Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien übt scharfe Kritik an Bettina Stark-Watzinger: Die BMBF-Chefin stelle mit Scheinargumenten und populistischen Vorwürfen den Digitalpakt 2.0 in Frage, gleichzeitig sage der Bund mehrere Verhandlungstermine ab. "Eine klare Stellungnahme" Stark-Watzingers sei jetzt Voraussetzung für weitere Verhandlungen mit dem Bund – "auf allen Feldern".
Karin Prien (CDU) ist seit 2017 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holsteins, seit 2022 stellvertretende CDU-Vorsitzende und seit Januar 2024 Koordinatorin der Unions-Bildungspolitik in den Ländern. Foto: Frank Peter.
Frau Prien, als Anfang Februar Bund und Länder nach langwierigen Verhandlungen das Startchancen-Programm endlich besiegelten, sagten Sie: Die Zustimmung der Länder sei auch deshalb möglich geworden, weil der Bund ein "deutliches politisches Zeichen für den Digitalpakt 2.0" gegeben habe und auch hier "substanzielle Fortschritte" hätten erzielt werden können. Jetzt herrscht wieder maximale Aufregung unter den Ländern. Was ist passiert?
Für uns war immer klar, dass für den Bildungsstandort Deutschland sowohl das Startchancen-Programm als auch der Digitalpakt von existenzieller Bedeutung sind. Dass wir also beide brauchen. Wir haben lange auf ein eindeutiges Bekenntnis der Bundesministerin zum Digitalpakt 2.0 gewartet und dann darauf vertraut, dass das, was Bettina Stark-Watzinger den Ländern am 31. Januar zugesichert hat, ein solches Bekenntnis war. Teil der Zusicherung war ein fester und verbindlicher Zeitplan, der als letzten Schritt den Abschluss der Verhandlungen zum Digitalpakt bis zum 15. Mai beinhaltete. Jetzt müssen wir Länder feststellen, dass der Bund einseitig von unseren Verabredungen Abstand genommen hat, den Zeitplan nicht mehr einhält und darüber hinaus die bereits gefundenen inhaltlichen Übereinstimmungen wieder in Frage stellt.
Bitte konkret: Was hält der Bund nicht ein?
Diverse Verhandlungstermine auf Arbeitsebene, die Teil des verabredeten Zeitplans waren, sind abgesagt worden. Anders als angekündigt will der Bund offenbar auch nicht mehr bis diese Woche den finanziellen Betrag nennen, den er pro Jahr in den neuen Digitalpakt investieren will. Wenn die Bundesministerin dann auch noch in Interviews völlig neue Forderungen an die Länder in den Raum stellt verbunden mit dem Scheinargument, die Digitalisierung sei über den Digitalpakt in den Schulen kaum vorangekommen, dann ist die Botschaft offensichtlich.
Welche neuen Forderungen?
Frau Stark-Watzinger will mit einem Mal die vom Bund nicht ausfinanzierten "Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten" über den Digitalpakt 2.0 laufen lassen, obwohl es da aus Sicht der Länder keinen inhaltlichen Zusammenhang gibt. Übrigens hatte sie das Geld, das die Weiterführung der Kompetenzzentren über 2025 hinaus kosten wird, sonst immer auf großer Bühne als Argument genannt, warum der Bund die Qualitätsoffensive Lehrerbildung nicht weiter finanzieren wollte. Noch absurder, ja populistisch wird es, wenn die Ministerin plötzlich den Ländern vorwirft, die 10-prozentige Kofinanzierung des Digitalpakts 1.0 sei von den Kommunen getragen worden. Als ob das eine neue Erkenntnis wäre. Dass die Kommunen die Infrastruktur an den Schulen finanzieren, ist gesetzlich so geregelt, und die Länder haben dafür verabredungsgemäß hunderte von Millionen in die digitale Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte gesteckt, in die Anschaffung neuer Software und die Weiterentwicklung digitaler Unterrichtsmethode. Insofern zeugen Frau Stark-Watzingers Statements entweder von erstaunlicher Unkenntnis, oder es handelt sich um bewusste Falschaussagen.
"Es steht zu befürchten, dass der Bundesministerin die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Doch anstatt nach Lösungen zu suchen, versucht sie öffentlich, andere Gründe vorzuschieben, um aus ihrer Zusage für den Digitalpakt herauszukommen."
Sie sprechen von einer Botschaft der Bundesministerin, die offensichtlich sei. Welche ist das?
Es steht zu befürchten, dass der Ministerin die für die Digitalpakt-Fortsetzung erforderlichen zusätzlichen Mittel in Milliardenhöhe nicht zur Verfügung stehen – weil sie diesbezüglich bislang keinen Erfolg in den Haushaltsverhandlungen hatte. Wir alle kennen die extrem angespannte Finanzlage in Bund und Ländern. Doch anstatt dies intern einzuräumen und im Austausch mit uns Kultusministern nach Lösungen zu suchen, versucht sie öffentlich, andere Gründe vorzuschieben, um aus ihrer Zusage für den Digitalpakt herauszukommen.
Ist das Ziel, bis Mitte Mai einen unterschriftsreifen Vertrag zu haben, damit in Ihren Augen hinfällig?
Ich hoffe das nicht! Ich hoffe immer noch, dass der Bund diese Zusage einhält. Dazu gehört allerdings auch, dass die bisherigen Verhandlungsergebnisse gelten, anstatt in Frage gestellt zu werden, und dass jetzt nur noch über die Details der Finanzierung verhandelt werden muss.
"Ohne Vertrauen funktioniert Politik im Föderalismus nicht. Und gleichzeitig redet Frau Stark-Watzinger immer davon, dass sie mehr Mitspracherechte für den Bund in der Bildung haben möchte."
Lange wollten die unionsregierten Länder Startchancen und Digitalpakt 2.0. zu einem Junktim verbinden, das heißt: beide nur gleichzeitig abschließen. Wären Sie besser bei dieser Haltung geblieben?
Wenn der Zeitplan und die gefundenen inhaltlichen Kompromisse jetzt nicht mehr gelten sollten, wäre das ein knallharter Vertrauensbruch durch Ministerin Stark-Watzinger. Der Föderalismus erleidet durch solche Aktionen einen weiteren Reputationsschaden. Insbesondere der kooperative Bildungsföderalismus kann nur gelingen, wenn alle Seiten sich auf ein gegebenes Wort verlassen können. Ohne Vertrauen funktioniert Politik im Föderalismus nicht. Und gleichzeitig redet Frau Stark-Watzinger immer davon, dass sie mehr Mitspracherechte für den Bund in der Bildung haben möchte.
Stellen die Unionsminister als Konsequenz jetzt wiederum das Startchancen-Programm in Frage? Es gilt erst, wenn alle Länder es ratifiziert haben.
Für Donnerstag hat Frau Stark-Watzinger ihren Besuch in der Kultusministerkonferenz angekündigt. Wir werden von ihr eine klare Stellungnahme einfordern und davon die weiteren Verhandlungsschritte mit dem Bund abhängig machen. In allen Feldern.
In eigener Sache: Es geht so nicht mehr
Dieser Blog hat sich zu einer einschlägigen Adresse der Berichterstattung über die bundesweite Bildungs- und Wissenschaftspolitik entwickelt. Doch wirtschaftlich steht die Idee seiner freien Zugänglichkeit vor dem Scheitern.
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