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Schwarz-grüne Minister einigen sich auf ExStra-Strategiepapier

Ihre SPD-Kollegen hatten umfangreiche Veränderungen am Exzellenzwettbewerb vorgeschlagen, diese lehnt die sogenannte B-Seite jedoch wortreich ab. In einer zentralen Forderung besteht allerdings Einigkeit: der nach mehr Clustern und mehr Geld.

Die Standorte der Exzellenzuniversitäten und -cluster. Bild: BMBF.

JETZT LIEGEN DIE KARTEN auf dem Tisch. Nach den SPD-Wissenschaftsministerien haben sich auch die Landesregierungen mit Unionsbeteiligung auf ein Strategiepapier zur Zukunft der Exzellenzstrategie (ExStra) geeinigt. Auch sie fordern deutlich mehr Exzellenzcluster als bislang und wollen das ExStra-Budget allein deshalb um mindestens 200 Millionen Euro aufstocken. Andere Pläne der SPD-Seite weisen die B-Länder hingegen in ihrem Papier zurück. 

 

Das vertrauliche "Non-Paper Exzellenzstrategie", koordiniert von Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), liegt mir exklusiv vor. Es benennt "acht Prinzipien und Kriterien bezüglich der Fortsetzung des Programms", die neben Sibler von den CDU-Wissenschaftsminister:innen von Niedersachsen (Thümler), Schleswig-Holstein (Prien), Sachsen (Gemkow) und dem Saarland (Ministerpräsident Hans) geteilt werden. Ebenso dem Papier zugestimmt haben die grünen Wissenschaftsministerinnen aus Baden-Württemberg (Bauer) und Hessen (Dorn) und Nordrhein-Westfalens parteilose Ressortchefin Isabel Pfeiffer-Poensgen.

 

Keine großen
Veränderungen

 

Eine Kernaussage findet sich direkt unter Punkt 1: Die Architektur der ExStra-Förderformate, steht da, habe sich als tragfähig erwiesen. Grundlegende Änderungen werden in dem Papier insofern abgelehnt, darunter auch der im SPD-Papier enthaltene, 2019 vom rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Konrad Wolf formulierte Vorstoß, langjährige Exzellenzcluster als "Profilcluster" oder "Profilzentren" institutionell zu fördern. Eine Bund-Länder-Dauerfinanzierung  von Einheiten innerhalb von Hochschulen könne zwar sinnvoll sein, passe aber nicht zur Exzellenzstrategie. 

 

Die klare Ablehnung ist insofern bemerkenswert, weil es auch in B-Ländern zahlreiche Kandidaten für eine Dauerfinanzierung geben würde. Wohl aus diesem Grund und auch, um den Eindruck parteitaktischer Beweggründe zu zerstreuen, führt das insgesamt sechsseitige "Non-Paper" allein zwei Seiten an Gründen für dieses "Nein" auf. 


So seien laut ExStra-Verwaltungsvereinbarung nach 14 Jahren (zwei Förderperioden) Neuanträge im selben thematischen Forschungsfeld erlaubt, und tatsächlich befänden sich derzeit 15 von 57 Exzellenzcluster in einer dritten Förderphase  – womit eine langfristige Förderung bereits jetzt "möglich und real" sei. Eine Institutionalisierung der 15 Cluster hingegen würde den B-Ministern zufolge das ExStra-Ziel, "die Versäulung und Zersplitterung der deutschen Forschungslandschaft abzumildern", konterkarieren. Und im Gegensatz zu den Forschungsinstituten der großen Wissenschaftsorganisationen von Max Planck & Co enstünde so ein "bundesweit historisch wachsender Flickenteppich" ohne Beachtung des überregionalen Bedarfs, der strategischen Passfähigkeit und eines thematisch übergeordneten roten Fadens.

 

Auch könnten einmal auf Dauer gestellte Exzellenzcluster nur schwer wieder beendet werden und zu einer "thematischen Sklerotisierung" der Wissenschaftslandschaft führen – was wiederum einem ExStra-Ziel, mehr Dynamik, entgegenstehe. Die "Finanznot" der Exzellenz-Cluster Förderlinie werde so nicht gemindert. Es drohe sogar das Gegenteil, wenn das für die Dauercluster nötige Geld aus dem ExStra-Wettbewerb abgezogen werde. Auch könnten solche Cluster nicht mehr von der DFG betreut werden, ihre Begutachtung müsste etwa durch die Leibniz-Gemeinschaft oder den Wissenschaftsrat erfolgen, wodurch die ExStra-Verfahren "überkomplex" würden. Hinzu komme, dass so die "Filetstücke einer Universität" in eine überwiegende Bundesförderung gingen und innerhalb der Universitäten als Profilzentren eine "(zu) große Macht" entwickeln würden. 

 

Und schließlich warnen die B-Wissenschaftsminister davor, dass in der Förderlinie "Exzellenzuniversität" beim Vorhandensein von Dauer-Clustern ein Erfolg ohne zwei reguläre Anträge denkbar werde, was einer "indirekten Abwertung" der nicht-institutionellen Verbünde und einer Relativierung ihrer Sichtbarkeit gleichkomme. 

 

Was die SPD-Minister:innen wohl
dazu sagen werden?

 

Es wird spannend zu sehen, wie die SPD-Minister auf diese doch sehr deutliche Ablehnung des von ihnen geforderten "weiteren Förderformats" reagieren. Immerhin haben sich ihre B-Kollegen viel Mühe mit der Begründung gemacht, und tatsächlich sind viele der Einwände nicht von der Hand zu weisen – vor allem, dass ansonsten der Wettbewerbsgedanke der Exzellenzstrategie gefährdet werden könnte.

 

Wohl auch deshalb betont das schwarz-grüne Papier in einem eigenen Punkt das "Primat der Wissenschaft". Sowohl Begutachtung als auch Evaluierung sollten ausschließlich nach Qualitätsaspekten erfolgen und insofern "unabhängige und scharfe Schwerter bleiben". 

 

Ebenfalls abgelehnt – wenn auch etwas indirekter – wird der im SPD-Papier enthaltene Vorschlag, das Beantragungsverfahren für Verbundanträge müsse für kleinere oder mittlere und geografisch abgelegene Universitäten bzw. Universitätsstandorte erleichtert und abgeändert werden. In der B-Position heißt es "zur Frage der Flächendeckung und Möglichkeit von Verbünden": Derzeit würden Exzellenzcluster an 34 Universitäten gefördert, was genug sei. 17 davon seien Verbünde mehrer Universitäten, was deren "erfolgreichen Realisierungsspielraum" zeige. Vorbereitende Strategie- und Profilierungsmaßnahmen, um Universitäten für die ExStra fit zu machen, seien "Aufgabe der jeweiligen Sitzländer"

 

Was wohl Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle und ihre Kollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Bettina Martin, dazu sagen werden? Von ihnen stammt der entsprechende Passus im SPD-Papier, sie sehen eine Benachteiligung ganzer Regionen und Standorte durch die derzeitige Wettbewerbspraxis – zumal es wohlhabenderen Ländern leichter fallen dürfte, das nötige Geld für die Profilierungsmaßnahmen aufzutreiben.

 

Was etwa Unions-Koordinator Bernd Sibler gerade vormacht: Über das Programm "Exzellenzverbünde und Universitätskooperationen" gibt der Freistaat über fünf Jahre rund 32 Millionen Euro dafür aus, um – wie es in der Pressemitteilung aus Silbers Ministerium heißt, "bayerische Universitätscluster noch erfolgreicher zu machen, wenn es um das Einwerben von Mitteln aus der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern geht". Das Geld geht unter anderem an "universitätsübergreifende Forschungsprojekte" in Bayreuth, Erlangen-Nürnberg, Regensburg und Würzburg.

 

An einer Stelle wird
das Papier inkonsequent

  

Und bei aller Betonung, grundlegende Änderungen an der ExStra seien nicht nötig: An einer Stelle liest sich das B-Papier dann doch inkonsequent. Die von der GWK bereits eingesetzte AG zur Exzellenzstrategie solle Vorschläge erarbeiten, wie künftig geistes- und sozialwissenschaftliche Vorhaben stärker durch die ExStra gefördert werden könnten. Wörtlich heißt es: "Ferner sollte gemeinsam eruiert werden, wie das Begutachtungserfahren so weiterentwickelt werden kann, dass stark interdisziplinäre Anträge chancenreich sind." Hinter diesem Passus verbirgt sich die Forderung von Hessens grüner Wissenschaftsministerin Angelika Dorn nach einer "eigenen Förderlinie", um die Geistes- und Sozialwissenschaften "angemessen zu beteiligen".

 

Die Formulierung einer eigenen Förderlinie fehlt zwar im "Non-Paper", weil das ja eine grundlegende Änderung wäre, aber faktisch liefe der von der Mitunterzeichnerin Dorn eingebrachte Punkt genau darauf hinaus. Bei der ersten ExStra-Auswahlrunde war der langjährige Frankfurter Geisteswissenschaft-Exzellenzcluster "Normative Ordnungen" prominent auf der Strecke geblieben

 

Viel Nein zu den SPD-Vorschlägen, stattdessen viel "Weiter so" und die demonstrative Betonung von Dynamik und Wettbewerb, dazu ein eigener Reform-Vorstoß: So lässt dich das Unions-Papier zusammenfassen. Die B-Länder können sich diese Haltung durchaus leisten: Denn Änderungen an der Verwaltungsvereinbarung werden nur im Konsens aller Länder mit dem Bund möglich sein.

 

Bei der Forderung nach
mehr Geld besteht Einigkeit

 

Apropos Konsens: An finanzpolitisch entscheidender Stelle suchen die schwarz-grünen Wissenschaftsminister:innen schon jetzt den Schulterschluss mit ihren SPD-Kolleg:innen. Auch sie fordern nämlich vom Bund deutlich mehr Geld. Und sie rechnen dabei so: In der nächsten Runde bestehe eine Erfolgschance für Cluster-Fortsetzungsanträge von erfahrungsgemäß 80 bis 85 Prozent, weswegen "unter den aktuellen Finanzierungsbedingungen" nur etwa zehn neue Anträge zum Zuge kommen würden. Das wiederum würde bei angenommen knapp 200 neuen Antragseinreichungen (das war die Zahl in der ersten ExStra-Runde) auf eine Erfolgsquote von etwa fünf Prozent hinauslaufen. Nicht sachgerecht – finden die B-Minister und verlangen das Geld für etwa 10 bis 15 zusätzliche Cluster, was dann auf insgesamt 67 bis 72 Förderfälle hinausliefe.

 

Die SPD hatte in ihrem Papier ganz ähnlich gerechnet und für die Finanzierung 150 Millionen Euro zusätzlich gefordert. Die B-Seite will inklusive Inflationsausgleich und der Tatsache, dass derzeit deutlich mehr Cluster gefördert werden als ursprünglich vorgesehen, mindestens 200 Millionen mehr pro Jahr, wovon der Bund 150 Millionen und die Länder 50 Millionen bezahlen sollen

 

An dieser Stelle dürften sich also alle Länder gleich welcher Couleur schnell einig werden. Mal sehen allerdings, was die Verhandlungsführer auf Bundesseite dem entgegnen werden. Bald nach der Bundestagswahl dürfte der Poker in seine entscheidende Phase gehen. Denn die Zeit ist knapp: Schon Ende 2022 soll die neue Förderbekanntmachung veröffentlicht werden.  


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Kommentare: 3
  • #1

    Eginhard Meinet (Sonntag, 18 April 2021 11:36)

    Alle diese durch höhere Geldforderungen geprägten Vorschläge übersehen eine schlichte Wahrheit: Die uns
    bevorstehende Beseitigung der Corona-Schäden wird all diese Pläne nicht zulassen. Was den "Vorreiter" der
    schwarz-grünen Pläne betrifft, möge es bitte keinen
    BMBF-Minister aus Bayern geben. Zollen sie die Pläne aus der Herrmann-Kiste dort umsetzen.

  • #2

    Th. Klein (Montag, 19 April 2021 13:29)

    Ich teile grundsätzlich die Befürchtungen, dass die Folgen der Corona-Krise auch finanzielle Folgen für die Hochschulen haben werden. Aber und zum Verweis auf Bayern (@Meinet): die Ressourcen der Hightech Agenda Bayern werden gerade ohne einen Cent Abzug an die Hochschulen und Universitäten verteilt.

  • #3

    Eginhard Meinet (Montag, 19 April 2021 14:22)

    @Klein: Bei WissenDrei hat Herr Wiarda gerade einen m.E. cleveren Vorschlag gemacht, wie man durch Umschichtung eines Teiles der Aufwüchse für DFG und außeruniversitäre Einrichtungen zugunsten der Universitäten die Probleme regulieren könnte. Ich bin gespannt, ob man darauf eingeht und nicht wieder die Dinge im Klein-klein und per Lobbyismus "zermahlt".