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Was Hochschulleitungen leisten können – und was nicht

Inmitten der aufgeregten politischen Debatten stehen Rektorate und Präsidien unter Druck, Partei zu ergreifen. Doch sie können und sollten nicht stellvertretend für Politik agieren. Ein Gastbeitrag von Ute Clement und Sonja Buckel.

UNIVERSITÄTEN SIND NICHT NUR Orte der Erkenntnis und des Wissenserwerbs. Sie sind auch öffentliche Räume, in denen junge Menschen sich und ihre Erkenntnisse aus dem Studium in gesellschaftlichen Debatten erproben. In Zeiten multipler Krisen und aktuell ganz besonders durch den Krieg in Nahost, werden gerade hier gesellschaftliche Konflikte sichtbar – entschiedener und lauter als dies an anderen Orten der Fall ist. Mitunter werden dabei rote Linien der Diskussion überschritten, sowohl inhaltlich, wie auch in der Form der Interaktion. Jeweils im Einzelfall muss abgewogen werden, welche Proteste es auszuhalten und wo es einzugreifen gilt.

 

Hochschulleitungen haben die Aufgabe, solche politischen Auseinandersetzungen zu begleiten, sie in Dialoge zu überführen, den Wert differenzierter Sichtweisen und unterschiedlicher Perspektiven zu betonen und Grenzen zu setzen, wo dies nicht möglich ist bzw. Recht gebrochen wird. Doch der Raum für differenzierte politische Diskurse an Universitäten erodiert ebenso, wie dies in anderen öffentlichen Räumen der Fall ist. Auseinandersetzungen finden nicht mehr im geschützten Diskursraum statt, sondern werden schonungslos und unreflektiert von sozialen Medien aufgegriffen.

 

Die Regeln des demokratischen Diskurses
werden nicht beachtet

 

Für den Austausch differenzierter Argumente ist dieses Medium  ungeeignet. Jede noch so kleine Gruppe innerhalb und außerhalb der Universität kann ihre Sicht prominent platzieren. Insbesondere aggressive und polarisierende Posts eignen sich für hohe Klickzahlen und Empörungswellen. In hoher Geschwindigkeit werden Gegenpositionen formuliert, die dann wiederum Anlass für weitere Skandalisierung innerhalb und außerhalb der Hochschule bieten. Der mediale Schlagabtausch mit dem Ziel, die eigene Sichtbarkeit zu steigern, macht wütend und ängstlich, denn die Regeln des politischen demokratischen Diskurses werden dabei nicht beachtet.  

 

So geraten Universitäten in Gefahr, Spielball populistischer Bewegungen zu werden. Und solche Bewegungen nutzen die je aktuellen Skandale dazu, um den Wert von Wissenschaft und Universitäten insgesamt herabzuwürdigen – ein offenbar beliebter politischer Trend in aufgeregten Zeiten.

Hochschulleitungen stehen in dieser Situation im Scheinwerferlicht und werden genötigt, Partei zu ergreifen. Doch sie können nicht stellvertretend für Politik agieren. Universitätsleitungen sind keine Mandatsträgerinnen, deren Funktion es ist, sich realpolitisch zu positionieren. Nur mit der notwendigen Distanz gegenüber den jeweiligen Parteien können sie ihrer Rolle gerecht werden.

 

Was Hochschulen nicht brauchen, sind markige
Kommentare von der Seitenlinie

 

Universitäten haben das Potenzial für differenzierte Sichtweisen, Einordnungen und Impulse, von denen Gesellschaft und Politik enorm profitieren. Doch dazu benötigen die Hochschulen Vertrauen, den Rückhalt der Gesellschaft und der Politik, gerne aus der Nähe und im Dialog. Was sie nicht brauchen, sind markige Kommentare von der Seitenlinie. Vollkommen abträglich sind öffentliche Forderungen, in denen Hochschulleitungen pauschal aufgefordert werden, eine Perspektive dezidiert einzunehmen und "hart durchzugreifen".  Da entsteht schnell der Verdacht, dass es weniger um die Sache selbst geht als vielmehr darum, Empörungsspiralen für eine eigene politische Agenda zu nutzen.

 

In der Debatte um den Umgang mit politischen Konflikten an Universitäten geht es auch um grundlegende Fragen des demokratischen Zusammenlebens, des Respekts vor anderen und der Notwendigkeit unabhängiger und kritischer Wissenschaft. Dies sollten wir im Blick behalten.

 

Ute Clement ist Präsidentin, Sonja Buckel Vizepräsidentin der Universität Kassel.



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Kommentare: 2
  • #1

    Hmm (Samstag, 11 Mai 2024 19:35)

    Der Beitrag bleibt sehr abstrakt. In dieser Form kann man natürlich leicht zustimmen. Spannend wird es aber, wenn es ans Konkrete geht. Etwa die jüngsten Auseinandersetzungen an den Berliner Universitäten. Wie würden die Autorinnen denn nun ihr Haltung im Fall der FU Berlin und der HU Berlin konkretisieren?

  • #2

    Johannes Altenbach (Sonntag, 19 Mai 2024 08:20)

    Ich bin dafür, daß wir dagegen sind.