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Lindners Zahlen

Dieses Jahr soll das BMBF 20,3 Milliarden Euro ausgeben können, wird der Finanzminister am Mittwoch bekanntgeben. Bis 2025 soll das Ministeriumsbudget dann auf 21,1 Milliarden steigen. Was die Planungen für die Ampel-Ambitionen in Bildung und Forschung bedeuten.

AM MITTWOCH PRÄSENTIERT Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im Bundeskabinett seinen Haushaltsentwurf und die Finanzplanung bis 2026. Beide Dokumente liegen mir bereits vor und zeigen: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) soll dieses Jahr rund 20,3 Milliarden Euro erhalten – rund 0,5 Milliarden Euro weniger als vergangenes Jahr. 2023 soll es dann 20,5 Milliarden geben. 2024 soll der Ansatz auf 20,8 Milliarden steigen, 2025 auf 21,1 Milliarden und dort 2026 verharren. 

 

Ist das nun viel oder wenig? Vor allem aber: Würde ein gegenüber 2021 um 0,3 Milliarden (1,4 Prozent) Euro höheres BMBF-Budget am Ende der laufenden Legislaturperiode den Aufbruch signalisieren, den die Ampel-Koalition in Bildung und Forschung versprochen hat?

 

Wer jetzt schnell mit "Nein" antwortet, dürfte ein Stückweit Recht haben – und es sich doch etwas einfach machen. Denn um das diesjährige Budget von Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und seine geplante Entwicklung für die Folgejahre einzuordnen, bedarf es ein paar weiterer Kennzahlen.

 

Hilfreich ist zunächst die Finanzplanung, die die alte Bundesregierung vor exakt einem Jahr für die Zeit bis 2025 gemacht hatte. Da zeigt sich: Der neue Ansatz fällt fürs BMBF um insgesamt – je nach Startpunkt – bis zu 6,1 Milliarden Euro höher aus. Konkret standen im März 2021 noch 19,4 Milliarden für dieses Jahr in den Büchern, für 2023 19,0 Milliarden, für 2024 19,1 und für 2025 nochmal 19,1 Milliarden. 

 

Zwischendurch ist viel passiert, aber vier bis sechs Milliarden mehr wären, wenn es dabei bliebe, ein Wort. Denn damit würde der Anteil des BMBF-Budget am gesamten Bundeshaushalt von aktuell 4,44 Prozent auf 5,06 Prozent im Jahr 2025 steigen. Nach den GroKo-Planungen vom März 2021 wären es am Ende der Legislaturperiode hingegen nur 4,73 Prozent gewesen.

 

Soweit also die guten Nachrichten. Allerdings zeigen schon die enormen Veränderungen bei der Finanzplanung innerhalb eines Jahres, wie stark die Dinge im Fluss sind und dass sich in Krisenzeiten, wie wir sie erleben, alles sehr schnell ändern kann. Auch finanziell.

 

Was die Ampel-Verhandler wollten
und was sie bekommen

 

Der Blick aufs aktuelle Budget und auf die Planungen fällt denn auch schon deutlich ernüchternder aus, wenn man sie kontrastiert mit den Summen, die während der Ampel-Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst kursierten. Jede der verhandelnden Arbeitsgruppen musste am Ende ja auch eine Liste haushaltswirksamer Zusatzausgaben einreichen. Diese haben die Parteispitzen von SPD, Grünen und FDP zwar nie öffentlich und sie sich damit auch nicht zueigen gemacht. Letzteres indirekt aber schon, indem sie die von den Arbeitsgruppen vorgeschlagenen Vorhaben in den Koalitionsvertrag übernommen haben. Denn jedem davon hängt natürlich ein Preiszettel.

 

Und nun halten Sie sich fest. Allein die zusätzlichen Vorhaben für Bildung würden, wenn sie in dem von der damaligen AG angegebenen Umfang kämen, 2025 mit knapp 9,4 Milliarden Euro zusätzlich zu Buche schlagen. Pro Jahr. Für Wissenschaft und Innovation kämen weitere 2,8 Milliarden hinzu. Nicht alles davon würde im BMBF-Budget auftauchen, weil zum Beispiel ein (allein zwei Milliarden jährlich schwerer) Digitalpakt 2.0 wohl wieder aus einem Sondervermögen käme, genauso wie Teile des geplanten Programm für Schulen in benachteiligten Lagen. Das 2025 in allen seinen Bestandteilen laut Verhandlungsgruppe enorme 2,6 Milliarden pro Jahr umfassen würde, gespeist wohl auch aus dem Haushalt des Familienministeriums.

 

Trotzdem: Das wäre wirklich der große Wurf gewesen, den vor allem das deutsche Bildungssystem so dringend gebraucht hätte. Und die laut Lindners Finanzplan für 2025 jetzt zusätzlich vorgesehenen zwei Milliarden pro Jahr fürs BMBF werden zur Umsetzung all dieser Ambitionen von vorn bis hinten nicht reichen. Es müsste also so sehr priorisiert und aussortiert werden, dass das für Stark-Watzinger eine äußerst unangenehme Aufgabe werden dürfte. In jedem Fall eine Aufgabe, die politische Führung erfordert.

 

Sieht man nun in den Haushaltsentwurf für dieses Jahr, zeichnen sich bereits erste auffällige Unterschiede zu den Ambitionen der Koalitionsverhandlungen ab.

 

Nur 130 Millionen
mehr fürs Bafög?

 

Beispiel Bafög. Die zuständige Ampel-AG wollte schon für dieses Jahr eine Milliarde zusätzlich. Im Entwurf steht aber für 2022 nur ein Ansatz-Plus von insgesamt rund 130 Millionen Euro gegenüber 2021 (auf 2,33 Milliarden.) Wobei es aus dem Ministerium heißt, das liege auch daran, dass eben 2021 real so viel weniger ausgegeben worden sei, der Zuwachs tatsächlich also viel höher liege. Schaut man tiefer in die Bafög-"Titelgruppe", findet man darüber hinaus eine deutliche Kürzung beim Schüler-Bafög ("weniger wegen Anpassung an den Bedarf"), was möglich macht, zugleich doch immerhin 280 Millionen Euro zusätzlich ins Studieren-Bafög ("Mehr wegen Anpassung an Bedarf") zu stecken, um den geplanten ersten Reformschritt zu finanzieren. Immer noch keine Milliarde, aber gut. Hinzu kommt, dass die Reformpläne zwar im Endausbau richtig teuer werden dürften, aber voll erst 2023 und in den Folgejahren durchschlagen. Für die die AG-Verhandler allerdings sogar noch eine Milliarde zusätzlich geplant hatten. 

 

Beispiel DATI, die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, auf die vor allem die HAWs drängen. Die Verhandlungs-AG wollte schon dieses Jahr 50 Millionen für den Aufbau, Lindner will dieses Jahr aber nur 19,6 Millionen geben – von denen noch dazu 15 Millionen gesperrt sind – bis zur "Vorlage eines schlüssigen Konzepts".

 

Beispiel Stiftung Innovation in der Hochschullehre. Die Verhandler wollten dieses Jahr auf die bereits vorgesehenen 150 Millionen weitere 100 bis 150 Millionen drauflegen. Im Haushaltsentwurf für 2022 stehen nun insgesamt 129 Millionen, also weniger die Hälfte. Weil, so heißt es, bislang einfach nicht mehr abgeflossen sei. Und weil das Plus erst noch in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) mit den Ländern besprochen werden müsste?

 

Und so geht das weiter. Wo sind eigentlich die in den Koalitionsverhandlungen diskutierten 800 Millionen Euro zusätzlich vor allem für die von der Ampel viel beschworene "missionsorientierte Forschung"?

 

Dass die drei Prozent zusätzlich für den Zukunftsvertrag Studium und Lehre (rund 55 Millionen Euro) ebenfalls noch nicht im Haushalt abgebildet sind, obwohl sie eigentlich schon dieses Jahr rückwirkend an die Hochschulen gezahlt werden sollen, lässt sich dagegen in jedem Fall damit begründen, dass noch kein Beschluss dazu in der GWK vorliegt, wofür man sich wiederum erstmal mit den Ländern auf die Zahlungsvoraussetzungen verständigen muss. Eine ähnliche Logik gilt bei weiteren neuen Vorhaben, die der Bund nicht allein verantwortet. 

 

Die Spielräume werden
noch enger

 

Auf die jetzt für 2022 geplanten 20,3 Milliarden BMBF-Budget dürfte also noch Etliches draufkommen – allerdings auch für Maßnahmen, die im Detail noch gar nicht absehbar sind. Etwa für die Aufnahme hunderttausender aus der Ukraine geflohener Schüler, Studierender und Wissenschaftler ins deutsche Bildungs- und Wissenschaftssystem. Die dazu nötigen großangelegten Programme fordern unter anderem Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) und Deutsches Studentenwerk (DSW) bereits. Und so wichtig sie sind: Absehbar werden diese Zusatzausgaben den Spielraum für die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ampel-Vorhaben weiter verengen. 

 

Das tun im Übrigen auch automatisch wachsende Tortenstücke wie das jährlich automatisch um drei Prozent steigende Budget für die außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG, das schon für sich allein in vier Jahren mit über einer Milliarde zusätzlich zu Buche schlägt.

 

Das Finanzministerium gibt in Bezug auf den Gesamthaushalt intern schon mal den Sound vor: "Den Prioritäten folgen die Posterioritäten. Für neue bzw. zusätzliche Maßnahmen sind Gegenfinanzierungen durch Umschichtungen und Neupriorisierungen im jeweiligen Einzelplan bzw. Politikfeld vorzunehmen." Und ein Nachtragshaushalt, der den Umgang mit der Ukraine-Krise abbildet, ist schon in Arbeit.

 

Ist das also nun ein bildungs- und forschungsfreundlicher Haushalt, den Finanzminister Lindner da am Mittwoch offiziell vorlegt? Die Antwort auf diese Frage kann man so eindeutig nicht geben. Wie auf so vieles nicht in diesen Tagen. 





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