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Was heißt hier Wettbewerbsnachteil?

Der Zeitgeist gibt eine rationale Debatte nicht her: Baden-Württemberg steht kurz davor, die Studiengebühren für internationale Studierende abzuschaffen.

Illustration: cuteluke / Pixabay.

OFFIZIELL IST DIE ENTSCHEIDUNG noch nicht gefallen, doch das Ende der Studiengebühren für internationale Studierende in Baden-Württemberg ist faktisch besiegelt. Die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU sind dafür, die Wissenschaftsministerin zeigt sich grundsätzlich offen, und jetzt hat auch der unabhängige "Monitoring-Beirat" empfohlen, die Abschaffung zu prüfen. Anlässlich der Gebühreneinführung 2017 gegründet, sollte er die Debatte versachlichen und die Auswirkungen anhand von Daten und Fakten bewerten. 

Umso bemerkenswerter ist, dass das Gremium jetzt als wichtigsten Grund für seine Empfehlung ein rein politisches anführt: dass andere Bundesländer "trotz zwischenzeitlicher Erwägungen" dem Beispiel Baden-Württembergs nicht gefolgt seien – was die innerdeutsche Wettbewerbsposition der baden-württembergischen Hochschulen deutlich verschlechtere. 

 

Es geht also gar nicht darum, ob besonders viele Studierende aus ärmeren Ländern wegblieben (taten sie übrigens nicht, laut Abschlussbericht des Beirats). Auch die eigentlich zentrale Frage, ob die Hochschulen mit ihrem Teil der Gebühren die – überall in Deutschland beschämend hohe – Abbrecherquoten unter internationalen Studierenden drücken konnten, spielte bei der Beirats-Empfehlung keine Rolle. Konnte sie auch nicht, weil die Politik für solche Daten noch zwei, drei Jahre Geduld hätte aufbringen müssen. 

 

Die Regierungsfraktionen wollen jetzt Fakten
schaffen und verweisen auf den Fachkräftemangel

 

Die sie nicht hat. Die Regierungsfraktionen wollen jetzt Fakten schaffen – ein bemerkenswertes parlamentarisches Hin und Her, nachdem der Finanzausschuss des Landtages noch im Oktober 2021 sogar für eine Erhöhung der Gebühren plädiert hatte. Jetzt berufen sich Grüne und SPD vor allem auf die Beobachtung, dass im Südwest-Bundesland die Zahl der internationalen Studierenden in den ersten paar Jahren nach Gebühreneinführung leicht nach unten ging, während sie im Rest Deutschlands teilweise stark stieg (eine Feststellung, die der Finanzausschuss im Herbst 2021 übrigens auch schon hätte machen können).

 

Nicht akzeptabel angesichts des Fachkräftemangels, tönt es auch aus den Wirtschaftsverbänden – die vor Jahren noch für das Bezahlstudium plädiert hatten. Obwohl die Herstellung derart schlichter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge (Studiengebühren=weniger Studienanfänger= weniger Absolventen? )auch ohne Corona und andere intervenierende Variablen (etwa die Entwicklung bis 2017) bei einem so kurzen Zeitraum zumindest als mutig zu bezeichnen ist. 

 

Hierzu versucht der Monitoring-Beirat mit seinem Bericht etwas Differenzierung beizusteuern. Wobei zur Wahrheit gehört, dass es in dem Gremium von Anfang an ein Gegenüber von Gebührengegnern, -skeptikern und -befürwortern gab. Doch auch Letztere strecken jetzt die diskursiven Waffen angesichts eines politischen Zeitgeists, der eine rationale Debatte des Gebührenthemas in Deutschland nahezu unmöglich macht. Und wichtige Argumente ungehört bleiben – etwa, dass von sozial abgefederten Gebühren vor allem benachteiligte Studierende profitieren, weil ihre Betreuung besser wird. Oder dass man für den Fortbestand der Gebühren ja verlangen könnte, dass sie vollständig den Studierenden zugute kommen. 

 

Im Zweifel über den Preis konkurrieren,
nicht über die Qualität

 

Wie rational die dezidiert betonten Erwartungen des Monitoring-Beirats sind, dass die Landesregierung den Hochschulen die Einnahmeverluste einer Abschaffung auf jeden Fall kompensieren müsse, zugunsten der internationalen Studierenden, kann und muss man angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte auch in Baden-Württemberg hinterfragen. Der Meinung scheint Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) ebenfalls zu sein, wenn sie in Richtung Regierungsfraktionen warnt, das Gebühren-Aus sei überhaupt nur unter diesen Umständen "verantwortbar".

 

Klar ist: Baden-Württembergs Standing im internationalen Wettbewerb nicht um die meisten, aber um die begabtesten Studierenden wird die Abschaffung nicht befördern. Doch schließt man sich der Gebührenlogik im Rest der Republik an: im Zweifel über den Preis konkurrieren, nicht über die Qualität

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen Drei.


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