Der Arzt und Pharmakologe galt als Favorit der großen Universitäten und setzte sich im ersten Wahlgang gegen seinen Gegenkandidaten Oliver Günther durch – allerdings denkbar knapp.
Walter Rosenthal (links) nach seiner Wahl, daneben Bernd Scholz-Reiter, der die HRK-Präsidentschaft kommissarisch übernommen hatte. Foto: HRK.
ES WAR EIN Kopf-an-Kopf-Rennen, doch der Zieleinlauf gelang auf Anhieb. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat am Dienstagvormittag Walter Rosenthal zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Er setzte sich im ersten Wahlgang mit 226 zu 181 Stimmen gegen Oliver Günther durch. Es gab 34 Enthaltungen und neun nicht abgegebene Stimmen. Womit das Ergebnis bei einem Quorum von 450 Stimmen denkbar knapp ausfiel. Zuvor hatten sich beide Kandidaten noch einmal in Bewerbungsreden dem HRK-Plenum in Trier gestellt.
Der 68 Jahre alte Rosenthal ist seit 2014 Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 2022 hatten ihn die ZEIT und das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) zum "Hochschulmanager des Jahres" gekürt. Im Vorfeld der Wahl galt er als Kandidat der großen Universitäten, während Günther, Präsident der Universität Potsdam, unter anderem von den Hochschulen für Angewandte Wissenschaft (HAW) favorisiert wurde. Allerdings zeigten sich beide große Mitgliedergruppen in der HRK zuletzt uneinheitlich in ihrer Stimmung für oder gegen die beiden Kandidaten, so dass ein enger Verlauf erwartet worden war.
Der Arzt und Pharmakologe Rosenthal gilt als profilierter Wissenschaftsmanager. Seit Dezember 2021 war bereits HRK-Vizepräsident für Forschung, wissenschaftliche Karrierewege und Transfer. Zwischen 2009 und 2014 leitete er als wissenschaftlicher Vorstand das Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch. Davor war er Chef des heutigen Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie. Zu den Erfolgen, die Rosenthal in Jena erzielt hat, gehörte die neben Dresden (dreimal) einzige Einwerbung eines Exzellenzclusters durch eine ostdeutschen Hochschule außerhalb Berlins.
Die ersten Glückwünsche per Pressemitteilung kamen denn auch passend vom Verband der großen Forschungsuniversitäten, der German U15. Rosenthal sei "ein hoch geschätzter Kollege und ausgewiesener Wissenschaftsmanager, bestens vernetzt in der universitären wie außeruniversitären Welt", lobte der U15-Vorstandsvorsitzende Georg Krausch. Die deutsche Hochschullandschaft stehe vor herausfordernden Jahren, zwischen Klimaneutralität und ChatGPT, neuen Karrieremodellen und Geopolitik. "Dafür braucht es zukunftsermöglichende Rahmenbedingungen durch die Politik, nicht zuletzt eine ambitionierte Grundfinanzierung. Die HRK ist dafür eine unverzichtbare Stimme, indem sie die gemeinsamen Interessen aller Hochschulen vertritt."
Verteilte Exzellenz und neue Karrierewege
Die Erwartungen an Rosenthal sind also groß, vor allem wird er auch das Vertrauen der HAW gewinnen müssen. In seiner Bewerbungsrede am Morgen hatte er sich denn auch für eine breite HRK in ihrer Vielfalt ausgesprochen, aber ohne vertikale Hierarchie zwischen den Hochschularten. Insgesamt müsse die HRK nach außen sichtbarer und nach innen kooperativer werden. Statt weniger Exzellenzzentren favorisierte Rosenthal Teilnehmenden zufolge eine über Deutschland verteilte Exzellenz und zeigte sich offen für Reformen und mehr Transparenz bei den wissenschaftlichen Karrierewegen. Es müsse auch unbefristete Stellen neben der Professur geben.
In ihrer einzigen öffentlichen Wahldebatte hatten sich Rosenthal und Günther indes zu fast allen Themen ähnlich, teilweise identisch geäußert, wodurch sich jetzt vielleicht die vergleichsweise hohe Zahl an Enthaltungen und die neun nicht abgegebenen Stimmen erklärt. Es fehle an einer wirklichen Alternative, klagten einzelne Unichefs vor der Wahl.
In der von der HRK am Mittag verschickten Pressemitteilung wird der frisch gekürte Präsident mit dem Satz zitiert, er wolle "die einzigartigen Leistungen und die legitimen Interessen der Hochschulen noch besser zur Geltung bringen". Als Organisationszentren der Wissenschaft seien sie von herausragender Bedeutung für Deutschland, "was aber nicht immer ausreichend gewürdigt wird". Die Vielfalt der Hochschulen sei eine große Stärke. "Zugleich müssen wir geschlossen auftreten, wenn wir gehört werden wollen."
Rosenthal folgt auf Peter-André Alt, der die HRK seit 2018 führte und im April zur Wübben Stiftung Wissenschaft wechselte. Zwischenzeitlich hatte der frühere Bremer Unirektor Bernd Scholz-Reiter kommissarisch den HRK-Spitzenposten inne, Rosenthal wird nun kurzfristig von ihm übernehmen. Seine Amtszeit läuft über drei Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Parallel bleibt Rosenthal vorerst im Hauptamt Präsident seiner Universität.
In der HRK sind zurzeit 271 Hochschulen Mitglieder, die je nach Studierendenzahl über eine oder mehrere Stimmen verfügen. Große Hochschulen haben also deutlich mehr Einfluss als kleine. So erklärt sich auch das deutlich höhere Stimmenquorum von 450.
Nachtrag am 10. Mai:
Wie am Morgen bekannt wurde, ist Rosenthals Gegenkandidat Oliver Günther mit sofortiger Wirkung von seinem Posten als HRK-Vizepräsident für Governance, Lehre und Studium zurückgetreten. Günther
bestätigte den Rücktritt, wollte sich aber auch Anfrage zu den Gründen nicht äußern.
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