährigen gehen mit dem Anstieg mit.

 

Tatsächlich steigt ihr Anteil an allen neuen Fällen sogar von 9,7 auf 10,1 Prozent. Dies liegt statistisch allerdings vor allem daran, dass der Rückgang bei den Kindern und Jugendlichen so stark ist, ist also an sich noch nicht besorgniserregend.

 

4. Der Rückgang bei den Kindern und Jugendlichen scheint nicht allein am Rückgang der Tests in den Schulferien zu liegen.

 

Schaut man sich beispielhaft die drei Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen an, in denen noch Schule ist, so sinkt hier der Anteil der Unter-15-Jährigen an allen Fällen sogar noch stärker von 17,4 auf 10,5 Prozent. 

 

5. Die niedrigen Zahlen bei den Unter-15-Jährigen verdecken das gesamtgesellschaftliche Geschehen. 

 

Rechnet man die Kinder und Jugendlichen heraus, wird der Anstieg in der aktuellen Woche noch deutlicher. Er wäre bislang bereits um sieben Prozentpunkte stärker ausgefallen. Die Meldezahlen der Unter-15-Jährigen bremsen den statistischen Trend nach oben also derzeit.

 

6. Ein paar Schlussfolgerungen: Studierende, Schulen, Ältere

 

Die Corona-Situation in Deutschland befindet sich an einem Scheidepunkt. Schaut man sich die enormen Anstiege der Inzidenzen in anderen Ländern an, aktuell vor allem Spanien, sollten wir vor allem in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sehr genau auf die weitere Entwicklung achten. Was sich dort gerade tut, sieht nicht gut aus – und verdeutlicht umso mehr, wie wichtig die Impfung der Studierenden ist. Da ferienbedingt gerade viele Impftermine ausfallen, sollten die Behörden umso schneller reagieren und bundesweit eine Impfkampagne für die jungen Erwachsenen starten. Und zwar jetzt. Denn der Blick ins Ausland zeigt, wie schnell die Corona-Lage bei den jungen Altersgruppen kippt.

 

Darüber hinaus geben die aktuellen Meldezahlen bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass vor allem Kinder in Deutschland stärker von Delta betroffen sind. Und auch nicht, dass offene Schulen einen Verstärkereffekt haben. Auch die gesamtgesellschaftlichen Inzidenzen in den 16 Bundesländern entwickeln sich derzeit komplett unabhängig davon, ob schon Schulferien sind oder nicht.

 

Auffällig ist, dass sich die zumeist bereits doppelt geimpften Über-60-Jährigen nicht mehr vom allgemeinen Trend abkoppeln. Ihr Anteil an allen Fällen geht nicht mehr weiter zurück. Allerdings bewegen sich ihre Infektionszahlen absolut gesehen auf niedrigem Niveau. Was das für den Fall eines weiter und stärker steigenden Infektionsgeschehens bedeutet, bleibt sehr aufmerksam abzuwarten.