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Reimund Neugebauer kündigt vorzeitigen Rückzug an

Vorher war bekannt geworden: Der Fraunhofer-Präsident war in dem Imagefilm eines Unternehmens aufgetreten, an dem er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Anteile besaß. Nur der jüngste Vorwurf in einer langen Reihe.

Reimund Neugebauer. Foto: P2jj, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons.

FRAUNHOFER-PRÄSIDENT Reimund Neugebauer hat seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt. In einer an alle gut 30.000 Mitarbeiter der Forschungsorganisation versandten Mitteilung schrieb Neugebauer am Morgen, er beabsichtige, seine Tätigkeit als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft am 30. September 2023 zu beenden. Damit gibt der 69-Jährige seinen Posten einen Jahr vor Ablauf seines Vertrages auf. Die Wahl seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin soll bei der nächsten turnusmäßigen Senatssitzung im Mai 2023 über die Bühne gehen.

 

Gestern hatte sich der Frauhofer-Senat zu seiner Herbstsitzung getroffen. Neugebauers Amtsverzicht vorausgegangen waren neue Vorwürfe, über die ich gestern im Tagesspiegel berichtet hatte. Demzufolge war Neugebauer in dem Imagefilm eines Unternehmens aufgetreten, dessen Anteilseigner er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war. Was in dem Film jedoch keine Erwähnung fand – sehr wohl aber wurde Neugebauer darin als Fraunhofer-Präsident identifiziert. Er selbst hatte den Sachverhalt auf Anfrage im Kern eingeräumt, jedoch betont, bis heute nichts von der Veröffentlichung des Videos im Februar 2021 gewusst zu haben. Bis vor wenigen Tagen war auf der Online-Plattform YouTube abrufbar. 

 

Zu seiner Rolle in dem Imagefilm äußerte sich Neugebauer in seiner Mail heute nicht. Ebenso wenig zu den Ergebnissen einer Prüfung von Spesen- und Repräsentationsausgaben bei Fraunhofer, die das BMBF in den vergangenen Monaten vorgenommen hatte. Das Ministerium hatte mir auf Anfrage mitgeteilt, es habe erneut "Mängel" bei Fraunhofer festgestellt, und zwar unter anderem bei der Umsetzung von Regeln, die das BMBF der Forschungsgesellschaft nach einem kritischen Bundesrechnungshof-Bericht vor einigen Jahren auferlegt hatte. So sei es "zu Besserstellungen von Reisenden gekommen". Den Bericht selbst und weitere Details hat das Ministerium bislang nicht öffentlich gemacht.

 

Bei seiner Prüfung 2016 hatte der Bundesrechnungshof zahlreiche Verstöße beim Umgang mit Haushaltsmitteln dokumentiert, auffallend oft im Zusammenhang mit Neugebauer und immer wieder auch mit seiner Frau. Darunter die Buchung von First-Class-Flügen mit nicht zulässigen Begründungen und die Überschreitung der erlaubten Hotelkosten teilweise um das Dreifache. 

 

Die Liste der neueren Vorwürfe gegen Neugebauer war ebenfalls lang. So  berichtete unter anderem die Wirtschaftswoche vergangenes Jahr unter der Überschrift "Professor Autokrat", Neugebauer und seine Vertrauten gebärdeten sich laut Insidern wie "Hobby-Despoten" und hielten Fraunhofer mit einem "Klima der Angst" im Griff. Fraunhofer und Neugebauer bestritten die Vorwürfe.

 

Derweil hatte auch der Bundesrechnungshof eine neue Prüfung veranlasst und will das Ergebnis voraussichtlich Anfang kommenden Jahres veröffentlichen. 

 

Brachte Neugebauers Imagefilm-Auftritt
das Faß zum Überlaufen?

 

Brachte Neugebauers Imagefilm-Auftritt das Faß nun endgültig zum Überlaufen? Fest steht: Der BMW-Vorstandsvorsitzende Oliver Zipse, Neugebauers Wunschkandidat als neuer Senatsvorsitzender, verzichtete gestern endgültig und bleibt stellvertretender Chef des Aufsichtsgremiums. Neue Vorsitzende wird Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA).

 

In seiner Mail ist Neugebauer voll des Selbstlobs. Seit seinem Amtsantritt 2012 sei die Forschungsgesellschaft von 64 auf 76 Institute gewachsen und von rund 20.000 auf über 30.000 Mitarbeiter. Neue Forschungsfelder wie Energietechnologien, Quantentechnologien, translationale Medizin, Künstliche Intelligenz und Smart Farming seien erfolgreich auf Bundes- und Landesebene  akquiriert und etabliert worden.

 

Seinen vorzeitigen Rückzug begründet Neugebauer damit, dass vorgenommene Governance-Reformen, personelle Neubesetzungen und die Einführung der SAP-Software seiner Einschätzung  in einem Jahr "sehr weit fortgeschritten bzw. abgeschlossen" sein würden, weshalb er ein Jahr früher gehen könne als bei der Verlängerung seines Vertrags vorgesehen.

 

Das BMBF äußerte sich bislang nicht zu Neugebauers Darstellung eines freiwilligen Rückzugs, der bislang durch die Fraunhofer-Gesellschaft offiziell auch noch nicht verkündet wurde. Dafür schrieb der ehemalige BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger, der die Prüfung bei Fraunhofer angestoßen hatte, auf Twitter: "Eine Ära nicht-strategischer, mikropolitisch gesteuerter Forschungsexpansion mit mittelmäßigen Transfer-Erfolg&unter Skandalen endet endlich."

 

Was freilich nicht heißt, dass sich mit Neugebauers Rückzugsankündigung der Aufklärungsbedarf erledigt hat. Im Gegenteil: Die transparente Aufarbeitung der Vorgänge bei Fraunhofer durch den Senat, vor allem aber durchs BMBF muss jetzt erst richtig anfangen.


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Kommentare: 1
  • #1

    Hanns-Peter Bauer (Sonntag, 23 Oktober 2022 14:28)

    Vielleicht gab es da was, dass das Faß zum überlaufen brachte, so dass ihm im Senat die Pistole auf die Brust gesetzt wurde.
    Im Rektorwahlverfahren an der TU Chemnitz (siehe https://www.jmwiarda.de/2021/10/01/mit-einer-falschen-antwort-abgespeist) scheint er als Chef des Hochschulrats ja auch wieder zu mauscheln: Während die lokale Presse am 20. Oktober verkündete, dass demnächst eine Anhörung der durch die Auswahlkommission bestimmten Kandidaten stattfinden würde (https://www.freiepresse.de/chemnitz/in-den-rektor-wahlkrimi-an-der-tu-chemnitz-kommt-bewegung-artikel12493337), kam zwei Tage später die Richtigstellung von der Kommission, dass diese Kandidaten noch gar nicht bestimmt wären.
    Es sieht so aus, als ob Neugebauer sich das vorgesehene Verfahren zurechtbiegen und vollendete Tatsachen in seinem Sinne schaffen möchte.