Heute präsentiert Anja Karliczek ihr "Grundsatzpapier Wissenschaftskommunikation". Warum das BMBF nur noch Forschungsprojekte fördern will, die auch Wissenschaftskommunikation betreiben, und wie die Forschungsministerin die Chefs der Wissenschaftsorganisationen in die Pflicht nehmen will: ein Interview.
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU). Foto: re:publica - CC BY-SA 2.0.
Frau Karliczek, als Sie im März 2018 zur Wissenschaftsministerin berufen wurden, haben Sie gesagt, Sie müssten sich erst einarbeiten, und haben sich mit inhaltlichen Aussagen zurückgehalten. Mit einer Ausnahme: der Wissenschaftskommunikation. Deren Bedeutung haben Sie vom ersten Tag an betont. Warum?
Viele empfinden, dass unsere Welt immer komplizierter wird. Gründe sind die Globalisierung und der technologische Fortschritt. Nicht wenige Menschen fühlen sich durch diese Komplexität überfordert. Sie suchen nach Antworten. Ich bin davon überzeugt, dass die Wissenschaft den Menschen gerade in dieser Hinsicht Orientierung geben kann.
Wissenschaftler als Welterklärer?
Das ist doch seit jeher Anspruch von Wissenschaft. Die Wissenschaft ist eine tragende Säule der Gesellschaft. Zugleich ist sie für die Politik Ratgeber und liefert Wissen und Fakten für politische Entscheidungen. Wichtig ist dafür, dass Wissenschaft ihre Erkenntnisse verständlich kommuniziert. Und dabei geht es nicht nur um die Erkenntnisse, das fertige Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch um den Weg dahin. Das stärkt Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft. Und nicht zuletzt auch in die Prozesse in der Demokratie.
"Die Wissenschaft sollte schon auch ein Eigeninteresse an einem guten Dialog mit der Gesellschaft haben."
Das klingt alles sehr selbstlos: Wissenschaftskommunikation für das Wohl der Menschen und der Gesellschaft?
Wissen verpflichtet. Die Wissenschaft sollte schon auch ein Eigeninteresse an einem guten Dialog mit der Gesellschaft haben. Dialog schafft Vertrauen. Und nicht zuletzt wird die Wissenschaft von Bürgerinnen und Bürgern ja auch in weiten Teilen finanziert.
Sie haben seit Ihrem Amtsantritt zu Expertengesprächen eingeladen, Ihr Ministerium hat bei Wissenschaftskommunikatoren, Journalisten und Medienfachleute Ideen gesammelt und Analysen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis liegt seit heute Morgen vor. "Grundsatzpapier Wissenschaftskommunikation" heißt es. Was ist für Sie die wichtigste Aussage darin?
Wir möchten mehr Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Die Bürgerinnen und Bürger sollen das Gefühl haben, dass sich Wissenschaft öffnet und über ihre Arbeit in den Austausch geht. Das bedeutet, dass die Wissenschaft auch immer bereit ist, Impulse aus der Gesellschaft aufzunehmen. Dieser Austausch wird dafür sorgen, dass Diskussionen faktenbasierter werden. Damit kann Wissenschaftskommunikation einen entscheidenden Beitrag dafür leisten, dass sich Diskussionen versachlichen in einer Gesellschaft, die zurzeit zum Teil sehr aufgewühlt ist. Mein Haus möchte diesen Dialog noch intensiver unterstützen.
Wie wollen Sie die Wissenschaftskommunikation denn künftig konkret unterstützen?
Wir werden den intensiven Dialog über die Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation fortsetzen. Und wir tun das, indem wir eine Denkwerkstatt schaffen. Hier möchten wir mit den Chefs der Wissenschaftsorganisationen und mit Experten aus der Wissenschaftskommunikation, dem Wissenschaftsjournalismus und auch aus der Politik über Aufgaben und Ziele diskutieren und auch sagen, wer was bereits leistet und künftig tun kann.
"Das Thema in den Chefetagen der Wissenschaft zu verankern, ist der eigentliche Kulturwandel."
Diese Denkwerkstatt hat in Ihrem Papier einen schmissigen Namen: #FactoryWisskomm. Ansonsten hinterlässt sie bei mir Fragezeichen. Haben Sie und Ihr Ministerium nicht gerade jahrelange Diskussionsrunden zum Thema hinter sich, ist das Papier nicht ein Ergebnis dieser Diskussionsrunden? Und dann jetzt noch ein Arbeitskreis? Wollen Sie ewig weiterdiskutieren?
Der Unterschied ist, dass wir jetzt von den Arbeitsebenen in die Chefetagen wechseln. Denn dort gehört das Thema Wissenschaftskommunikation hin. Es dort zu verankern, ist der eigentliche Kulturwandel. Und ich kann nur sagen: Es ist jetzt wirklich Zeit für diesen Kulturwandel. Wissenschaftskommunikation wird immer wichtiger – schauen Sie sich doch die jüngsten gesellschaftlichen Debatten über den Klimawandel an. Diese Debatten zeigen doch wie die Gesellschaft empfänglich für Erkenntnisse der Wissenschaft. Fridays-for-Future hätte es sonst nicht gegeben.
Was für Themen wollen Sie mit den Chefs besprechen?
Für mich zentral ist zum Beispiel die Frage, wie ein Engagement für Wissenschaftskommunikation karriereförderlicher werden kann. Das A und O ist und bleibt natürlich die wissenschaftliche Exzellenz. Aber hier sehe ich keinen Widerspruch. Die Antworten und Wege für eine bessere Wissenschaftskommunikation müssen vor allem von der Wissenschaft selbst formuliert werden. Es wäre auch gut, wenn das Thema in der Aus- und Weiterbildung aufgegriffen wird. Unser Ziel ist, innerhalb von einem Jahr Ergebnisse in der Factory zu erarbeiten.
In Ihrem Grundsatzpapier wird stolz darauf verwiesen, dass die Wissenschaftskommunikation schon jetzt "Aufnahme in den Pakt für Forschung und Innovation gefunden" habe. Glauben Sie, das kratzt die Chefs der Forschungsorganisationen wirklich?
Wir haben in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, wie wichtig uns der Kulturwandel in der Wissenschaft ist. Die Gesprächspartner haben das sicher auch registriert. Ich sitze mit den Präsidenten der Organisationen regelmäßig zusammen, und ich habe ihnen in gefühlt jeder Runde deutlich gemacht, dass die Wissenschaftskommunikation für mich keine Petitesse ist, sondern jetzt jeder und jede in der Wissenschaft gefordert ist, in den Dialog mit der Gesellschaft einzutreten. Ich weiß auch, dass meine Forderung nicht überall in der Wissenschaft auf Gegenliebe stößt. Ich kann das sogar in Teilen nachvollziehen, weil unser Anliegen auch Auswirkungen auf ihre Arbeit hat.
"Jeder und jede in der Wissenschaft ist gefordert,
in den Dialog mit der Gesellschaft zu treten."
Und was können Sie als Politik schon jetzt tun, während die Denkwerkstatt noch berät?
Künftig wird die BMBF-Förderung immer auch Wissenschaftskommunikation als ein Querschnittsthema beinhalten. Ein gewisser Teil der Ressourcen muss künftig für die Wissenschaftskommunikation verwandt werden. In einem Forscherteam könnte doch zum Beispiel ein Kollege oder eine Kollegin sich in den sozialen Medien bewegen und dort das Projekt kommunizieren.
Von was für einem Anteil reden wir? Der Chef des Berliner Museums für Naturkunde, Johannes Vogel, hat einmal gefordert, es müsste von der Politik ein fester Prozentsatz der Fördermittel in jedem Projekt für die Wissenschaftskommunikation reserviert werden.
Einen festen Prozentsatz möchten wir nicht vorgeben. Kommunikation muss ja auch nicht immer viel Geld kosten. Entscheidender ist, dass für diese wichtige Aufgabe genügend Kapazität geschaffen wird. Sie muss von Anfang an mitgedacht werden. Manch ein Thema wird zum Beispiel komplizierter und damit aufwändiger zu kommunizieren sein als ein anderes. Außerdem entwickeln sich Kommunikationsformate immer weiter.
Aber fest steht: Künftig kommt kein Wissenschaftler, der Forschungsgelder haben will, mehr um das Thema Kommunikation herum?
Genau. Im Augenblick betreiben manche schon heute eine sehr aktive Kommunikation, weil sie ohnehin eine Leidenschaft dafür haben. Andere scheuen sich eher davor. Damit komme ich erneut auf diesen grundlegenden Kulturwandel zu sprechen. Es gibt neben tollen Formaten wie Science Slams und Langen Nächten der Wissenschaft so viele Möglichkeiten und Kanäle, um in einen Dialog mit den Menschen zu gehen. Wir signalisieren eben auch über die Forschungsförderung: Kommunikation ist ein Zukunftsthema! Und eine Folge sollte sein: Wissenschaftliche Karrieren können auch über das Engagement in der Wissenschaftskommunikation angeschoben werden.
In dem Grundsatzpapier wird auch die Förderung einer neuen Online-Plattform angesprochen. Wofür soll die gut sein?
Wenn wir mehr Wissenschaftskommunikation einfordern, haben wir gleichzeitig im Blick, wie die Qualität von Wissenschaftskommunikation gesichert werden kann. Um verlässliche Aussagen darüber zu ermöglichen, werden wir die Forschung über Wissenschaftskommunikation ausbauen. Leitfragen sind: Wie funktioniert Wissenschaftskommunikation am besten? Was wirkt? Wie erreiche ich unterschiedliche Zielgruppen? Seit Oktober arbeitet "Wissenschaft im Dialog" mit unserer Förderung am Aufbau einer Plattform für Evaluation und Wirkungsmessung von Formaten der Wissenschaftskommunikation. Über diese Plattform sollen Tools zur Verfügung gestellt werden, die es Akteuren der Wissenschaftskommunikation ermöglichen, ihre Formate selbst besser auszuwerten und mit anderen zu vergleichen.
"Das hat natürlich auch Folgen
für die Wissenschaftsjournalisten."
Der größte Teil des Grundsatzpapiers besteht übrigens im Aufzählen und Anpreisen von Altbekanntem: den Wissenschaftsjahren zum Beispiel. Auch der Partizipationsprozess in der Hightechstrategie darf nicht fehlen, dann wird noch die Weiterförderung der Bürgerwissenschaft (Citizen Science) angekündigt. Was ist hier die Botschaft? Dass das meiste schon ganz toll läuft in der Wissenschaftskommunikation oder dass dem BMBF wenig Neues eingefallen ist?
Es zeigt, wie vielfältig das, was wir haben, schon ist. Und wie zugeschnitten die einzelnen Angebote für die jeweilige Zielgruppe sind. Die MS Wissenschaft als schwimmendes Science Center ist ein tolles Angebot für Schulklassen, Familien und andere Interessierte im ganzen Land. Die Bürgerwissenschaften wiederum bieten die Gelegenheit zum Mitforschen, wenn es zum Beispiel um das Zählen von Insektenbeständen geht. Und dann gibt es wiederum neue Orte der Begegnung in und mit der Wissenschaft. Als ich hier im Ministerium anfing, wurde nebenan gerade das Futurium gebaut, und ich war schon sehr gespannt. Ich bin unheimlich froh, dass wir direkt neben dem Hauptbahnhof einen Ort haben, um Debatten über Wissenschaft zu führen.
Was ist eigentlich mit dem Gegenpart zur Wissenschaftskommunikation, dem Wissenschaftsjournalismus? Der wird in Ihrem Papier kurz in seiner Unabhängigkeit gepriesen, dann aber weitgehend ignoriert.
Der Wissenschaftsjournalismus ist immens wichtig. Wissenschaftsjournalisten leisten täglich große Übersetzungsleistung von der und für die Wissenschaft in die Gesellschaft. Sie sind oft Fachleute in einer ganz bestimmten Wissenschaftsdisziplin, hochspezialisiert. Wir ermuntern Wissenschaftlerinen und Wissenschaftler, sich mehr in die Medienwelt hinauszuwagen. Das hat natürlich auch Folgen für die Wissenschaftsjournalisten. Sie werden gewissermaßen als Sparringspartner noch mehr gefragt sein.
Journalisten wollen aber nicht Sparringspartner sein, sie wollen in einem Mediensystem arbeiten, das ihre Arbeit finanzieren kann. Die Schieflage, dass die Wissenschaftskommunikation zusätzliche Mittel erhält, während dem Wissenschaftsjournalismus die Geschäftsgrundlage wegzubrechen droht, wird immer offensichtlicher. Könnte das BMBF dann nicht auch eine unabhängige Stiftung für den Wissenschaftsjournalismus fördern?
Ich weiß, dass der Wissenschaftsjournalismus insgesamt in einer schwierigen Lage ist. Das gilt auch für andere Bereiche des Qualitätsjournalismus. Bei staatlicher Förderung von Medien ist aber Vorsicht geboten. Ich bin – um es deutlich zu sagen – aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen. Das Grundgesetz garantiert die Unabhängigkeit der Medien. Eine Förderung des Staates ist vor diesem Hintergrund problematisch. Auch eine nur indirekte Förderung von Journalismus könnte den Verdacht aufkommen lassen, der Staat würde die Medien beeinflussen. Das wäre gerade in der heutigen Zeit, in der ohnehin schon nicht wenige Menschen meinen, dass die Medien nicht objektiv seien, nicht gut. Nein, für viel sinnvoller halte ich Einrichtungen wie beispielsweise das Science Media Center, dass Wissenschaft und Journalismus zusammenbringt. Übrigens, mehr Wissenschaftskommunikation bietet durchaus mehr Chancen für Medienfachleute. Ich glaube, am Ende werden alle davon profitieren, wenn wir die Wissenschaftskommunikation stärken: Die Wissenschaft, die Wissenschaftsjournalisten, aber vor allem die Gesellschaft.
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Klaus Diepold (Donnerstag, 14 November 2019 10:37)
das klingt alles ganz nett, aber ich muss mich doch ein bisschen am Kopf kratzen und darüber rätseln was das Ganze soll.
Wenn es darum geht, der Öffentlichkeit zu zeigen wie wichtig die Wissenschaft ist und welche Erklärungen sie anzubieten hat, dann wäre es ein gutes Zeichen, wenn die Politik ein klares Bekenntnis zur Wissenschaft macht und dann ein Klimapaket formuliert, dass diesen Namen auch verdient. Wenn Minister nicht die technische-wissenschaftlichen Grundlagen z.B. für die erneuerbaren Energien vom Tisch wischen und sich von der Wissenschaft entfernen.
Und Wissenschaftskommunikation erfordert Kompetenz und Geld! So einfach mal ein hübsches wissenschaftliches Ergebnis für die Öffentlichkeit aufzubereiten wird nicht reichen. Die Beiträge dazu, die es gibt werden auch heute schon ignoriert (siehe mal die Clickzahlen bei entsprechenden Inhalten). Und jetzt über die Chefebene Druck zu machen - finde ich wenig kreativ. Mich nervt's.
Joachim Ludwig (Donnerstag, 14 November 2019 10:50)
Leider erwähnt das BMBF-Papier zur Wissenschaftskommunikation eine wichtige Kommunikationssäule nicht, die seit langem existiert: die wissenschaftliche Weiterbildung der Hochschulen. Das sind Kommunikations- und Vermittlungsangebote der Hochschulen, an denen sich Praktiker mit wissenschaftlichem Wissen auseinandersetzen können. Bekanntermaßen fließt wissenschaftliches Wissen nicht einfach per Information in die Köpfe der Menschen. Erfolgreiche Vermittlung bedarf häufig intensiver Verständigungsprozesse. Für die wissenschaftliche Weiterbildung gilt ähnliches wie für den Wissenschaftsjournalismus: die Hochschulen erhalten für die wissenschaftliche Weiterbildung kaum staatliche Finanzierung.
Frager (Donnerstag, 14 November 2019 11:50)
Wie genau soll denn die wissenschaftliche Karriere nun auch mit Wissenschaftskommunikation befördert werden? Alle, die noch keine Professur haben, müssen doch vor allem publizieren.
tmg (Donnerstag, 14 November 2019 12:29)
Es wird darauf hinauslaufen, dass noch mehr pseudowissenschaftliches Geblubber produziert wird als es jetzt schon auf den Webseiten deutscher Universitäten zu besichtigen ist. Ob damit der Gesellschaft gedient ist?
Tristram Shandy (Donnerstag, 14 November 2019 16:11)
Hmm.
Ich stolpere über "Einen festen Prozentsatz möchten wir nicht vorgeben. Kommunikation muss ja auch nicht immer viel Geld kosten. Entscheidender ist, dass für diese wichtige Aufgabe genügend Kapazität geschaffen wird. Sie muss von Anfang an mitgedacht werden."
In zweifacher Hinsicht.
Einerseits: Es gibt für Zielgruppen außerhalb der Wissenschaft mehr oder weniger relevante Wissenschafts-Themen. Müssen jetzt alle immer mitdenken, wie sie das, was sie machen, nach außen tragen?
Andererseits könnte man da herauslesen: Ihr bekommt die Aufgabe, mehr zu kommunizieren, aber Geld / Stellen gibt's dafür nicht oder nicht immer. Merke: Kapazitäten = Finanzierung.
Ausgetümmelt (Donnerstag, 14 November 2019 18:47)
Wie soll sich das auswirken in der Förderung bewährter Förderungsformen wie SFB'e, GRK's ? Die Bedingungen hierfür haben sich doch mittlerweile derart "verfeinert", daß bereits Sekundär- und Tertiär-Kriterien über Erfolg oder Nichterfolg entscheiden. Dabei gibt es längst solche
Punkte wie "public outreach" etc. Ich denke, diese Initiative des BMBF ist pure Fassaden-Malerei. Aber was
erwartet man von einem Ministerium, daß gründliche Arbeit von Experten wie der Imboden-Kommission in Bezug auf die unsägliche 3. Stufe der Exzellenz-Initiative
einfach vom Tisch wischt. Insofern liest man die wenig zimperlichen Fragen des Interviewers mit großem Vergnügen.
Kapazitäten (Freitag, 15 November 2019 09:48)
Was ich lese: Die Ministerin will, dass die Wissenschaft mehr kommuniziert. Geld und Stellen gibt es nicht. Ich zitiere: „In einem Forscherteam könnte doch zum Beispiel ein Kollege oder eine Kollegin sich in den sozialen Medien bewegen und dort das Projekt kommunizieren.“ Geht das dann wie Planerfüllung in der DDR? Genügt ein Tweet ohne Follower?
Bei so viel Unverständnis im Ministerium über Kommunikation geht mir echt der Hut hoch.
Mannheimer Studi (Freitag, 15 November 2019 13:27)
Ich muss sagen, dass mir das Thema Wissenschaftskommunikation immer wieder begegnet und ich bin immer wieder gezwungen mein Unverständnis über die Aufregung festzustellen.
Ich denke ein Paradebeispiel von guter Wissenschaftskommunikation könnte der Youtube Kanal "numberphile" und auch viele andere Kanäle von Brady Haran sein. Dort gibt es Videos mit Mathematikern und Wissenschaftskommunikatoren (Sagt man das so im Deutschen? Science Communicator im Englischen...), die massive Resonanz finden. Und das bei Grundlagenforschung.
Brady Haran gibt übrigens an, dass es für viele der Forscher oft nur wenig Zeit beansprucht mit ihm ein Video zu drehen. Er sagt auch, dass viele gerne Bereit sind mit ihm einige, wenige Stunden zu verbringen, weil sie die Videos mit Zuschauerzahl im nächsten Drittmittelantrag angeben können und das natürlich gut ankommt. Insgesamt scheint das Thema in Großbrittannien und den USA einfach viel weniger Aufregung zu verursachen. Im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die Protagonisten der Videos Spaß daran haben und es hat sogar schon neue Forschungsarbeiten wegen der Videos gegeben (siehe die Videoreihe über Zahlen, die als Summe dreier Kubikzahlen ausgedrückt werden kann.)
tmg (Freitag, 15 November 2019 14:41)
@Mannheimer Studi:
ich fürchte, Sie verstehen nicht, was Grundlagenforschung in Mathematik ist. Jedenfalls nicht das, was in den (gutgemachten) Videos von Brady Haran vorgestellt wird.
Edith Riedel (Freitag, 15 November 2019 18:42)
"Ein gewisser Teil der Ressourcen muss künftig für die Wissenschaftskommunikation verwandt werden. In einem Forscherteam könnte doch zum Beispiel ein Kollege oder eine Kollegin sich in den sozialen Medien bewegen und dort das Projekt kommunizieren".
Gerade so funktioniert Wissenschaftskommunikation ganz gewiss nicht. Die Vorstellung, dass innerhalb eines Teams von Forscher*innen einer / eine für die Wissenschaftskommunikation abgestellt wird, ist atemberaubend weit an der wissenschaftlichen Realität vorbei gedacht. Das Team forscht und publiziert und eine / einer erledigt (nebenher? hauptamtlich?) die Wissenschaftskommunikation? Das geht nur als komplettes Team, und mit einem / einer Science Communicator, der /die den wissenschaftlichen Input professionell aufarbeitet und an die interessierte Öffentlichkeit heranträgt. Ganz abgesehen davon, dass Kommunikation in den sozialen Medien nur ein kleiner und immer unwichtiger werdender Teil der Wissenschaftskommunikation ist.
Klaus Diepold (Samstag, 16 November 2019 11:50)
der Bayerische Landtag beauftragt eine Studie zur Homöopathie. Die Wissenschaftsministerin hat auch schon "wissenschaftliche" Studien zu fragwürdigen Themen öffentlichkeitswirksam beauftragt. Die Bundesregierung verabschiedet ein Klimapaket. Bei all diesen Fällen demonstriert die Politik eine weitgehende Unwissenheit über den Charakter und den Wert der Wissenschaft. Da kann ich viel über Wissenschaft kommunizieren, bis ich den damit in der öffentlichen Wahrnehmung der Wissenschaft erzeugten Schaden wieder gut mache. Für mich passen hier Anspruch und Wirklichkeit nicht zusammen.
Mannheimer Studi (Samstag, 16 November 2019 13:59)
@tmg: Möglich. Oder Sie irren sich und zB die Video Serien zur Twin Prime Conjecture oder Summe dreier Kubikzahlen geben tatsächlich aktuelle Entwicklungen in der Forschung zu diesen Problemen wieder. Angewandte Forschung ist jedenfalls sicher nicht.
Vielleicht liegt das Missverständnis aber auch anders: Ich habe nie behauptet, dass alle Videos von Numberphile Bezug zu Grundlagenforschung hätten. Wie sollten Sie auch. So funktioniert Wissenschaftskommunikation eben nicht, aber das wissen Sie sicher.
AS (Dienstag, 19 November 2019 20:44)
"Kommunikation muss ja auch nicht immer viel Geld kosten. Entscheidender ist, dass für diese wichtige Aufgabe genügend Kapazität geschaffen wird."
Faszinierend. Es ist doch derzeit schon so, dass die Unis nur durch Spucke und Selbstausbeutung zusammengehalten werden. Wo sollen denn Kapazitäten frei werden bzw. an welcher anderen wichtigen Aufgabe sollen denn Wissenschaftler Zeit abzwacken? Weniger forschen, weniger lehren, weniger Anträge schreiben, sich weniger um Studenten kümmern, weniger Verwaltung?
Edith Riedel (Mittwoch, 20 November 2019 12:45)
"Kommunikation muss ja auch nicht immer viel Geld kosten. Entscheidender ist, dass für diese wichtige Aufgabe genügend Kapazität geschaffen wird."
Aha. Und Kapazität lässt sich quasi im kostenfreien Raum schaffen? Das wäre mir jetzt neu.